Heute feiern meine Eltern ihren Hochzeitstag. Zum 65. Mal. Eiserne Hochzeit. Man gab sich das Jawort fürs Leben, und meinte das wohl meist auch so. Dass ich knapp drei Jahre später das Licht der Welt erblickte, war nichts als logisch vor dem Pillenknick. Die Welt war 1957 eine andere. Manchmal staune ich, dass sich meine Eltern – inzwischen um die 90 – noch immer ziemlich gut zurechtfinden. Eines aber ist durch all die Jahre geblieben: Der Hochzeitstag wird gefeiert. Das war der Tag, an dem mein Vater mit einem Blumenstrauss nach Hause kam, obwohl das nicht so sein Ding war. Abends gingen die Eltern fein essen. Seitdem weiss ich, dass Chateaubriand etwas Besonderes ist. Sie, die so verschieden sind, dass keine Ehevermittlung auf die Idee gekommen wäre, sie füreinander zu empfehlen. Sie, die nicht nur gute Zeiten hatten miteinander. Sie, die wenig von dem lebten, was man heute für eine gelingende Beziehung als notwendig erachtet: er der Patriarch, sie das Heimchen am Herd. Hatten sie sich geliebt? Tun sie es heute? Dumme Frage, würde mein Vater sagen (er antwortet stets für beide). Natürlich lieben wir einander. Wir sind immer noch zusammen. Wir machen Ausflüge in den Schwarzwald oder an den Bodensee oder am Sonntag nach Zürich. Unsere Söhne sind wohlgeraten, würde er sagen. Und solange wir beide leben, feiern wir unseren Hochzeitstag. Auch wenn Mutter nicht mehr alles kapiert und ihr der Trubel manchmal zu viel wird. Was soll das anderes sein als Liebe? Eiserne Liebe? Denn was ist Liebe anderes, als was man daraus macht?