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«Cyber-Kriminalität wird uns zunehmend beschäftigen»

Soll ich mein Büsi versichern lassen? Steigen wegen der Teuerung nun die Prämien? Und wie gross ist die Bedrohung von Betrügern im Netz? Thomas Trachsler, Leiter Versicherungsgeschäft der Mobiliar, gibt Auskunft.

Gibt es noch etwas, wogegen man sich nicht versichern kann?
Es gibt Risiken, die nicht versicherbar sind, weil sie für die Versicherungsgemeinschaft nicht tragbar wären. Die Schweizer Assekuranz hat allerdings sehr weitsichtig den Elementarschaden-Pool als Solidarwerk gegründet, welcher Grossschäden wie beispielsweise Überschwemmungen, Felsstürze oder Erdrutsche abdeckt. Jeder Versicherte bezahlt einen kleinen Betrag an diesen Pool, damit solche Schadenfälle gedeckt sind und ausbezahlt werden können. Ein ähnliches Projekt zur Erdbebendeckung scheiterte leider am Widerstand des Hauseigentümerverbands und im Parlament.

Welche Versicherungen machen Sinn, welche weniger?
Das ist eine Frage der Lebensumstände oder des Unternehmenszyklus. Fakt ist, dass Schweizerinnen und Schweizer grundsätzlich sehr gut versichert sind. In Ländern, wo dies nicht der Fall ist, führen Grossereignisse oft zu Privatkonkursen oder zu Hypotheken, die gekündigt werden.

Welche Versicherung macht zum Beispiel für eine 70-jährige Person weniger Sinn?
(Lacht) Eine Kinderversicherung würde ich nicht mehr abschliessen! Aber im Ernst: Es ist sehr abhängig vom persönlichen Bedarf. Es gilt in jedem Fall, den Bedarf sorgfältig zu eruieren. Eine Problematik, die heute noch massiv unterschätzt wird und der die meisten ausgesetzt sind, ist das Thema Cyber. Vor zehn Jahren sprach noch niemand davon. Heute haben wir es mit gröberen Schadenfällen zu tun. Ich denke dabei auch an Privatpersonen, die beispielsweise im Netz gemobbt werden. Die Cyber-Kriminalität wird uns zunehmend beschäftigen. Cyber-Kriminelle nehmen – wie Einbrecher – die einfachsten Hürden. Nicht alle Privatpersonen und Kleinunternehmen können sich einen IT-Spezialisten leisten.

Soll ich meine fünfjährige Katze versichern lassen?
Das ist eine Frage der Vermögenssituation, die geklärt werden muss. Wenn jemand bereit ist und 10 000 Franken für Operationen oder Therapien bezahlen kann und will, muss er keine Versicherung abschliessen. Die meisten Tierhalter unternehmen alles, damit ihr Tier wieder gesund wird. Diese Kostensteigerungen bei der Behandlung von Tieren unterscheiden sich nicht von jenen bei den Menschen. Je älter das Tier ist, desto grösser das Risiko einer Krankheit.

Wogegen sind die meisten Menschen versichert?
Wir müssen unterscheiden zwischen obligatorischen und freiwilligen Versicherungen. Ohne Haftpflichtversicherung fahren Sie beispielsweise nicht auf der Strasse. Heute haben 98 Prozent der Menschen eine Privathaftpflichtversicherung. Sie ist günstig und sehr wichtig: Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Velo oder auf der Skipiste jemanden um, der dann nie mehr arbeiten kann. Das wird enorm teuer. Gerade junge Leute bedenken dies manchmal nicht. Eine Hausratversicherung haben die meisten Menschen. Zugenommen hat die private Vorsorge in Ergänzung zu AHV und BVG. Im KMU-Bereich kommen oft noch technische Versicherungen dazu für teure Maschinen.

Die Preise für Strom und fossile Brennstoffe schnellen in die Höhe. Müssen Kundinnen und Kunden wegen Corona, Ukraine-Krieg und drohender Energiekrise auch mit höheren Prämien rechnen?
Von einem eigentlichen Schub würde ich nicht sprechen, aber es wird sicher Anpassungen geben. Viele Sachversicherungsprodukte sind an den Landesindex der Konsumentenpreise gebunden. Der steigt aktuell, da wird bei allen Schweizer Versicherungsgesellschaften die Versicherungssumme angepasst. Mit der Indexierung hat der Kunde einen gewissen Inflationsschutz, bezahlt aber mehr. So schützen wir ihn auch vor einer Unterversicherung. Wir versichern ja den Neuwert. Bei der Motorfahrzeugversicherung gibt es keinen Index. Hier achten wir stark auf die Inflation der Schadenkosten, die sich durch Ukrainekrieg, steigende Strompreise etc. ergeben könnten.

Welches war Ihr bisher kuriosester Versicherungsfall?
Ich habe die kaufmännische Lehre beim Automobilclub Schweiz ACS in Bern absolviert, im Gebäude der alten Feuerwehrwache am Theaterplatz. Dort sind oben runde Fenster angebracht. Mein Chef liebte Baumnüsse, diese waren aber schwer zu knacken; ein Nussknacker fehlte. Da behauptete der Vorgesetzte, die Nüsse könnten problemlos ans Fenster geworfen werden, damit sie zerbersten, das sei ein physikalisches Gesetz. Er behändigte eine Nuss und warf sie mit grosser Wucht gegen das Fenster. Nicht die Nuss, sondern die Fensterscheibe zerbarst und die Nuss landete unversehrt auf dem Theaterplatz! Ein Fall für die Glasschadenversicherung…

Peter Widmer

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