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Büne Huber: «Ich bediene mich an allen Töpfen»

Büne Huber zeigt 22 Jahre nach seiner letzten Aus­stellung in Bern im Natur­historischen Museum seine neuesten Bilder. Er verrät dem BärnerBär, was ihm seine zweite Passion bedeutet und wie sie ihm im Umgang mit seinen dunklen Gedanken geholfen hat.

Als Musiker stehen Sie zuoberst auf dem Schweizer Mundartrock-­Olymp. Wo sehen Sie sich als Maler?
Büne Huber: Musik, Text, Malerei. Bei mir ist alles eins. Die Bilder sind auch Hilfsmittel, um Songs zu schreiben, und die Songs von Patent Ochsner Hilfsmittel, um Bilder zu malen.

Trotzdem kennen Sie die meisten Leute nur als Kopf von Patent Ochsner. Möchten Sie verstärkt als Maler wahrgenommen werden?
Ich habe nicht das Gefühl, als müsste die Malerei in der Öffentlichkeit einen viel grösseren Stellenwert bekommen. Ich bin sogar sehr froh, dass sie ohne Publikum auskommt, da ich auch eine sehr zurückgezogene, stille Seite habe. Ich versuche sie in Harmonie mit der exaltierten, mehr nach aussen gerichteten Seite auszuleben, merke aber schon, dass es mir guttut, wenn andere Leute gerne sehen, was aus meiner zweiten Passion entsteht.

Wie ist es zu Ihrer aktuellen Werkschau im Naturhistorischen Museum Bern gekommen?
Seit der zweiten Ausstellung 2017 im Landesmuseum in Zürich war es für mich klar, dass es eine Fortsetzung geben soll. Dafür brauchte es jedoch genügend Bilder, ein schlüssiges Konzept und einen passenden Ort, wobei die Planung durch die Pandemie massiv durcheinandergewirbelt wurde.

Mit welchen Konsequenzen?
Ich habe nun ein wahnsinnig toughes Jahr vor mir, aber danach wird es wieder besser – mit Ruhezeiten. Ich glaube, je älter man wird, desto wichtiger sind die Momente der Erholung.

Gibt es bei Ihnen überhaupt eine Zeit, wo Sie weder malen noch Musik machen wollen?
Nein, in dem Sinn eigentlich nicht… Die Malerei empfinde ich eben nicht als Arbeit. Das ist der entscheidende Punkt. Auch, weil ich meinen siebenjährigen Sohn an meiner Seite habe, der sehr leidenschaftlich und auf eine sehr ähnliche Art zeichnet. So habe ich das Glück, etwas Privates mit dem Bügle verbinden zu können.

Musik zu machen ist also anstrengender als zu malen?
Es hat andere Komponenten. Insbesondere ist da eine Band, für deren Wohl ich Verantwortung trage und sie ernst nehme. Die Musiker an meiner Seite sollen sich wertgeschätzt und aufgehoben fühlen sowie den Applaus erhalten, der ihnen zusteht. Dafür ist bei uns vieles einfacher, weil wir gewisse Spiele nicht mehr nötig haben.

Woran denken Sie?
Wir sind keine Teenagerband mehr, sondern wissen genau, wie jeder tickt und wie wichtig es ist, dass jeder seine Plattform bekommt, aber auch, welchen Job er hat. Wir können uns aufeinander verlassen. Diese Verbindlichkeit ist ein schöner Aspekt des Älterwerdens – auf andere Nebenwirkungen würde man gerne verzichten! (lacht)

Wie schlägt sich diese Erfahrung in den Bildern nieder?
Bestimmte Themen kommen sicher häufiger und dringlicher zum Ausdruck. Das hängt damit zusammen, wo ich stehe. Im letzten Drittel meines Lebens. Wenn ich Schwein habe. Die Einschläge kommen näher. Ich habe schon von diversen Freunden Abschied genommen. Als es darum ging, Einladungen für die Vernissage zu verschicken, musste ich unglaublich viele Namen von der Liste streichen, die ich von 2017 hatte, weil diese Menschen nicht mehr leben. Das hat natürlich einen Einfluss auf mein Schaffen. Der Tod ist präsent, sehr präsent.

Wofür steht das prominent am Eingang platzierte Bild mit Hummer und Güggel?
Es wurde – wie viele andere Bilder dieser Ausstellung – von einem wohltuenden zweiwöchigen Aufenthalt in Marrakesch nach der Pandemie inspiriert. Ich habe dort sehr viel skizziert und geschrieben. Das lebendige Treiben auf den Strassen und die Ruhe in den Innenhöfen haben mich fasziniert, die Sprache und die Schriftzeichen, die ganze arabische Kultur, die vorher weit weg war. Es sind jedoch nicht nur heitere Bilder entstanden, sondern auch solche, die vom Abschiednehmen von meinem Musikerfreund Wädi Gysi geprägt sind. Ich habe ihn über Monate begleitet, war täglich bei ihm. Es war ein Freundesdienst. Er hat auch sehr gut zu mir geschaut, als ich in meinem dunklen Loch hockte. Erst nachdem er gestorben war, merkte ich, wie kräftezehrend das für mich war. Und dass ich einen schlimmen Fehler begangen hatte.

Was war passiert?
Als sich mein Bub erkundigt hatte, wie es Wädi ginge, hatte ich geantwortet, er würde nicht mehr lange leben, werde bald sterben. «Und was machst du?» Ich Dummkopf antwortete: «Ich begleite ihn.» Als ich Max später erzählte, das Wädi gestorben sei, atmete er auf und sagte: «Ich hatte gemeint, du würdest mitgehen.» Da hätte es nur etwas mehr sprachlicher Präzision bedurft, um ihm diesen Riesenstress zu ersparen.

Was haben Sie in Ihrer Kindheit gezeichnet?
Ich weiss nur noch, dass ich viele Fussballmatches gezeichnet habe. Und viele Kriege, weil es viel gab, das ich verarbeiten musste. Ich habe von meiner Mutter gehört, ich wäre schon damals sehr tief in diese Themen hineingegangen, die mir Angst machten, die ich aber auch bis zu einem gewissen Punkt verarbeiten konnte, indem ich ihnen eine Form gab.

Läuft bei Ihnen Musik, wenn Sie malen?
Ja, eigentlich immer. Manchmal eigene, manchmal fremde. Auch räumlich ist alles sehr nahe. Es sind höchstens drei, vier Meter zwischen Klavier und Leinwand.

Viele Leute dürften sich Büne Huber als Bohemien vorstellen. Die werden staunen, dass Sie auch noch malerisch einen enormen Output haben. Was treibt Sie an?
Ich glaube, es ist ganz einfach: Mein ADS! Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe einen inneren Drang, der stärker ist als bei den meisten Leuten. Ich bin aber schon auch ein Bohemio …

Sie geben sieben ausverkaufte Konzerte auf dem Schwellenmätteli. Haben Sie zu diesem Ort eine besondere Beziehung?
In meiner Jugend gab es dort eine Turnhalle mit alten Beleuchtungskörpern, die ziemlich tief von der Decke herunterhingen. In einem Handball-Match habe ich mal einen solchen Siech abgeschossen! (lacht) Später hat das Schwellenmätteli eine wichtige Rolle gespielt, weil ich in meiner dunkelsten Zeit ein Jahr hinter dem Naturhistorischen Museum wohnte. Als ich als Depressiver über die Brücke ging, kam ich schon das eine oder andere Mal auf dumme Gedanken. Das steckt noch in mir drin, diese Erinnerung ist nicht so schön.

Wie sehen Ihre nächsten Pläne aus?
Wir beginnen schon bald am neuen Album zu arbeiten und wenn alles einigermassen klappt, wird es im Mai oder Juni veröffentlicht. Im Moment habe ich ein wenig Schiss, weil ich mich frage, ob ich es nach der grossen Anspannung in der letzten Zeit noch auf den Punkt bringe. Aber manchmal ist es dann, wenn es am übelsten aussieht, ganz einfach. Auf diesen Effekt hoffe ich.

Reinhold Hönle | Foto: Christian Lanz

PERSÖNLICH

Büne Huber wurde am 27. Februar 1962 in Bümpliz geboren. Der Sänger und Songschreiber von Patent Ochsner ist das einzige verbliebene Urmitglied der 1990 gegründeten Band, die schon mit ihrem Debütalbum «Schlachtplatte» zu einer der treibenden Kräfte des Schweizer Mundartrocks avancierte. Der gelernte Metallbauschlosser und Sozialpädagoge, der mit seiner zweiten Frau Sue und ihren Kindern Julie (6) und Max (7) in Bern lebt, stellte sein Werk als Maler 2001 erstmals aus, damals im Alten Schlachthaus. Nun sind seine neuesten Bilder bis zum 27. August im Naturhistorischen Museum zu sehen.

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