Offen 20

Ansturm auf Bars und Beizen, Full House im halbleeren Kino

Vielen kamen die drei Monate wie eine halbe Ewigkeit vor. Nun also sind Gastro- und Kulturbetriebe wieder offen. Der Bärnerbär hat sich auf einen Rundgang durch Bern begeben.

Vivarium Tierpark – Montag, 19. April, 9.30 Uhr

Der Aussenbereich des Vivariums ist schon seit einer Weile geöffnet – nun können sich neugierige Besucherinnen und Besucher also auch Totenkopfäffchen, Krokodile und die Unterwasserwelt wieder anschauen. 55 Personen dürfen derzeit maximal ins Vivarium rein; bereits um 9.30 Uhr – rund eine Stunde nach der Öffnung – ist diese Kapazität am Montagmorgen ausgeschöpft. Von Hektik allerdings keine Spur. «Die Maskenpflicht wird von wirklich allen eingehalten. Gedränge an der Kasse gibt es nicht, selbst wenn es mal ein paar Minuten dauert, bis man rein darf», beschreibt Tierpark-Direktor Bernd Schildger die Situation. Sein Eindruck: Die Leute gehen ganz anders, freundlicher miteinander um. Und: «Die Verweildauer vor den einzelnen Anlagen ist deutlich länger als früher. Der Zoobesuch scheint für viele eine Art Zu-sich-selber-Finden zu sein. Ich bin begeistert!»

Waisenhausplatz – Montag, 19. April, 12 Uhr

Zum ersten Mal seit knapp vier Monaten dürfen Restaurants wieder Gäste bewirten – wenn auch nur draussen. Der Nachholbedarf scheint riesig: Die verfügbaren Stühle und Tische füllen sich an diesem ersten «Mittag der offenen Gastro-Türen» rasant, die Kellner bedienen im Akkord. Die noch nicht wirklich frühlingshaften Temperaturen schrecken kaum jemanden ab. Natürlich freue er sich, sagt Tobias Burkhalter, Präsident von Gastro Stadt Bern, auf Anfrage des Bärnerbär. Obwohl: «Dieser Öffnungsschritt ist vor allem gut für die Seele, weniger fürs Portemonnaie.» Was der oberste Beizer Berns damit sagen will: Trotz der Lockerungen ist es praktisch unmöglich, ein Lokal rentabel zu führen. Immerhin fliessen die Härtefallgelder weiter, da die Restaurants offiziell nach wie vor als «behördlich geschlossen» gelten. Neid, weil manche über grössere Terrassen verfügen als andere, spürt Burkhalter nicht. Und wenn es wie angekündigt in ein paar Tagen nass und kühler wird? «Viele haben sich Decken und Heizkissen angeschafft.» Wer auf privatem Grund und Boden wirtschaftet, kann sogar Heizpilze aufstellen.

Uni Bern, Hauptgebäude – Dienstag, 20. April, 12.30 Uhr

Studentinnen und Studenten gönnen sich auf der Grossen Schanze ihr Zmittag. In den letzten Wochen war es dort auffällig ruhig. Logisch: Präsenzunterricht ausserhalb der obligatorischen Schulen fiel in den letzten Monaten aus, sämtliche Vorlesungen wurden online abgehalten. Jetzt haben die Hörsäle wieder ein Publikum. Doch was passiert, wenn sich mehr als 50 Personen für eine Veranstaltung anmelden? «Dann muss die Teilnahme am Präsenzunterricht organisiert werden», erklärt die Pressestelle der Uni Bern. «Mit einem möglichst einfachen System, zum Beispiel durch Aufteilung der Studierendenlisten nach Alphabet – mit verschiedenen Varianten – oder per Anmeldung.» Eine Vor-Ort-Pflicht existiert nicht. Seit diesem Montag gilt folgende Regelung: Vorlesungen finden entweder hybrid (sprich: einige sind physisch vor Ort, andere schalten sich via Computer zu) oder komplett online statt. Diese Entscheidung treffen die Dozentinnen und Dozenten.

Kino Rex – Dienstagabend, 20. April, 20.30 Uhr

Im Rex 1 läuft das Gesellschaftsdrama «Beyto». Das Kino ist gemäss Corona-Regeln voll ausgelastet. 100 Menschen gönnen sich hier normalerweise einen unterhaltsamen Filmabend, nun sind es rund 30. Ein Drittel der Gesamtkapazität, so steht es in der Verordnung. Geschäftsführer Simon Schwendimann zeichnet das gleiche Bild wie Bernd Schildger: «Die Leute gehen sehr anständig miteinander um.» Man taste sich langsam an die Normalität zurück. Damit die anwesenden Gäste sich nicht zu fest vermengen, wird auf Pausen verzichtet, das hauseigene Bistro ist geschlossen, Tickets gibt es nur via Online-Reservation. Getränke und Snacks stehen zwar im Angebot, dürfen aber nur im Freien konsumiert werden. Während das Kino Rex seine Leinwand schon am ersten Tag der Lockerungen in Betrieb genommen hat, hat die Kitag-Gruppe bis am Donnerstag zugewartet.

Diverse Fitnesscenter – Mittwochabend, 21. April, 18 Uhr

Normalerweise herrscht um diese Zeit bei Hanteln, Yogamatte und Klimmzug-Stange Grossandrang. Aber jetzt? Gähnende Leere. Egal, in welchem Center man sich umsieht. Wer seine Muskeln stählen und die Ausdauer verbessern will, hat den Raum praktisch für sich alleine. Irene Berger, Chefexpertin des Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verbandes in Bern, überrascht das kaum: «Es muss sich alles zuerst einpendeln, für gewisse Leute ist das Trainieren mit Maske eine Herausforderung.» Gerade ältere Menschen, jene mit Rückenund Gelenkproblemen etwa, hätten die Wiedereröffnung hingegen durchaus positiv aufgenommen, sagt Berger weiter. Die meisten Sicherheitsvorkehrungen wurden bereits vor dem zweiten Lockdown getroffen – der Sicherheitsabstand zwischen den Geräten zum Beispiel. Neu ist die generelle Maskenpflicht, von der nur auf Ausdauergeräten abgesehen werden kann (Vorsicht: Die Regelungen hier sind unterschiedlich!), die Wellness-Bereiche bleiben geschlossen.

Stadttheater Bern und Theater an der Effingerstrasse – Donnerstagabend, 22. April, 20 Uhr

Die Türen der zwei Kultureinrichtungen sind zu. Noch wird hier nicht gespielt. Das Stadttheater feiert am Samstag mit «Fräulein Julie» seine Auferstehung (die Vorstellung war innert kürzester Zeit ausverkauft), das Theater an der Effingerstrasse mit «Harold und Maude» (bis weit in den Mai hinein sind alle Billette reserviert). «Die Kulturbranche wurde vom Entscheid des Bundesrats überrascht», meint Bernhard Gyger, Präsident von beKult, dem Dachverband der Berner Kulturveranstalter. «Viele Theaterveranstalter können den Betrieb nicht von heute auf morgen rauffahren: Einige Schauspielerinnen und Schauspieler sind gerade auf Tournee, andere müssen zuerst Verträge abschliessen.» Gyger hofft darauf, dass Hemmschwellen bald abgebaut sind und die Leute wieder ins Theater kommen. Die Buchungszahlen zeigen: Seine Sorgen scheinen zum Glück unbegründet zu sein.

PostFinance Arena – Freitagabend, 23. April, 20.30 Uhr Der SC Bern spielt sein sechstes Playoff-Viertelfinalspiel gegen den EV Zug. Schlussresultat: 0:1. 50 Fans sind mit dabei. Businesspartner und Fans aus der Szene Bern. Das Stadion, in dem sonst bis zu 17000 Menschen ihren SCB anfeuern, wirkt selbstverständlich weiterhin gespenstisch leer. Den anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauern kann allerdings niemand etwas vorwerfen: Jeder macht Lärm für zehn weitere. Bern lebt wieder – ein bisschen.

Yves Schott

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