Als ich vor 30 Jahren zum ersten Mal in die Schweiz kam, hörte ich immer wieder, dass die Menschen sich auch in der deutschsprachigen Schweiz «Adieu» sagen. Bei einer Beerdigung wurde mir bewusst, wie passend dieses Adieu sein kann. A-Dieu, zu Gott hin. Wir verabschieden einen Menschen, nicht nur bis morgen, sondern auf immer. Vielleicht gelingt es uns zu glauben, dass die verstorbene Person zu Gott gegangen ist, ein letztes Mal aufgebrochen ist und nun bei Gott geborgen ist. A-Dieu ist für mich wie ein Gebet geworden. Nicht nur am Grab. Wenn ich an all die Menschen denke, die unter schrecklichen Bedingungen verstorben sind. Tausende von Menschen allein im Mittelmeer auf der Flucht nach Europa. In meiner Ohnmacht vertraue ich sie Gott an, A-Dieu. Die Zahlen sind gigantisch: In den letzten sieben Jahren sind über zwanzigtausend Menschen im Mittelmeer ertrunken. Eine Katastrophe vor unserer europäischen Haustüre. Während ich diese Zeile schreibe, sind wieder über 130 Menschen ertrunken, so habe ich heute in den Nachrichten gehört. Ihre digitalen Hilferufe wurden erst nach zwei Tagen von der Küstenwache erhört, jede Hilfe kam zu spät. Adieu, zu Gott hin. Wir kennen wahrscheinlich nicht mal ihre Namen. 20000 Stoffbänder hingen letztes Jahr an der Offenen Kirche Heiliggeist am Bahnhof Bern. Sie erinnerten an genau diese Menschen. Sie haben nicht einmal ein Grab. A-Dieu. Das Aaa wird länger und wird zur Klage. Adieu als Gebet, Protest, Hoffnungsfunken. Gott sei Dank gibt es dieses Wort, dieses Kurzgebet «Adieu». Auf dass wir es immer seltener mit Blick aufs Mittelmeer sagen müssen. Sondern an einem schönen Grab. Oder einfach zum Abschied mit der Aussicht auf ein Wiedersehen, Wiederhören, Wiederlesen. Adieu.