Mit der Beleuchtung vieler Lichtketten, den Düften der kulinarischen Traditionen, den ersehnten Geschenken, die wir uns wünschen, mit der übertriebenen Dekoration der Einkaufsläden bilden wir uns eine heile Welt. Die reale Welt ist aber ganz anders. Es ist dunkel. Es ist kalt. Wir stecken in einer neuen Covid-Welle. Viele sind am Rande. Müdigkeit breitet sich aus. Auch in dieser Zeit müssen sich Menschen voneinander verabschieden. Keine Dekoration, keine Kerze, keine Mahlzeit kann die entstandene Leere füllen. Seit jeher haben Komponisten und Dichter versucht, die Stimmung dieser besonderen Zeit in Text und Musik auszudrücken. Die alten Advents- und Weihnachtslieder beschreiben diese reale Welt mit klaren Worten. Leider werden diese Strophen kaum mehr gesungen. Sie passen nicht mehr in unsere weihnachtlichen Vorstellungen. Die Dichter nehmen kein Blatt vor den Mund. Zum Beispiel Friedrich Spee, der im frühen 17. Jahrhundert lebte, und von dem wir die Lieder «O Heiland, reiss die Himmel auf» oder «Zu Bethlehem geboren» immer noch singen, hat sich mit der Pandemie seiner Zeit herausgesetzt. Damals war es die Pest, die in Europa wütete. Dazu kam das Unheil des Hexenwahns und die Wut des Dreissigjährigen Krieges. In dieser düsteren Zeit schrieb Spee: «Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal». In seiner letzten Strophe fügt er hinzu: «Hier leiden wir die grösste Not, vor Augen steht der ewig Tod. Ach komm, führ uns mit starker Hand vom Elend zu dem Vaterland.» In meinem Gebet, bete ich für alle Menschen, die heute trauern, die heute leiden, die heute verzweifeln, die heute einsam sind, die heute keine Weihnacht feiern können: «Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?»