Claude Eichenberger wird in Bern als Opern-Star gefeiert. Aktuell spielt sie die Titelpartie in der Oper Carmen. Dem Bärnerbär gewährt sie einen Einblick in ihren Alltag.
Claude Eichenberger, Sie sind hier in Bern ein Opern-Star…
wenn Sie das sagen…
…Wenn man die Kritiken liest, werden Sie bejubelt und gelobt. Früher haben Sie mir einmal gesagt, Sie sähen sich nicht als Star, sondern eher als Kunsthandwerkerin. Ist denn die Oper ein Handwerk?
Stars leben von der Inszenierung ihres Lebens, auch private Dinge werden bewusst in die Öffentlichkeit getragen. Man verkehrt als Star nur in gewissen Kreisen und pflegt diesen Kult ganz bewusst. So gesehen bin ich ganz sicher kein Star! Ich wohne hier in Bern in der Altstadt, habe eine Familie, gehe hier meiner Arbeit nach, mache meine Kunst.
Wie wird man eigentlich Opernsängerin? Kann man das lernen oder ist das vor allem Begabung?
Klar, es braucht sicher so etwas wie eine stimmliche Begabung, zudem sollte man über schauspielerische Fähigkeiten verfügen. Wenn man dann Gesang studieren will, braucht es viel Disziplin: üben, üben und nochmals üben…
Wie kamen Sie zur Oper?
Irgendwann nach der zwanzigsten Matthäus-Passion. Mir fiel auf, dass viele Töne, die in meiner Stimme vorhanden sind, bei Konzerten nicht richtig genutzt werden. So kam ich dann zur Oper-Literatur.
Musiker üben täglich stundenlang im stillen Kämmerlein. Wie ist das bei Ihnen?
Man muss die Stimme jeden Tag auf Touren bringen. Man kann ein Pferd auch nicht wochenlang im Stall stehen lassen. Man muss es täglich bewegen.
Wie viele Stunden singen Sie?
Das hängt ganz von der Tagesform ab, wobei die Stimmbänder ja nur ein ganz kleiner Teil unseres Instrumentes sind. Wenn man singt, ist der ganze Körper betroffen. Deshalb geht es darum, den ganzen Körper fit zu halten.
Opernsängerinnen sind oft korpulente Frauen mit entsprechendem Brustumfang. Maria Callas war da eine Ausnahme – und Claude Eichenberger. Spielen Körpergewicht und Brustumfang tatsächlich eine Rolle beim Singen?
Ich sage: Körperfett tönt nicht und ist auf der Bühne eher ein Hindernis. Wer über einen eher athletischen Körperbau verfügt, hat zweifellos Vorteile auf der Bühne.
Als Opernsängerin müssen Sie sehr viel Text auswendig lernen. Wie schaffen Sie das?
Das ist Fleissarbeit, ich muss den Text oft sprechen, aufschreiben, wieder sprechen. Über das Schreiben wird der Inhalt des Textes im Hirn gespeichert, das ist eine intellektuelle Arbeit.
Wie viele Opernpartien haben Sie so im Kopf?
Wenn ich die Partie morgen Abend singen müsste? In der Oper sind das vielleicht fünf Werke.
Sind Sie nervös vor einer OpernPremiere?
Die Premiere ist nicht das Problem. Bei der Premiere sind alle warm gelaufen. Viel schwieriger sind die zweite und dritte Vorstellung.
Warum das?
Die Premiere ist vorbei und es vergehen sieben oder acht Tage bis zur zweiten Vorstellung. Die Spannung nimmt ab und es ist manchmal schwierig, die nötige Energie wieder abzurufen.
Wie verbringen Sie die Stunden vor einem Auftritt?
Den ganzen Tag viel trinken, Tee, Wasser. Am Abend vorher kein Alkohol, viel schlafen…
Weisswein sei gut für die Stimme, haben alte Jazzsänger gesagt.
Ach was! Hafechäs. Viel wichtiger sind Schlaf und etwas Bewegung.
Was essen Sie vor dem Auftritt?
Ähnlich wie ein Velorennfahrer esse ich vier Stunden vor dem Auftritt Teigwaren, Vollkorn-Spaghetti zum Beispiel. Kohlenhydrate helfen mir sehr.
Wenn Sie eine Stunde vor dem OpernStart in der Garderobe des Stadttheaters sitzen, was passiert da?
Ich wärme mich auf, mache ein paar Dehnübungen. Dann singe ich mich ein. Wenn ich dann in der Maske sitze, kann ich mich ideal beruhigen. Ich bin dann parat.
In der Maske werden Sie äusserlich ein komplett anderer Mensch. Mögen Sie diese Verwandlung?
Ja, sehr! Ich finde das super. Die Verwandlung führt ja auch dazu, dass man auf der Bühne einen völlig andern Charakter, eine andere Figur spielen kann.
Wann steht Claude Eichenberger auf den grossen Bühnen der Welt und wird als neuer Schweizer OpernStern gefeiert?
Mein Gefühl sagt mir, dass ich eigentlich bereit wäre für solche Jobs.
Sie meinen ein Engagement in London, New York, München oder Wien?
Sagen wir es so: Wenn das Züglein bei mir vorbei fährt, springe ich auf. Wenn es nicht kommt, ist das für mich keine Lebenskrise.
Ihr Mann, Klaus Widmer, ist Jazzmusiker. Sie sind Opern- und Lied-Sängerin – und ihr kleiner Sohn liebt Prince und Michal Jackson. Eine ziemlich coole Familie.
Finden Sie? Ich finde das die normalste Sache der Welt. Ich höre zuhause auch nicht nur Klassik und Oper! Dieses musikalische Schubladendenken fehlt mir total. Ich höre auch Pop, und ich singe Pop. Ich mag Züri West und ich liebe Stephan Eicher.
Ihr Traum vom Glück? Was möchten Sie im Leben unbedingt erreichen oder umsetzen?
Eine Rolle an der Wiener Staatsoper, vielleicht. Das würde ja bedeuten, dass dies mein Lebensziel ist. Ist es aber nicht!
Was ist es denn?
Diese Balance zwischen Privatleben und sehr vielfältigem Berufsleben, wie ich sie heute habe – ja, das ist für mich Lebensglück.
Reto Stuber