Ganz selbstverständlich ging ich früher mit der Familie an Allerheiligen auf die Gräber unserer verstorbenen Verwandten und Bekannten. Wir zündeten Kerzen an, beteten. Und ich dachte über den Tod nach.
Heute ist der Umgang mit dem Tod nicht mehr so unbefangen. Der Friedhof ist zwar im Alltag vieler Menschen noch präsent, wenn sie ihn als Park nutzen. Aber mit dem Tod tun wir uns schwer. Immer weniger Leute nehmen an Beisetzungen oder am jährlichen Totengedenken teil.
Gleichzeitig gewinnt Halloween immer mehr an Bedeutung. Man verkleidet sich, verteilt Süssigkeiten, Kürbisse werden geschnitzt. Die Herkunft des Festes wird dabei meist vergessen: All Hallows’ Eve, der Abend vor Allerheiligen. Man hatte Angst, dass die Toten in dieser Nacht in unsere Welt zurückkommen und uns schaden könnten. Die geschnitzten Fratzen und dergleichen sollten sie abschrecken und fernhalten.
Dass Halloween Allerheiligen immer mehr ablöst, ist zwar schade. Ich erkenne darin aber auch eine Chance: Denn Halloween macht unser paradoxes Verhältnis zum Tod wieder für eine breite Masse erlebbar. Die Bräuche faszinieren, Angst und Grauen vor der (eigenen) Endlichkeit werden in einem sicheren Rahmen ausgelebt. So kann der Tod wieder als etwas Heiliges erlebt werden: als tremendum fascinosum, beängstigend und faszinierend zugleich, wie Rudolf Otto das Heilige definierte.
Viktoria Vonarburg, Seelsorge Kath. Kirche Bern-West