Uhland Thomas

Geschenkter Tag

Es rast. So schnell, dass einem schwindelig werden könnte. Ich erinnere mich an meinen ersten Schultag, als sei es gestern gewesen, und an das Glücksgefühl meiner ersten Ferien ohne Eltern. Das erste Mal richtig heftig verliebt und das erste Mal abserviert. Das erste Lächeln meiner Kinder und der Tag, an dem sie auszogen.

Und kaum ist all das hinter mir, steht die Pensionierung bevor. Drei Viertel meiner statistischen Lebenserwartung sind vorbei. Ich befasse mich mit Dingen wie Testament und Patientenverfügung, obschon ich mich noch voll im Saft fühle. Doch was ist mit meinen Träumen und Plänen? Einiges werde ich hoffentlich noch abhaken können, doch für viele Dinge werden mir die Jahre fehlen.

Ich könnte verzweifeln und in Selbstmitleid versinken. Ich könnte meine Tage mit Aktivitäten vollstopfen oder 20-Jährige nachäffen, um meine Sterblichkeit zu verdrängen. Doch das macht mich auch nicht jünger.
Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden: den Weg der Zuversicht, der die Endlichkeit nicht verleugnet. Ich übe die Gelassenheit, dass einige Träume offenbleiben dürfen, freue mich, wenn ich Schönes erlebe und schaue dankbar auf mein bisheriges Leben zurück.

Der Liederkomponist Adolf Stähli drückte es so aus: «Steit de d›Sunne guldig übrem Tal / dank derfür u sing u jutz es mal! / Fröi di dra, vergiss di Chlag / u dänk es sig e gschänkte Tag!»

Thomas Uhland, Kommunikation Katholische Kirche

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