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Berner Abwasser fliesst künftig noch sauberer in die Aare zurück

Was Berner WC’s und Küchenspülen so alles schlucken müssen und weshalb die arabern mit einer weiteren Reinigungsstufe den Ge­wässerschutz bald noch ver­bessern kann.

Mit dem Spatenstich für die neue Anlage «Vierte Reinigungsstufe» startete bei der arabern letzte Woche ein Grossprojekt, welches die beliebte Aare noch einen Tick sauberer machen wird. In rund zwei Jahren können auch Rückstände von Medikamenten, Pestiziden, Kosmetika und weiteren künstlich hergestellten Substanzen – sogenannte Mikroverunreinigungen – aus dem Abwasser eliminiert werden. Adrian Schuler (44), Geschäftsführer der ara region bern ag, freut sich, dass es endlich losgeht: «Die neue Reinigungsstufe ist für den Gewässerschutz sehr wichtig.» Er präzisiert sogleich: «Für uns Menschen ist das Aarebaden schon heute unbedenklich, wir können das kühlende Vergnügen ganz sorglos und in vollen Zügen geniessen. Die Eliminierung von Mikroverunreinigungen bringt in erster Linie den Wasserlebewesen eine verbesserte Lebensqualität. Fische fressen heute vermehrt hormonell verunreinigten Mikroorganismen, die im Körper verbleiben und etwa ihre Fortpflanzung gefährden können. Diese schädlichen Substanzen aus dem Abwasser können wir zukünftig stark reduzieren.». Uns interessiert, was sonst noch so alles durch das weitverzweigte, rund 300 Kilometer lange Abwasserkanalisationsnetz bei der arabern in der Neubrügg ankommt und wie dort das Schmutzwasser von zwölf Berner Gemeinden gereinigt wird.

Unmengen Feuchttüchlein, aber auch Handys und Gebisse
An das Kanalisationsnetz der arabern sind die Stadt Bern, Allmendingen, Belp, Bremgarten b. Bern, Frauenkappelen, Kehrsatz, Kirchlindach, Meikirch, Muri, Toffen und teilweise Köniz und Wald angeschlossen. In diesem Einzugsgebiet wohnen rund 230 000 Menschen und sind zahlreiche Industrie- und Gewerbebetriebe angesiedelt. Je nachdem ob es trocken ist oder regnet, fliessen pro Tag zwischen 80 und 100 Millionen Liter Abwasser in die arabern. Dort wird die meist dreckige braune Brühe in mehreren mechanischen, chemischen und biologischen Reinigungsstufen von festen und gelösten Stoffen befreit und gereinigt. Zuerst wird Sand und Kies aus dem Abwasser ausgeschieden. Im nächsten Schritt werden mit den Grob- und Feinrechen grössere Abfälle wie Papier und Speisereste aus dem Wasser geholt. Adrian Schuler mahnend: «Alles, was hier in den Rechen hängenbleibt, zum Beispiel Unmengen an Feuchttüchlein, gehört grundsätzlich nicht ins Abwasser. Wir entsorgen immer wieder Papier, Kondome, Tampons, Hygienemasken und weitere Gegenstände, die im WC nichts zu suchen haben.» Bei den Handys und Gebissen ist es dann wohl nicht Gedankenlosigkeit, sondern ein Missgeschick oder einfach viel Pech. «Kürzlich rief uns eine Person ganz aufgeregt an und bat uns, sofort alles abzustellen – ihr sei der Ehering ins WC gefallen.» All der Abfall aus den Grob- und Feinrechen füllt pro Woche immerhin zwei Mulden, die in der Kehrichtverbrennung entsorgt werden.

Nach den beiden Rechen fliesst das Abwasser, das immer noch organische Schmutzpartikel wie Fäkalien und Fette enthält, in zwei riesige Vorklärbecken. Mit chemischer Unterstützung werden die verbleibenden schlammigen Schmutzstoffe langsam in einen zentralen Schlammtrichter am Beckenboden abgesetzt und von dort weiter in die Schlammbehandlung gepumpt. Dieser nasse Schlamm wird anschliessend in verschiedenen Prozessen vergärt, entwässert und getrocknet. Daraus entsteht ein Granulat, das in Zementwerken gute, nachhaltige Dienste leistet. Einerseits als Brennstoff zum Brennen des frischen Kalksteins. Nach der Verbrennung bleibt vom Granulat das Gesteinmehl übrig, das im Zement eingebunden wird.

Auch nach diesem Schritt ist das Wasser nicht sauber genug, um wieder in die Aare geleitet zu werden. Es muss noch die biologische Reinigungsstufe durchfliessen, in welcher die natürlichen Mikroorganismen die gelösten Stoffe aufnehmen und von dort als Schlamm in die weitere Behandlung gelangen.

Neubau für die Vierte Reinigungsstufe
Diese biologische Reinigung wird bald, nach Inbetriebnahme des Neubaus, mit der vierten Reinigungsstufe erweitert. So ist es möglich, die bisher nicht erkannten Mikroverunreinigungen zu eliminieren. Das sind Rückstände von künstlich hergestellten Substanzen, zum Beispiel von Medikamenten, Kosmetika, Pestiziden aus Landwirtschaft und privaten Gärten, Fungiziden aus Fassadenfarben, Rostschutzmitteln und viele weitere Schadstoffe. Die neue Reinigungsstufe basiert auf Aktivkohle-Adsorption. Die Kohlenstücke funktionieren, salopp gesagt, wie winzige Schwämme, welche die Mikroverunreinigungen aufnehmen und so aus dem Wasser eliminieren.

Adrian Schuler zum 56-Millionen-Grossprojekt: «Der Bau der vierten Reinigungsstufe ist gesetzlich vorgeschrieben Wir haben das Projekt und den Neubau in mehreren Etappen entwickelt und geplant. Mit dem gewählten Reinigungsverfahren ist es uns gelungen, gleich zwei Reinigungsstufen sehr kompakt zu bauen. Die neue Anlage ist ein wichtiger Meilenstein für den verbesserten Gewässerschutz, für unser Unternehmen und die Aktionärsgemeinden.»

Jürg Morf

PERSÖNLICH

Adrian Schuler ist 44-jährig und seit 2019 Geschäftsführer der arabern. Er wohnt mit seiner Familie, der Ehefrau und zwei Töchtern, in Zollikofen. In seiner Freizeit ist er gerne in den Bergen am Klettern, pflegt seinen Garten und engagiert sich bei der Feuerwehr.

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