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Bruno fehlt mir jeden Tag, doch er lebt in meinem Herzen weiter

Vor rund acht Monaten starb ihr langjähriger Trainer Bruno Arati. Dem Bärnerbär sagt Aniya Seki nun, wie es ihr geht, wieso sie keinen Freund hat – und wie lange sie noch boxen will.

Sie sind im Mai 40 geworden. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Nicht viel, es ist eben nur eine Zahl.

Im letzten Dezember ist Ihr langjähriger Trainer Bruno Arati verstorben. Wie gehen Sie damit um?
Jeder Mensch, den ich persönlich kenne, hat schon einen geliebten Menschen verloren. Wir alle sterben irgendwann mal, Verlust gehört zum Leben. Abgesehen davon habe nicht nur ich, sondern auch seine Familie und Freunde haben Bruno verloren.

Wie fest fehlt er Ihnen?
Es gibt keinen Moment, an dem ich nicht an ihn denke. Er fehlt jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde, doch er lebt in meinem Herzen weiter. Ich werde ihn nie vergessen und versuche, die Werte, die er mir vermittelt hat, weiterzutragen.

Sie waren viel mit ihm unterwegs. Mit wem verbringen Sie Ihre Freizeit jetzt?
Ich habe zwei enge Freundinnen: Zum einen Katharina, eine Amateurboxerin, die ich häufig am Wochenende treffe; wir trinken dann meistens etwas zusammen. Zum anderen Sandra, die im Inselspital als Palliativpflegerin arbeitet, sich um Bruno gekümmert hat und bis zuletzt für ihn da war. Dieses gemeinsame Erlebnis verbindet. Ausserdem kann ich mich jederzeit bei meinem Trainer Gabor Vetö und seiner Frau melden, wenn etwas ist. Ich schätze mich glücklich, so viele Leute um mich zu haben, die für mich da sind, selbst wenn ich einmal nicht mehr Aniya, die Boxerin bin. Darauf bin ich sehr stolz.

Wer ist der wichtigste Mensch in Ihrem Leben?
Abgesehen von meiner Mutter: Fabian Seiler, mein Athletikcoach, mit ihm trainiere ich seit 2014 täglich. Wir reden und schweigen zusammen. Er ist mein bester Freund, was umgekehrt wohl kaum der Fall sein dürfte. (lacht) Wenn ihm etwas an mir nicht passt, sagt er mir das direkt ins Gesicht. So verhalten sich wahre Freunde. Ich möchte ihm auf diesem Weg danken, ohne ihn hätte ich vieles nicht so gut bewältigt. Und dann eben Gabor, mein Trainer, der mich in- und auswendig kennt. Alle anderen: Ihr seid mir ebenfalls sehr wichtig, seid nicht traurig, wenn ich euch hier jetzt nicht erwähne.

Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen Trainer?
Sehr respektvoll. Er ist ein grossartiger Mensch. Wir kennen uns schon länger und haben bereits vor sieben Jahren im Vorprogramm von Wladimir Klitschko im Stade de Suisse geboxt. Er besuchte stets meine Kämpfe, unterstützte mich immer. Ein sehr lustiger, familiärer, aber auch strenger Mensch respektive Trainer. Seine Trainings sind äusserst intensiv. Weil er selbst Profiboxer war, macht er das aber bewusst und aus Erfahrung. Er hat sich sein Können nicht in einem Buch angeeignet. Ich vertraue ihm zu hundert Prozent und das ist mir wichtig – schliesslich sieht man seinen Trainer ja am häufigsten von allen. (lacht)

Was ist mit Ihrem bisherigen Trainer Haki Hajdari passiert?
Mir wurde der zeitliche Aufwand zu gross, jeden Tag nach Thun zu fahren. Das hat aber nichts mit ihm als Trainer zu tun, er macht einen fantastischen Job.

Was ist eigentlich mit Liebesbeziehungen?
Ich halte mich meistens im Box- oder Athletikgym oder dann zuhause auf. Da lernt man eigentlich niemanden kennen. Zudem ist es meistens so, dass jene, denen ich gefalle, mich nicht interessieren und umgekehrt. (schmunzelt) Ausserdem bin ich extrem stolz und stur – ich würde niemals einen Mann ansprechen, der mein Typ ist. Wenn schon, möchte ich selbst angesprochen werden. Dieser Umstand macht das Ganze nicht einfacher. (lacht)

Wie lange ist Ihre letzte Beziehung her?
Ich war von 13 bis 27 in einer Beziehung, die dann auch wegen des Boxens auseinanderbrach. Und so lange ich boxe, stehen der Sport und meine beiden Hunde an erster Stelle.

Sie hatten schwierige Zeiten in Ihrem Leben. Denken Sie manchmal daran zurück?
Wenn ich aus meiner Wohnung rauslaufe und die nächstbeste Person anspreche, weiss doch jeder etwas zu erzählen, das in seinem Leben nicht optimal gelaufen ist. Jeder hat bessere und schwierigere Zeiten durchgemacht. Ich denke kaum zurück und verhalte mich genau gleich wie im Ring: Ich stehe auf, schüttle mich kurz und gehe weiter – und zwar vorwärts.

Sie sind also selten traurig und frustriert?
Eigentlich nicht. Ich durfte mein Leben lang immer machen, was ich wollte und was mir mein Instinkt gesagt hat. Ich bin nie nach der Pfeife von jemand anderem getanzt, wollte nie etwas bereuen. Natürlich gibt es traurige Geschichten wie jene mit Bruno – wer aber die Augen offen hat, sieht jeden Tag Neues, das einen berührt und zeigt, wie kostbar das Leben ist.

Klingt alles halb so schlimm.
Ich bin ja im Grunde genommen eine sehr fröhliche Person, obwohl Medienberichte manchmal das Gegenteil vermuten lassen. Klar bin ich manchmal traurig, aber ich bin ja nicht alleine. Alain Chervet etwa bin ich extrem dankbar, dass ich bei den Boxing Kings im Liebefeld trainieren kann.

Wie lange wollen Sie noch boxen und was kommt danach?
Das weiss ich nicht. Das entscheiden mein Trainer, mein Manager Leander Strupler und ich. Sie sind meine Vertrauenspersonen. Noch bin ich voll motiviert und will weiterboxen. Danach möchte ich mich im Athletikbereich gerne weiterbilden und Personaltrainerin werden. Und ich habe mir zum Ziel gesetzt, Brunos Erbe weiterzuführen. Langweilig wird es mir also kaum.

Was haben Sie für Träume und Ziele?
Als kleines Mädchen habe ich immer davon geträumt, im Kampfsport etwas zu erreichen. Da bin ich ja weiterhin dran. (lacht) Träumen ist einfach, das dann aber auch umzusetzen, ist die Herausforderung. Und…ja: Ich möchte ich gerne nochmals Weltmeisterin werden.

Yves Schott

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