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Braucht es für die dritte Säule ebenfalls eine Versicherung?

Welche Versicherungen braucht es wirklich, welche nicht? Wo lauern die grössten Tücken? Die Versicherungsexperten Michel Meier und Luca Macrina von Valency Finance verraten, wie man für sich die beste Lösung fndet.

Eine provokante Frage zum Einstieg: In Zeiten von Internetvergleichsportalen: Braucht es da eine Versicherungsberatung wie Ihre noch?
Michel Meier: Ja! (lacht) Zum einen gehören noch nicht alle der Generation Internet an und schätzen das Gespräch vor Ort. Zum anderen werden Versicherungen in der Tendenz eher komplizierter als einfacher. Man fndet zwar die Informationen im Internet, doch wo liegen die feinen Unterschiede? Da kann man sich entweder selbst reinarbeiten oder schnell einen Experten wie uns fragen. Vergleichsportale sind keine Konkurrenz. Wir machen eine honorarbasierte Beratung und arbeiten so unabhängig und neutral. Es kommt darauf an, das beste Paket zu finden.

Das kann kompliziert sein. Mit welchen Problemen kommen die Leute zu Ihnen?
Meier: Am meisten Fragen generieren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Sind die Zahnbehandlungen der Kinder mitversichert? Warum kostet es bei der einen Versicherung 50 Franken, bei der anderen 100? Wie flexibel ist sie bei Anpassungen? Selten wollen die Kunden einfach das Günstigste. Vielmehr geht es darum, die Bedürfnisse passend abzudecken.

Welche Versicherung muss man haben?
Meier: Neben den obligatorischen Versicherungen sollte man unbedingt Vermögensschäden gut versichern, da diese schnell ins Geld gehen können. Dazu gehören unter anderem die Privathaftpflichtversicherung. Diese deckt etwa Schäden als Mieter, Gebäudeeigentümer, Halter von Tieren oder auch Velofahrer. In diesem Zusammenhang sind auch Rechtschutzversicherungen stark gefragt. Bei den Kranken- und Personenversicherungen sollte man Reise-, Transport-, Such-und Rettungskosten versichern. Zudem ist der Auslandsschutz über die gesetzliche Krankenversicherung nur unzureichend abgedeckt. Allgemein empfehlen wir auch den Grobfahrlässigkeitsschutz mitzuversichern, zum Beispiel in der Motorfahrzeugversicherung.

Hat die Corona-Pandemie die Nachfrage nach Reiseversicherungen tatsächlich gesteigert?
Meier: Anfangs gab es einen kurzen Run darauf, dann einen Verkaufsstopp. Jetzt ist die Lage wieder normal. Aber Corona erzeugt bei uns viele Nachfragen. Unser Tipp: Auf den Webseiten der Reiseversicherungen steht derzeit weit oben, unter welchen Bedingungen Coronafälle abgedeckt sind oder nicht.

Man kann die Krankenversicherung jedes Jahr wechseln. Aber das machen längst nicht alle, auch wenn es mal teurer wird. Warum?
Meier: Die Schweizer sind wechselfaul. 50 Franken mehr hier oder da tun kaum weh. Aber unsere Empfehlung ist ganz klar: Einmal im Jahr checken, ob die jetzigen Versicherungen noch passen.

Was darf die Krankenversicherung eine junge gesunde Bernerin eigentlich kosten?
Meier: Wir empfehlen den Rechner des BAG, der keine Interessenkonflikte hat. Für die Grundversicherung gehe ich zu priminfo.ch und lasse die Werbeanzeigen bei Google ausser Acht. Da landet eine Stadtbernerin ab 26 Jahren bei rund 280 Franken für das Beispiel mit Hausarztmodell. Oder man geht über ein Telefonmodell. Es gilt aber, auf die kleinen Unterschiede zu achten. Manche Versicherungen respektive Modelle schränken die Wahl des Leistungserbringers, etwa den Arzt oder die Apotheke, ein oder verursachen Kosten beim Anruf.
Luca Macrina: Für die Zusatzversicherung gibt es in unseren Augen keine sinnvolle Vergleichsplattform. Die Leistungen variieren dafür zu stark.
Meier: Auf nächstes Jahr verschwinden übrigens ein paar Tochterversicherungen der grossen Krankenkassen und werden integriert. Die Betroffenen werden automatisch gewechselt, auch wenn diese teurer ist. Die definitiven Prämien werden Anfang bis Mitte Oktober publiziert.

Muss man Fragen zum Gesundheitszustand immer korrekt beantworten?
Macrina: Ja. Sonst kann die Versicherung vom Vertrag zurücktreten, wenn man sie am dringendsten braucht. Ehrlich ist man stets gut bedient. Und die Zusatzversicherung immer erst dann kündigen, wenn man bei der neuen angenommen ist. Nicht, dass man später ohne dasteht.

Was halten sie von Bonusprogrammen wie Fitnesstracker und Gesundheitsapps?
Meier: Eine Prämienreduktion gibt es dadurch nicht und das ist auch gut so. Wenn die Programme die Menschen motivieren, 10 000 Schritte am Tag zu machen und sie dafür einen Bonus bekommen, ist das doch gut. Man muss halt mit der Auswertung der Daten einverstanden sein.

Was zahlt jemand um die 60 Jahre, der häufig zum Arzt geht?
Meier: Gemäss Statistik lohnt sich in den allermeisten Fällen nur die höchste oder niedrigste Franchise. Bei der niedrigsten Franchise würde unser 60-Jähriger derzeit mit Hausarztmodell etwa 420 Franken monatlich zahlen. Gerade bei Personen, die häufig zum Arzt gehen, muss man auf die Bedingungen der alternativen Versicherungsmodelle achten. Deshalb können die Portale nur Richtungen vorgeben, das Vergleichen geht dann aber erst los.

Ein wahrer Versicherungsdschungel: Wäre eine Einheitskasse nicht besser?
Meier: Nein, ein gewisser Wettbewerb ist gut. Einheitslösungen ohne Konkurrenz sind erfahrungsgemäss auch nicht günstiger.

Sollte man mit Säule 3a auch zu einer Versicherung?
Meier: Nicht nur. Eine Kombination beider Varianten ist oft eine gute Lösung. Versicherungen bieten zusätzlichen Schutz im Todesfall oder bei Invalidität. Jedoch sind sie meist unflexibler als Banken. Wir empfehlen eine Versicherungslösung Paaren im Konkubinat mit Kindern, Hausbesitzern, um die Tragbarkeit sicherzustellen und auch Selbstständigen, um die Pensionskasse zu ersetzen.
Macrina: Der junge Familienvater, der seinen Lohnausfall abgedeckt wissen möchte, steckt in einer ganz anderen Lebenssituation als ein junges Paar, das noch viel reist und flexibler in die dritte Säule einzahlen möchte. Eine saubere Analyse der Situation ist matchentscheidend, um die beste Lösung für jeden Einzelnen zu finden.

Braucht man eine Cyberversicherung?
Macrina: Die Nachfrage für Cyberversicherung ist deutlich steigend. Angriffe nehmen zu, vom Datendiebstahl über Erpressung bis zu Persönlichkeitsverletzung, es kann jeden treffen. Vom KMU über die Gemeindeverwaltungen oder auch Privatpersonen.

Oft kommen die Kunden wahrscheinlich auch, wenn der Schaden schon da ist, oder?
Macrina: Ja, vielfach werden wir gefragt, ob bestimmte Schäden versichert sind. In den AVBs steht das oft nicht so klar drin und wir können helfen. Beispielsweise ging es diese Woche um ein E-Bike. Oft sind Bikes über 25km/h ausgeschlossen und müssen separat versichert werden.

Bei dem Veloboom, den wir derzeit erleben: Braucht nicht jeder eine Veloversicherung?
Meier: Mit dieser Frage werden wir aktuell häufig kontaktiert. Haftpflichtschäden sind in der Privathaftpflichtversicherung abgedeckt, diese ist aber nicht obligatorisch. Wenn man auch den Diebstahl oder Beschädigung versichert haben will, kann man dies in der Hausratsversicherung einschliessen.

Hand aufs Herz: Welche Versicherung braucht wirklich niemand?
Meier: (Lacht) Eine generell unnötige Versicherung gibt es nicht. Aber Vorsicht bei Doppel- und Überversicherung. Oft sehen wir das bei der Unfallversicherung in der Krankenkasse, obwohl diese über den Arbeitgeber abgedeckt ist. Auch den Rechtschutz haben manche gleich mehrmals abgeschlossen.

Gibt es auch kuriose Dinge, die Leute versichern möchten?
Meier: Neulich fragte jemand für eine Versicherung für seine CBD-Anlage. Sachen wie eine Stimmband-Versicherung für Sänger hatten wir noch nicht. Könnte man aber tatsächlich versichern.

Michèle Graf

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