2019 05 Foto Christine Vollmer Opt

Kolumne: Christine Vollmer, Wenn Stille einkehrt

Haben Sie schon mal eine Person beim Sterben begleitet? Mich hat das Dabeisein beim Sterben zutiefst berührt. Es ist ein sehr persönliches Geschehen, immer aber ein Moment, in dem die Zeit stehen zu bleiben scheint. Dieser Augenblick ist nicht leicht zu beschreiben, auch nicht zu verallgemeinern, vielleicht so:
Ein letztes Einatmen vor dem endgültigen Aushauchen
Stille
Heiliger Moment
Die Seele wird frei
Im Tod ist Leben
Ewiglich
Auf einmal ist da eine Stille und Leere im Moment des Todes. Aber auch mitten im Leben kennen wir solche Zeiten. Nach einem mit Aufgaben gefüllten Tag wird es irgendwann abends oder nachts still. Wenn Sorgen oder leidvolle Erfahrungen uns umtreiben, oder wenn wir durch Arbeits- oder Partnerverlust aus der Bahn geworfen werden, kann plötzlich eine Leere entstehen, die uns Angst macht und schwer auszuhalten ist. Doch auch nach Ereignissen, die wir mit viel Erfolg und Anerkennung beenden, stehen wir manchmal hinterher mit einem Gefühl der Leere da. Dann versuchen wir uns abzulenken und irgendwie zu beschäftigen. Wir gehen solchen Situationen gerne aus dem Weg.
Wenn wir uns jedoch auf die Leere einlassen, in die Stille hineinhören, können wir wahrnehmen, wie sich genau hier das Leben neue Bahnen bricht.
Ich finde, es lohnt sich, sich Zeit zu nehmen für Stille, Leere, Wüste, Dunkelheit. Dabei hilft es vielleicht, jemandem davon zu erzählen oder die eigenen Erfahrungen aufzuschreiben oder einfach mal die Seele baumeln zu lassen und nichts zu tun. Das kann heilsam sein.
Wenn Stille einkehrt und Leere sich breitmacht, entsteht Raum für Neues. Dann kann sich das Chaos ordnen, Leben kann neue Wege und Perspektiven finden, Töne werden zu ungekannten Melodien, Licht dringt in die Dunkelheit.

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