Stadtansichten der schönsten Berner Wahrzeichen malen, das können viele. Hans-Ulrich Flühmann liebt es spezieller und baut in geduldiger Feinarbeit Bundeshaus und Zytglogge aus Flaschenkorken nach.
Es begann mit einem: «Das kann ich auch!» Als Hans-Ulrich Flühmann das erste Mal vor über zwölf Jahren ein Bild aus Flaschenkorken in Kleinwabern ausgestellt sah, war er elektrisiert. Jetzt, im Pensionsalter wollte er seiner künstlerischen Ader nachkommen. «Und einen Haufen Zapfen hatte ich auch zu Hause», lacht er. Alsbald formte er aus dem Naturmaterial kleine Wandbilder mit komplexen Mustern. «Doch die sind mir schnell verleidet», erzählt der ehemalige Versicherungsagent, der schon als Kind gerne und gut zeichnete. Etwas Regionales «mit Hand und Fuss» sollte es sein. So kam Flühmann auf die Idee, Berner Wahrzeichen nachzubilden. Heute zieren verschiedene Ansichten des Zytglogge und des Bundeshauses seine Wände.
Detailverliebt
Mit seinen Korkenbildern hat der Künstler, der sich selbst eigentlich als Handwerker bezeichnet, eine Marktlücke gefunden. Stadtansichten und Landschaften aus Flaschenkorken habe er noch nirgends gefunden. «Ich habe das ganze Internet abgesucht, aber solche Bilder wie ich, macht keiner. Ist wahrscheinlich zu aufwändig.» An manchen seiner Korkenkunstwerke arbeitet Flühmann über 250 Stunden. Als Basis dient eine Sagex-Platte, auf die er die zurechtgeschnittenen Korken mit Holzleim aufklebt.
Das Rohmaterial holt er dabei aus seiner fast unerschöpflichen Korkensammlung. «Im Keller habe ich die Korken nach Farbe und Beschaffenheit sortiert», erklärt er. Denn manche eignen sich gut, um das Sujet zu umrahmen, andere für Mauern, und wieder andere für Säulen oder winzige Details. Da wird Flühmann erfinderisch. An seinem Bundeshaus bestehen die Balkonpfosten aus Zahnstocher-Bruchteilen, die Fenstermuster zeichnet er weiss auf schwarzes Bastelpapier.
Die Helvetia auf dem Dach wird stattlich durch einen Champagnerkorken repräsentiert. «Und sehen Sie hier die Kantonswappen? Da der Jura so spät dazu kam, klebt das Wappen am Bundeshaus so auf der Ecke. Das habe ich auch gemacht», zeigt der Künstler und lächelt spitzbübisch. Flühmann ist ein guter Beobachter, fotografiert die Gebäude ab, um für seine Werke eine exakte Basis zu haben. Dann berechnet
er «Handgelenk mal Pi» die Grösse des Bildes. Die Proportionen müssen stimmen.
Vor einigen Wochen stellte er seine Werke im Kulturbahnhof Ostermundigen aus. Extra für diese Schau baute er den Bahnhof aus Korken nach. Er deutet auf die Fenster. «Und sehen Sie hier, die «Feuläde». Auf die bin ich besonders stolz. Sie liegen auch im Original so übereinander», zeigt er an seinem Bild. Jede Lamelle hat er geschnitzt, das Mauerwerk und das mächtige Walmdach nachgebildet. Millimeterarbeit. Um diese feinen Details zu erreichen, schneidet Flühmann seine Korken in Tranchen. Geduldig und vorsichtig führt er die Klinge durch das feste Material. «Das ist eine rein mechanische Arbeit, sehr anstrengend. Es geht nicht mit einem Japanmesser, sondern nur mit so einem gezackten Küchenmesser», lacht er und streckt eine Art Tomatenmesser in die Höhe. «Geschnitten hab ich mich noch nie.»
Über so viel Einsatz staunt auch seine Frau Lis, die ebenfalls Künstlerin ist und seit über 20 Jahren malt. «Ich denke, die Detailverliebtheit seiner Bilder fasziniert die Leute», sagt sie über die Kunst ihres Mannes. Sie ist immer dankbar, wenn er ein Werk beendet hat und wieder mehr Zeit hat. Oft sitzt er in den Morgen- und Abendstunden an seinem Arbeitstisch und werkelt. Angesprochen auf die Korkensammlung im Keller, winkt sie ab und lacht: «Oh, da sind noch viel zu viele.»
Korkenkunde
Zusammen mit Freunden besuchte Flühmann schon mal eine Quelle des Korks, eine Produktion in Portugal. «Dort sagte man uns entgegen der These, dass der Kork immer weniger werde, dass sie genug Kork für alle Flaschen weltweit hätten.» Trotzdem bevorzugen viele Weinproduzenten inzwischen Plastikkorken oder Deckel, da die Flasche dann keinen Zapfen haben kann. Flühmann ist dennoch optimistisch, dass ihm das Material nie ausgehen wird. «Wir haben aus dem Wallis Tausende bekommen. Sie waren froh, die Zapfen verschenken zu können.» Er ist beim Material auch wenig wählerisch. Kunststoffkorken verwendet er zum Beispiel für Sandsteinmauern. «Diese Sorte hier ist mir ausgegangen», sagt er und deutet auf hellen Kork am Bahnhofsgebäude Ostermundigen. «Die schneiden sich sehr mühsam.» Er ist inzwischen zum regelrechten «Zapfen-Kenner» geworden, erkennt jede Struktur, weiss welche selten sind.
Ein paar seiner Werke konnte Flühmann bisher verkaufen, zum Beispiel an die Sponsoren des FC Köniz, dem er lange Jahre vorstand. An seiner Interpretation des Zytglogge arbeitete er besonders gerne. Das Werk zeigt den berühmten Berner Turm von drei Seiten. Normale Kunstgalerien hätten an seiner Korkenkunst weniger Interesse. «Es ist schwierig, wenn man etwas Spezielles hat», stellt Flühmann fest, was seiner Begeisterung für das braune Material aber keinen Abbruch tut. So fertigt er manchmal auch kleinere Bilder an, die er Bekannten und Verwandten zum Geburtstag und zu Jubiläen schenkt. Einzigartig und von Hand gemacht.
Michèle Graf
PERSÖNLICH
Hans-Ulrich Flühmann (75) wuchs als Sohn einer YB-Legende im Berner Marzili-Quartier auf. Der gelernte Elektroniker arbeitete 30 Jahre als Generalagent einer Versicherung, war Fussballer und Präsident des FC Köniz (1988 – 2002). Mit seiner Frau lebt er in Kehrsatz. Das Paar hat zwei Töchter und zwei Enkel.