Kolumne Sahli Marc Opt

KOLUMNE: Marc P. Sahli, Blumen des Erinnerns

Die seltenen Frühjahrssonnenstrahlen zogen mich hinaus, um spazierenderweise meiner verstorbenen Mutter näher zu sein. Mich erinnernd, wie du durch den Frühling bummeltest, mit unseren Hunden über Feld, Wald und Wiesen, vorbei an Hecken und Gehölzen, über steinige Wege, gesäumt mit Kräutern und Rossbollen. Die Natur war dir heilig. Der Weg führte mich zum Froschteich, wo Bienen am sumpfigen Rand tranken, die Frösche nicht nur quakten, eine wahre Freude ist dieser Frühling. Weiter am Waldrand fand ich Tannenschösslinge, Brombeerblätter und Erdbeerblüten, all dies gibt einen wundervollen Frühlingskräutertee. Das weiss ich von dir. Waldmeister und Lungenkraut suchte ich vergebens, vielleicht ist deren Zeit vorbei, so wie es deine auch ist.
Weiter den Feldweg entlang, vorbei am Bahnbord, wo ich Wiesensalbei, Margeriten, Habichts- und Labkraut entdeckte. Dem Rapsfeld entlang, das bienenbesucht summte. Dort an der Ackerkrume begrüssten mich Stiefmütterchen, Gänseblümchen und Taubnesseln. Ganz unscheinbar daneben versteckten sich Futterwicken mit ihren pinken Blüten, sie hielten sich am umgebenden, dunkelgrünen Gras mit ihren Ranken fest. Ganz am Ende des Weges begegnete mir der Doldenmilchstern: eine wilde Lilie als Krönung des Spazierganges, der mich neunzig Minuten beschäftigte. Eigentlich könnte man die Strecke auch in einer halben Stunde abmarschieren. Ich wollte aber entdecken, riechen, staunen wie als Kind damals, als ich dir fast täglich Wiesensträusschen pflückte. Die Blumen, denen ich auf dem heutigen Pilgerweg begegnete, habe ich gesammelt und ins Wasser gestellt, wie damals. Aber nunmehr bleibt nur die Erinnerung an Tage als du noch da warst, mit uns, unter uns.
Gerhard Meier hat in seiner Elegie für sein Dorli – ob die Granatbäume blühen – gesagt: Als ich deinen Namen rief, kam an diesem Morgen keine Antwort.

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