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Das neue Weyerli’sche Geplansche

Seit rund einem Monat ist das Weyerli wieder offen: Welche Veränderung die 18-monatige Sanierung mit sich gebracht hat, was es mit dem Aare-­Rauschen beim Tauchen auf sich hat – und warum sich ein Badegast ein Nilpferd herbeiwünscht.

An sommerlich-schwitzigen Tagen wie diesen reihen sich auf den frisch begrünten Liegeflächen bunte Badetücher an noch buntere Badetücher – und wirken besitzlos: Denn an Spitzentagen tummeln sich innerhalb einer Stunde rund 6000 Personen im kühlen Nass des Schwimmbeckens.
Eine Erfrischung, die heiss ersehnt ist, denn die Sanierung der im Jahr 1958 erbauten Anlage zog sich über anderthalb Jahre hin. Wer nun planschfreudig an den «Teich» in Berns Westen pilgert, wird das altbekannte Freibad jedoch auf den ersten Blick wiederkennen, denn zahlreiche der Neuerungen sind nicht sichtbar: Die Investitionen flossen hauptsächlich in die Technik.

Von Unterwasserrobotern und Algenablagerungen
Das Becken – mit einem Wasservolumen von 25 000 Kubikmetern eines der grössten in Europa – war längst undicht, weshalb täglich zwischen 300 und 500 Kubikmeter Wasser in den Untergrund versickerten. Dieses Problem ist nun dank einer Schwimmbadfolie aus Kunststoff behoben.
Zudem fehlte zuvor das heute für Schwimmbecken vorgeschriebene Wasseraufbereitungssystem: Neu sorgen drei unterirdische Ausgleichsbecken dafür, dass das Wasser umgewälzt, mit Desinfektions- und Neutralisationsmitteln versetzt und zurückgepumpt wird, damit die Qualität mit den heutigen Hygienevorschriften konform ist. «Früher mussten drei Pumpen ausreichen, um das Wasser in der nötigen Bewegung zu halten – heute sind es deren vierzig», erläutert Hanspeter Heiniger. Diese sind für die Kopf-unter-Wasser-Freudigen zwar nicht sicht-, aber hörbar: Die Geräusche, welche die starken Pumpen und Düsen verursachen, erinnern an jene beim Abtauchen in der Aare.
Seit neun Jahren Anlagechef im «Weyerli», hat Hanspeter Heiniger die umfassenden Bauarbeiten hautnah mitverfolgt – und gestaunt: Rund um das Becken klafften tiefe Gräben, denn sämtliche Leitungen mussten herausgerissen werden. «Die freigelegten Schläuche waren kilometerlang, ich habe selbst zeitweise nicht mehr verstanden, wofür die alle gut sind …», sagt der gelernte Sanitär-Installateur mit Augenzwinkern. Während der Umbauphase fungierte er als «Leitstelle auf alle Seiten» und es erfüllte ihn mit Freude, den ganzen Prozess mitverfolgen zu dürfen. «Schliesslich kenne ich das Weyerli schon seit Zeiten, als wir das Desinfektionsmittel noch per Rettungsboot in das Becken transportieren», erinnert er sich zurück.
Der Unterhalt der Anlagetechnik, die nun auf dem neusten technischen Stand ist, bringt neue Aufgaben für Hanspeter Heiniger und sein Team mit sich. Beispielsweise wurde das Grundwasser früher an einer Stelle des Beckens eingespiesen und floss an einer anderen in den Wohlensee ab – ungefiltert. Heute erfolgt zuerst eine aufwändige Neutralisierung, ehe das Wasser in den Stausee an der Aare abfliesst. Auch eine Reinigung des Beckengrundes blieb vor der Sanierung aus. «Nun saugen sechs Unterwasserroboter den Boden über Nacht ab», erklärt Hanspeter Heiniger mit hallender Stimme im Technikraum, wo die modernen «Poolputzer» bereitstehen.
Damit lösen sich auch Algenablagerungen vom Boden, was bei den Badigästen nicht unbemerkt bleibt. Ein Rentner, der sich auf einer der Bänke von seiner täglichen Schwimmrunde ausruht, berichtet von grünen Algenpartikeln, die sich an gewissen Stellen ansammeln. Vielleicht müsste man nachts ein Nilpferd im Pool «grasen» lassen, meint er mit verschmitztem Lachen – aber wahrscheinlich verstehe man dies unter «Renaturierung» … Zudem vermisse er die grosse, von überallher gut sichtbare Uhr, die ihm einst zuverlässig die Zeit anzeigte – egal, ob er gerade Längen schwamm oder sich in der Beiz verpflegte.

Wasserspielplatz und genderneutrale Garderoben
Hanspeter Heiniger räumt unumwunden ein, dass es noch Optimierungspotenzial gibt: «Wir sind dabei, die Wasserumwälzung via Ausgleichsbecken zu verbessern, da die Wasserqualität auch von der Witterung – beispielsweise vom Wind – und der Anzahl gleichzeitig badender Menschen beeinflusst ist.» Im Grundsatz «verhäbe» die neue Anlage, es gehe jetzt um Feinjustierungen.
Aufgrund des veränderten Aufgabengebiets wurde sein Team erweitert – und könnte noch zusätzliche Bademeisterinnen und -meister gebrauchen: «Der Markt ist ausgetrocknet, man findet kaum geeignete Personen, welche die Voraussetzungen mitbringen.» Dennoch können die Weyerli-Badegäste unbesorgt sein, was ihre Sicherheit anbelangt, denn Hanspeter Heiniger ist selbst Rettungsschwimmer, das gehöre zu seinem Stellenprofil dazu. Mehrmals pro Woche hält er sich mit Schwimmtraining im Hallenbad fit für den Ernstfall.
Dieser sei in seiner 30-jährigen Karriere einige Male eingetreten, gar bis hin zur Reanimation am Beckenrand. Allzeit bereit sein zu müssen, ist mit ein Grund, warum Hanspeter Heiniger selbst nicht oft im Pool abkühlt. «Aber die dort habe ich natürlich schon getestet!», sagt er lachend und zeigt auf die rund 15 Meter lange, wasserüberströmte Breitrutsche aus Edelstahl. Nicht die einzigen Neuheit, die besonders die kleinen «Wasserrättli» vor lauter Plansch-Plausch quetschfidel aufkreischen lässt: Ein Wasserspielplatz mit Bodendüsen lädt zum «Chosle», bis die Haut schrumpelt. Umziehen kann sich übrigens die ganze Familie in derselben Garderobe, denn diese sind neuerdings «universal», sprich: genderneutral. Das komme bei den Gästen gut an, resümiert Hanspeter Heiniger: «Das Feedback fiel durchwegs positiv aus.»

Über 10 000 Eintritte an einem Tag
Dies zeigt sich auch bei der Anzahl der Besuchenden, die seit der Sanierung stark gestiegen sei: Am zweiten Juni-Sonntag verbuchte das Weyerli
stolze 10 500 Tageseintritte.
Die hochsommerlichen Temperaturen im Frühsommer haben dem Freibad bereits im ersten Monat der Wiedereröffnung einen regelrechten Besucheransturm beschert. Am Eröffnungstag, dem 14. Mai, erstreckte sich die Schlange vor dem Gratisglace-Stand über rund 250 Meter. Die Führungen, die ebenfalls auf dem Programm standen, waren indes weniger begehrt als die Frische am Stiel: «Die meisten Gäste wollten einfach das Baden geniessen», findet Hanspeter Heiniger eine Erklärung dafür. Wenn es nach ihm geht, sollen sie dies weiterhin in vollen (Schwimm-)Zügen tun: Für diesen Sommer wünscht er sich «natürlich schönes Wetter, möglichst viele Menschen, die das neue Weyerli geniessen – und keine Unfälle.»
Und wenn man sich nach dem erquickenden Bad klitschnass auf einem bunten Badetuch – vorzugsweise das eigene – ausstreckt, ahnt man nicht, dass das Rasenstück darunter erst just am Vortag der Eröffnung ausgerollt wurde …

Daniela Dambach

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