Uhland Thomas

Kolumne: Messen und stressen

Einst waren exakte Entfernungen kaum zu bestimmen. Man behalf sich mit dem Lauf der Sonne: ein Tagesmarsch war eine gängige Grösse. Doch wie lange er war, hing davon ab, ob es am Weg ein Wirtshaus gab. 26 Kilometer jedoch ist eindeutig. Beim Tagewerk kam es darauf an, wie fit der Arbeiter war. 380 Backsteine geliefert oder 12 Aren Acker gepflügt hingegen war messbar.
Heute ist die Zeit als Strecken- oder Mengenmass aus der Mode, was ganz praktisch ist. Denn es geht darum, messen, zählen und eine Rechnung stellen zu können.
In der Freizeit hingegen wünschen wir ein Gegenprogramm – sollte man meinen. Doch auch hier messen wir uns – mit anderen und mit uns selbst. Warum schauen wir beim Joggen auf die Uhr? Wofür gibt es Schrittzähler? Wozu das Selfie auf Insta von der Party um 5 Uhr früh? Ganze Industrien leben davon, dass wir uns weder Genuss noch Ruhe gönnen. Wir treiben uns weiter und auf höhere Berge, biken schneller, tauchen tiefer, fliegen weiter, feiern länger – und setzen den Wettbewerb fort, der uns im Alltag auf Trab hält.
Die Frage, wie viele Kilometer ich auf meinen Wanderungen denn so «mache» pro Tag, bringt mich jeweils in Verlegenheit. Nun ja, so viele, bis ich müde bin! Das macht die Freizeit so wertvoll: Ich verabschiede mich aus dem «höher – weiter – schneller» und mache, wozu ich Lust habe. Danach bin ich wieder erholt und leistungsbereit.
Ich wünsche Ihnen stressfreie Ferien.

Thomas Uhland, Kommunikation Kath. Kirche Bern

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