Im Spitalzimmer streicheln zwei Kinder ihrem Vater über den Arm, die Apparaturen geben Signaltöne von sich. Der jüngste Sohn beobachtet abseits, was sich am Krankenbett abspielt und fragt: «Ich habe Durst, kann ich ein Cola haben?» Wir gehen zum Getränkeautomaten im Warteraum. Anschliessend setzen wir uns auf ein Sofa, er trinkt genüsslich, rasch entsteht ein Gespräch. Er gehe in die erste Klasse, spiele gern Fussball…
Der Kleine erzählt und vergisst scheinbar für einen Moment, in welcher Situation er und seine Familie sich befinden – so glaube ich! Mehrmals rennt er zur Toilette, es sei alles gut, versichert er. Er gehe bloss zur Toilette, um zu beten. Das könne er doch auch hier, meine ich. «Nein, das geht nicht.» In der Schule hätten alle darüber gelacht. Doch auf der Toilette sehe das sonst niemand.
Es tat mir leid, dass seine Schulkameraden lachten, als er für seinen kranken Vater beten wollte. Gabs fürs Auslachen vielleicht einen anderen Grund? Ich fragte ihn, wie er bete? Wie ein Erstkommunikant im Kirchenbank kam er mir vor, als er die Hände gefaltet, die Augen geschlossen, niederkniete und sich bemühte, ein Vaterunser zu sprechen. Ich war berührt, betroffen, beschämt – und spürte den Wunsch, dem Kleinen zu helfen.
Wo er denn beten gelernt habe, fragte ich den Buben. «Von Grossmutter und im Religionsunterricht.» Ich erklärte ihm, dass es unterschiedliche Arten des Betens gäbe. Jeder solle die Form finden, die für einen selbst stimmig ist. Es gäbe kein Richtig oder Falsch. Ein Gebet sei nichts anderes als ein Gespräch mit Gott-Vater, Gott-Mutter. Es sei in Ordnung, wenn er eigene Worte gebrauche, grad so, wie ihm der Schnabel gewachsen sei.
Der Siebenjährige wurde still. Wir sassen stumm da. Nach einer Weile fragte ich, woran er nun denke? Nach kurzem Schweigen meinte er: «Ich habe an nichts gedacht, ich habe gebetet.»
