Vergangenes Jahr seien fast 1000 Menschen selbstbestimmt gestorben, teilte eine Sterbehilfe-Organisation mit. Das sei mehr als die Jahre zuvor. Die Organisation leitet daraus einen positiven Trend ab. Nicht nur selbstbestimmt leben, sondern auch sterben. Selbstbestimmt sein Geschlecht festlegen. Selbst bestimmen, ob, in welcher Form und mit wem man eine Familie gründet. Selbst den eigenen Beruf bestimmen. Es gab Zeiten, da hätte man ob solchen Ansinnens den Kopf geschüttelt. Ob Mädchen oder Junge, das stand bei der Geburt fest. War der Vater Schreiner, so war es auch der Sohn. Wen man heiratete, legten andere fest. Und gestorben wurde, wann Gott es wollte. Wir hingegen leben in einer Gesellschaft, die uns grenzenlose Selbstbestimmung vorgaukelt. Niemand darf mir irgendetwas vorschreiben, niemand darf mir Grenzen setzen. Selbstverwirklichung um jeden Preis. Das liberale Credo, dass meine Freiheit dort aufhört, wo die des anderen tangiert wird? Schnee von gestern. Ich bin hier der König, und wehe dem, der mich dabei stört. Dass eine ganze Branche, die Werbung, daran arbeitet und davon lebt, mir meine Selbstbestimmung zu rauben, blenden wir aus. Ohne Marketing-Hirnwäsche bräuchte niemand das neueste Mobilphone. Keiner will eine Gesellschaft, die jeden Schritt vorschreibt und jeden Ansatz eigener Gestaltung im Ansatz erstickt. Doch es überfordert uns (und unseren Planeten), wenn wir jeden Aspekt unseres Lebens selbst bestimmen wollen. Ich bewundere Menschen, die das Leben auch mal geschehen lassen können. Sie vertrauen darauf, dass es schon gut kommt, weil da noch einer darüber wacht. Sie geben selbstbestimmt einen Teil ihrer Selbstbestimmung ab. Nicht fatalistisch, nicht resigniert, sondern voller Gottvertrauen.