Von Graffenried 6

«Dass auch Grössere profitieren, ist aus meiner Sicht nicht falsch»

Ist es in Ordnung, dass das neue Mediengesetz Gratiszeitungen aussen vor lässt? Und werden damit nicht bloss bestehende Monopole zementiert? Stapi Alec von Graffenried erklärt, wieso er die Vorlage trotzdem befürwortet.

Herr Stadtpräsident, wie stimmen Sie beim «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» am 13. Februar ab?
Ich werde dem Massnahmenpaket zustimmen. Das Paket stärkt die Medienvielfalt und ist damit ein Schritt in die richtige Richtung.

Zeitungen wie etwa der Bärnerbär würden bei einem Ja massiv benachteiligt, weil sie von diesem Massnahmenpaket nicht profitieren dürfen. Ist das aus Ihrer Sicht in Ordnung?
Der Bärnerbär hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Er bietet heute ein breites redaktionelles Angebot und leistet damit einen Beitrag zur Medienvielfalt in Bern. In diesem Sinne bedaure ich, dass der Bärnerbär nicht stärker vom Medienpaket profitieren kann. Zumindest von der Unterstützung für Nachrichtenagenturen und die Journalistenausbildung können aber alle Medien profitieren.

Erachten Sie es als richtig, dass der Bärnerbär unter anderem deshalb kein Geld erhält, weil er nicht zu den abonnierten Titeln zählt?
Diese Kritik verstehe ich gut! Aber es ist auch klar, dass es Kriterien braucht. Dass nur abonnierte Zeitungen unterstützt werden, entspricht halt der langjährigen Praxis bei der indirekten Presseförderung. Neu kommt dies auch bei der Förderung der Onlinemedien zum Zug. Für mich steht hinter diesem Aspekt auch die Frage, ob hochwertige redaktionelle Inhalte langfristig allein über Werbeeinnahmen finanzierbar sind.

70 Prozent der fast 180 Millionen Franken an Steuergeldern erhalten grosse Verlage wie die TX Group oder der Ringier-Konzern. Werden dadurch nicht einfach bestehende Monopole zementiert?
Das sind Zahlen des Gegnerkomitees, die ich nicht kommentiere. Kleinere und mittlere Zeitungen sollen mit dem Massnahmenpaket eine höhere Unterstützung pro Exemplar erhalten als auflagenstärkere Zeitungen. Gleichzeitig sollen grössere Konzerne nicht bestraft werden. Die Tatsache, dass sich einerseits die kleinen Verlage für die Vorlage einsetzen und andererseits grosse Medienkonzerne nicht zufrieden sind, zeigt doch, dass die Vorlage kaum auf die Grossen ausgerichtet ist.

Mit dem Geld soll der krisengebeutelten Medienbranche unter die Arme gegriffen werden. Doch verlieren vom Staat finanzierte Zeitungen nicht ihre Glaubwürdigkeit?
Diese Befürchtung ist zu relativieren: Die Zustellungsvergünstigung gibt es schon lange, sie tangiert die Glaubwürdigkeit nicht. Und auch gebührenfinanzierte Gefässe wie beispielsweise «Das Echo der Zeit» haben in der Bevölkerung eine enorm hohe Glaubwürdigkeit. Und erlauben Sie mir eine Gegenfrage: Wie sieht es mit der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit von Medien aus, die von einem Mäzen oder einer grossen Werbepartnerin finanziert werden?

Ist es nicht seltsam, dass sich ausgerechnet links-grüne Parteien für dieses Gesetz einsetzen, obwohl diese stets betonen, sich für «die Kleinen» einzusetzen und Grosskonzernen gegenüber generell kritisch eingestellt sind?
Die kleineren und mittleren Titel haben das Paket am nötigsten. Dass sie sich stark für die Vorlage einsetzen, zeigt, dass dies berücksichtigt wird. Mit der degressiven Förderung werden sie stärker unterstützt als die auflagenstarken Medien. Dass auch die grösseren Titel profitieren, ist aus meiner Sicht nicht falsch: Sie sollen nicht bestraft werden.

Bei einem Ja werden neu auch Sonntagszeitungen subventioniert. Bloss gehören Sonntagszeitungen allesamt zu grossen Medienhäusern und haben diese Gelder doch gar nicht nötig.
Zentral ist, dass die Unterstützung der finanziellen Entlastung der Blätter dient. Diese stehen auch bei den grossen Verlagen unter hohem finanziellem Druck, weil die Konzerne sie nicht quersubventionieren. Dies hat ja leider auch die Zusammenlegung von «Bund» und «BZ» gezeigt. Die Gewinne machen die Konzerne nicht mit der Herausgabe von Zeitungen.

Würde ein Ja zum Mediengesetz den Prozess, wonach Lokalredaktionen verkleinert oder gar ganz gestrichen werden, nicht noch beschleunigen anstatt, so wie von den Befürwortern behauptet wird, diesem entgegenzuwirken?
Wir sind auf allen Ebenen auf Medienvielfalt angewiesen, am stärksten gefährdet ist aber die lokale Ebene. Ich bin überzeugt, dass das Medienpaket ein Schritt in die richtige Richtung ist und die Lokalredaktionen stärkt. Wichtig ist auch die Förderung der Onlinemedien: Die Zukunft der meisten Medien ist digital.

Welche Berner Lokalzeitungen lesen und schätzen Sie besonders?
Ich versuche, mich möglichst vielfältig zu informieren, ich lese daher alles. In Bern hat die Vielfalt mit der Zusammenlegung von «Bund» und «BZ» stark gelitten. Der Bärnerbär und die BümplizWoche sind daher noch wichtiger geworden.

Würde Ihnen ohne diese Titel etwas fehlen?
Mit jedem Medium, das verschwindet, geht Vielfalt und damit Qualität des öffentlichen Diskurses verloren. Das hat die Zusammenlegung von «Bund» und «BZ» leider eindrücklich gezeigt. Gleichzeitig hat der Bärnerbär medienpolitisch an Gewicht gewonnen. Ich hoffe, dass neben dem Bärnerbär auch neue Initiativen wie die «Hauptstadt» in die Bresche springen.

Wie beurteilen Sie, der die Vielfalt schätzt, die Zusammenlegung der Redaktionen von «Bund» und «BZ»?
Dass Tamedia wirtschaftliche Interessen höher gewichtete als die medienpolitische Verantwortung, hat mich sehr enttäuscht. Auch bei einer Zusammenle – gung der Redaktionen wäre mehr Vielfalt und Meinungskonkurrenz möglich gewesen. Einerseits hat Tamedia kurzfristig eine enorme Deutungsmacht, eine Zweitmeinung im Bereich der Tagespresse fehlt. Der öffentliche Diskurs verliert an Qualität. Ich kann mir aber vorstellen, dass andere Medien versuchen werden, das Vakuum aufzufüllen.

Yves Schott

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