Sahli Marc

Der grossartige Garten

Im Frühjahr blühen Osterglocken und Primeln in Frau Blums Garten am Auweg. Die Himbeerblätter erwachen jeweils und das Gras wächst. Die Wespenkönigin erweitert ihren Bau an der Dachkante, den sie im Herbst verlassen hatte.

Nun, im Winter, ist es still. Nur der Maulwurf schaut manchmal nach dem Rechten.

Schnee, Gras, Himbeeren wie Osterglocken, Tiere und Insekten brauchen Frau Blum nicht. Sie ist vorletztes Jahr gestorben. Nun liegt Ruhe über allem. Der Erbstreit ums Haus kann allen, auch dem Unkraut, nicht zuletzt auch den scheissenden Nachbarkatzen, egal sein.

Streng genommen brauchte es Eleonor Blum gar nicht. Das war ihr nur nicht bewusst, der gebieterischen, unbeirrbaren Frau. Ich denke, ihr Garten hielt sich jahrzehntelang zurück und liess so manche «Scherereien» über sich ergehen. Zum Beispiel einen Schneckenzaun, Dünger und Unkrautvernichter. Man sagt, Eleonor sei cholerisch und hungrig nach Anerkennung gewesen. Deshalb hatte sie wohl den Garten nach ihren Vorstellungen getrimmt, vielleicht diente er ihrer Selbstüberhebung.

Der Garten blüht im Sommer jeweils vor sich hin, dass es eine Augenweide ist. Die Hirtentäschel, Hühnerdarm und der Löwenzahn sind dann mit den Feldmäusen auf Du und Du. Der verwilderte Garten kommt in jeder Jahreszeit ohne Frau Blum zurecht.

Marc P. Sahli, Mitarbeiter, ref. Gesamtkirchgemeinde Bern

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