Vom Inselspital gelangt man zu Fuss rasch zum Bremgartenfriedhof. Ich nutze diesen kurzen Spaziergang gerne, um den Kopf freizukriegen oder nach einer intensiven Begleitung, um als Spitalseelsorger wieder etwas Abstand zum gerade Erlebten zu bekommen. Dabei schätze ich diese Art von «Entschleunigung» sehr und suche darin Ruhe und Frieden. Neulich wurde ich dabei Zeuge einer eher unschönen Unterhaltung. Ein Paar sass auf der Bank unter der Blutbuche im Friedhof. Die beiden hatten sich gegenseitig so mancherlei vorzuwerfen. Nicht nur ihre, sondern auch die Ruhe aller Vorbeigehenden und Spazierenden war und wurde dadurch ziemlich gestört. Zuerst dachte ich: «Was für eine Frechheit, wie kann man auf dem Friedhof bloss so eine Unterhaltung führen?!» Doch ein paar Schritte später wurde ich etwas versöhnlicher. Dann dachte ich, dass sich dieses Paar vielleicht – genau wie ich – ebenfalls viel Friede und Ruhe gewünscht hatte und deshalb den Friedhof besuchen ging. Mit solchen und vielen anderen Gedanken marschierte ich weiter. Nach diesem Erlebnis wurde es auf meinem Spaziergang auch in mir nicht leise. Abstand vom «zu Verdauenden» und dadurch auch Ruhe habe ich trotzdem gefunden. Und einmal mehr habe ich erfahren, dass ein Friedhof nicht einfach tot ist und ruhig und friedlich. Ein Friedhof ist ein Ort, wo das Leben Platz hat, er steckt voller Leben. Und ein Friedhof strahlt dies aus.
