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Ich ruf dann mal im Himmel an

Täglich betreten Menschen eine Telefonzelle auf der grünen Wiese in Japan. Das Telefon ist ohne Anschluss ans öffentliche Netz. Es dient Menschen, die beim Tsunami 2011 ihre Angehörigen verloren haben, als Ort zum Reden, als Ort der Trauer. Die Bedienungsanleitung des Telefons beginnt mit den Worten: «Schliessen Sie die Augen und hören Sie zu.» Zuhören, wahrnehmen und dann erst reden sind Grundlagen der Trauerverarbeitung. Trauer ist für jeden Menschen eine Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person. Trauer hat also mit Liebe zu tun, Trauer ist die Schwester der Liebe, die Kehrseite der Liebe. Alle Menschen haben die Fähigkeit zu trauern, unabhängig vom Alter. Jeder Mensch trauert auf seine Weise und hat die Trauer im eigenen Tempo zu bewältigen, ob als junger Mensch im Leben stehend oder als älterer Mensch mit mehr Lebenserfahrung.
Trauer umfasst eine grosse Palette an Gefühlen und zeigt sich auf verschiedene Weise. Ohne Worte spricht bereits der Körper eine Sprache der Trauer: Mimik, Gestik und Körperhaltung sagen viel darüber aus, welche Emotionen einen Menschen bewegen. Als Aussenstehender kann die Kenntnis der Körpersprache helfen, Trauernden zu begegnen und trostreich zu unterstützen.
Beim Verlust einer geliebten Person bedeutet Trauer zuerst vor allem Stress und Ausnahmezustand. Das Gehirn ist auf Alarm gestellt und sucht Orientierung. Erst nach einiger Zeit, wenn das Nervensystem nicht mehr im Ausnahmezustand ist, kann die Trauerarbeit beginnen.
Eine Traueraufgabe ist es, eine neue Beziehung und Verbindung zur verstorbenen Person aufzubauen. Dies kann auf symbolische Weise geschehen wie in der japanischen Telefonzelle oder durch andere Orte des Gedenkens, an einer Grabstätte, durch Rituale. Solange Liebe zur verstorbenen Person spürbar ist, bleibt auch die Trauer, doch ihr Ausdruck verändert sich. Es gilt, in sich hineinzuhören, Gefühle zuzulassen und der Liebe als Kehrseite der Trauer Raum zu geben.
Thomas Fries (Theologe), Fernanda Vitello (Religionspädagogin), und Isabella Skuljan (Spitalseelsorgerin)

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