Rechsteiner Kj

Kolumne: Pomo d’oro

Die Schüsseln auf dem Küchentisch überquellen von roten, rosa, pinken, orangen, goldenen, grünen oder schwarz-violetten Kugeln, Birnen, gezackten, gewellten, spitzen oder länglichen Früchten. Paradeiser nennen sie die Österreicher, Goldapfel die Italiener, und wir brauchen die Bezeichnung Tomatl der Mexicas, der sogenannten Azteken, bei denen Europas Eroberer viel Neues kennenlernten. Völkermorde haben deren Kultur fast ausgelöscht, aber Tomaten bereichern uns hier wie andere Früchte des indigenen Lebens täglich: Kartoffeln für Rösti, Kakao für Schoggi, Mais für Polenta, Bohnen zum Speck oder Tagetes in Gärten – grossartige Geschenke der Schöpfung über Generationen und Kontinente hinweg.
Jetzt ist Zeit für Erntedankfeste. Manchmal in besonderer Form wie beim Foodsave-Bankett auf dem Berner Bahnhofplatz vor der Heiliggeistkirche am 23. September. Zuhause feiere ich Erntedank täglich mit Tomatensalat Caprese samt Basilikum und koche Töpfe voll Sugo aus einer unglaublichen Geschmacksvielfalt. Wenn ich die Tomaten ernte und die Pflanzen in den Töpfen allmählich verwelken, ist in ihren Früchten doch schon die nächste Ernte angelegt. Ich trockne die kleinen Samen auf einem Küchenpapier, um sie bald wieder auszusäen in dieser Geschichte vom ewigen Werden und Vergehen. Und wir Menschen sind ein Teil davon.

Karl Johannes Rechsteiner, Kommunikation Kath. Kirche Bern

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