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Darum hat Bern noch kein Robo-Taxi

Selbstfahrende Autos, ein umweltfreundlicher ÖV und grosse Batterien – Elektro­mobilität ist derzeit in aller Munde. Professor Peter ­Affolter erklärt, welche Zukunft das Konzept in Bern hat.

Herr Affolter, was ist eigentlich E-Mobilität?
Wenn man von E-Mobilität spricht, können damit zwei Dinge gemeint sein: zum einen effiziente Mobilität und zum anderen elektrische Mobilität. Im Allgemeinen meinen wir, wenn wir von E-Mobilität sprechen, die elektrische. Sobald ein Elektromotor im Antriebsstrang im Spiel ist, handelt es sich um elektrische Mobilität, unabhängig vom Treibstoff und der Grösse des Fahrzeugs.

Elektro-Mobilität liegt im Trend. Alle befassen sich damit. Warum?
Unsere Mobilität verschlingt zurzeit 38 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Schweiz. Darum hat die Elektromobilität im Zuge der Energie- und Klimadebatte in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewonnen. Auch die Entwicklung der Energiespeicher, namentlich der Batterien, trägt zur Popularität bei. Je leichter, kleiner und günstiger die Batterien bei gleicher Speicherkapazität werden, desto längere Fahrstrecken können ohne Zwischenladung gefahren werden. Zusätzlich werden die Fahrzeuge auch preislich immer wettbewerbsfähiger gegenüber dem klassischen Verbrenner. Weiter ist der elektrische Antriebsstrang auch einiges effizienter als das konventionelle Pendant und stellt seine Leistung leise und vibrationsfrei über den ganzen Geschwindigkeitsbereich zur Verfügung.

Woher bekommen die Fahrzeuge ihre Energie?
Elektrische Energie, der Treibstoff für die Fahrzeuge, kann grundsätzlich aus allen möglichen Energieträgern erzeugt werden. Klar ist, dass die elektrische Energie, wenn immer möglich, aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden muss. Mit dieser Eigenschaft bietet der Elektromotor genau jene gewünschte Flexibilität, welche für die Energiewende von so zentraler Bedeutung ist.

Wird Bern eine Elektro-Mobilitätsstadt?
Das ist eine spannende Frage, für die ich wohl nicht der richtige Ansprechpartner bin. Nur so viel: Es gibt sichtbare Bestrebungen seitens der Stadtregierung insbesondere im öffentlichen Verkehr die Elektromobilität zu fördern. Beispiele dafür fahren ja schon lange durch Berns Strassen: das Tram und die Trolley-Busse. Und man sieht immer mehr batterieelektrische- statt Diesel-Busse. Stadtregierung und ÖV-Betreiber haben sich ja klar dazu bekannt, langfristig den Bedarf an nicht erneuerbaren Energieträgern weiter zu reduzieren und die fossilen Energieträger im Berner ÖV komplett durch nachhaltige Quellen zu ersetzen.

Elektrobusse, Trams – ist das die Zukunft des Berner ÖV?
Für Städte allgemein liegt die Zukunft sicherlich in elektrisch betriebenen Fahrzeugen des ÖV. Wenn die Leistung der Batterien in den kommenden Jahren noch weiter verbessert werden, können auch lange und topographisch anspruchsvolle Routen mit Elektrobussen befahren werden. Ebenfalls dienlich für die komplette Elektrifizierung des ÖV-Netzes können sogenannte Gelegenheitslader auf den ordentlichen Strecken der Buslinien sein. Diese erlauben bei kurzen Pausen, zum Beispiel an der Endhaltestelle, die Batterien wieder ein Stück aufzuladen. Damit kann die Batterie kleiner dimensioniert werden, womit der Bus mehr Platz für zusätzliche Passagiere gewinnt.

Das kostet sicher aber auch mehr.
Derzeit ja, aber wie gesagt: Wenn die Batterieforschung weiter voranschreitet, werden diese auch günstiger und können sich für den Betreiber am Ende rentieren. Batterien machen einen Grossteil der Kosten bei der Anschaffung des Elektrofahrzeugs aus. Dafür sind dann die Kosten für den Unterhalt des Fahrzeugs bedeutend kleiner.

Was muss in Bern anders werden, damit Elektromobilität im grossen Stil Einzug halten kann?
Die grundsätzliche Frage ist: «Was will ich mit der Förderung der Elektromobilität in Bern erreichen?» Die offensichtliche Hauptsorge in allen grösseren Städten: Der Platzbedarf für den motorisierten Individualverkehr und auch der tägliche Verkehrsstau verringern sich durch die Förderung der Elektromobilität nicht.

Selbstfahrende, elektrifizierte Autos sollen die Zukunft sein. Wann werden diese in Bern ankommen und bietet die Stadt entsprechende Voraussetzungen dafür?
Bern ist ein anspruchsvolles Pflaster für selbstfahrende Fahrzeuge. Es gibt viele verwinkelte, unübersichtliche Gassen – die übrigens absolut zu Recht ihren Charme haben –, grosse Strassen mit mehreren Spuren, grosse Kreisverkehre, auf den ersten Blick komplizierte Verkehrsführungen und so weiter. Das ist für selbstfahrende Autos eine echte Herausforderung.

Warum genau?
Autonome Fahrzeuge müssen sicher sein. Das heisst, sie dürfen weder ihre Insassen noch andere Verkehrs­teilnehmende gefährden. Das allein auf einer sehr einfachen Route, ohne plötzlich auftretende Hindernisse und klarer Streckenführung zu realisieren, ist bereits sehr anspruchsvoll. Stellen Sie sich vor, sie würden ein autonomes Fahrzeug während der Rush Hour durch die Berner Innenstadt schicken…

Dennoch forschen Sie an solchen Fahrzeugen.
Sie meinen den Matte-Schnägg. Dieses Fahrzeug bewegt sich sehr vorsichtig, sodass es wirklich bei jeder Unsicherheit bremst. Ausserdem fuhr er «nur» auf einer einfachen Route mit wenig Verkehr im Matte-Quartier. Und es war immer ausgebildetes Personal im Fahrzeug, welches den Betrieb überwachte. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir in den nächsten Jahren vermehrt erste Anwendungen selbstfahrender Fahrzeuge in der Stadt sehen werden. Wahrscheinlich zuerst in neu geschaffenen Quartieren, wo kleine Busse selbstständig auf vorgegebenen Routen, mit einer extra angelegten Verkehrsinfrastruktur ihre Runden drehen und so die «letzte Meile» von der Bushaltestelle im Quartier bilden. Aber von einem Robo-Taxi, das selbstständig kreuz und quer durch die gesamte Stadt fährt, sind wir wohl noch mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte weit entfernt.

Bern gilt ja nicht gerade als automobilfreundliche Stadt. Werden herkömmliche Autos in der Zukunft aus Bern verschwinden?
Zu meiner Überraschung ist die Berner Innenstadt immer noch erstaunlich autofreundlich. Es gibt genügend grosse Parkhäuser mitten im Zentrum, welche offensichtlich auch rege für den Einkaufsbummel oder für den nächtlichen Ausgang genutzt werden. Hingegen in den Wohnquartieren rund um die Stadt sieht die Lage doch anders aus. Es steht Auto an Auto entlang der knappen blauen Zone, und es gibt zudem Parkplatz-Suchverkehr. Die individuelle Mobilität ist bei jeder modernen Gesellschaft ein Grundbedürfnis und gehört auch fest zu einer funktio­nierenden und lebhaften Stadt. Es wäre doch schön, die nun mal vorhandenen Anwohnerautos in den leider fehlenden Tiefgaragen verschwinden zu lassen und die charmanten Quartiere statt den Autos den Bewohnern als Lebensraum zu überlassen. Das Zentrum der Stadt ist gut mit dem ÖV und für den Langsamverkehr erschlossen. Mit dem Verschwinden des motorisierten Individualverkehrs im Zentrum könnte meiner Meinung nach die Stadt mehr gewinnen als verlieren und ihrem Namen einer Langsamverkehr-freundlichen, fortschrittlichen und nachhaltigen Stadt auch in Zukunft gerecht werden.

Dennis Rhiel

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