Noch ist nicht alles so wie früher. Doch Berns Gewerbe und Hotels nehmen wieder Fahrt auf. Manuela Angst, CEO von Bern Welcome, erklärt, wo es noch harzt und wie es um die Beizen steht.
Manuela Angst, tragen Sie im ÖV oder in einem Supermarkt eigentlich noch eine Maske?
Selten. Einzig, wenn ich merke, dass ich mich in einer grösseren Menschenmenge unwohl fühle. Denn Corona ist ja nicht einfach verschwunden – insgesamt aber überwiegt die Freude, keine Maske mehr tragen zu müssen.
Wie weh tat Ihnen der Lockdown im März 2020?
Rückblickend erscheint mir das Ganze doch sehr surreal. Ich habe in jenem Jahr per 1. Januar die Leitung von Bern Welcome übernommen und ging davon aus, die berühmten hundert Tage Einarbeitungszeit zu erhalten, danach ein Resümee zu ziehen – und dann war auf einmal Lockdown. Wir verfielen zunächst zugegebenermassen in Schockstarre, kämpften uns allerdings sehr schnell raus.
Die Leute, potenzielle Kundinnen und Kunden, waren ja theoretisch immer noch da.
Genau. Deshalb stellten wir den regionalen Gedanken in den Vordergrund: hier kaufen, sich hier beliefern lassen. Wir lancierten zusammen mit BERNcity die Kampagne «Lieber in Bärn». Mir persönlich war sehr wichtig, unseren Akteuren, sprich Gewerbe, Hotellerie und Gastronomie, möglichst rasch etwas zurückgeben zu können.
Welches Fazit ziehen Sie aus der Aktion «Lieber in Bärn»?
Sie war ja in erster Linie eine Art Testballon. Ich finde, sie hat einiges gebracht und wird ja teilweise weitergezogen. Wir veranstalten ja bald zum zweiten Mal den Kulturherbst «Lieber in Bärn». Uns war es wichtig, dass die Leute nicht online einkaufen, sondern beispielsweise beim Bauern in der Region. Nachhaltigkeit ist gerade bei jungen Menschen ein extrem wichtiges Thema.
Corona hat bei der Bevölkerung etwas ausgelöst?
Das denke ich schon. Man lernte plötzlich den Gantrisch kennen und ich persönlich wusste nicht, wie viele Wege es auf den Gurten gibt. Wenn bei den Bernerinnen und Bernern etwas davon hängengeblieben ist, werte ich das durchaus als Erfolg.
Sie glauben, dieses Denken hat sich dauerhaft in den Berner Köpfen festgesetzt?
Das hoffe ich schwer. Als letzten Sommer die Grenzen wieder aufgingen, reisten viele nach Mallorca, auch aus meinem persönlichen Umfeld. Fernweh existiert, klar – gleichzeitig weiss man nun, wie schön es sein kann, in der Schweiz Ferien zu machen. Ich erhielt etwa zahlreiche Feedbacks auf das Grüne Band Bern (eine Veloroute, die auf fast 60 Kilometern die Gemeinden rund um Bern verbindet, d. Red.), das wir während der Pandemie eröffnet haben. Ja, was wir anbieten, ist nachhaltig.
Wirtschaftlich bedeutete die Pandemie eine enorme Zensur. Auch für Bern Welcome?
Es war eine durchaus schlimme Zeit, namentlich für Bern Welcome. Gerade weil der Löwenanteil der Hotelübernachtungen durch Businessgäste zustande kommt. Das alles lag lange komplett brach; wir konnten keine Stadtführungen anbieten, das Tourist Office war geschlossen. Nun läuft der Motor langsam an, Kongresse oder Events wie das Stadtfest finden wieder statt. Ich verbrachte damals etliche schlaflose Nächte, da ich mich gefragt habe, wie wir das finanziell stemmen wollen. Dank der Unterstützung unserer Aktionärinnen und Aktionäre, die an Bern Welcome glauben, sowie des Kantons haben wir es trotzdem geschafft, dieses Unternehmen sanieren zu können. Die Talsohle ist durchschritten, wir können endlich vorwärtsschauen.
Wie lautet das Minus in Zahlen?
Bern Welcome verbuchte in dieser Zeit einen Verlust von rund zwei Millionen Franken. Sehen Sie: Wir sind ein junges Unternehmen, das über keine riesigen Ersparnisse verfügt. Hinzu kommen die Leistungsverträge mit der Stadt, wir sind also aufgrund von Steuergeldern nicht im eigentlichen Sinne gewinnorientiert. Trotzdem galt es, die zwei Millionen Verlust wettzumachen. Teilweise mit À-fonds-perdu-Beiträgen des Kantons, einem Darlehen der Stadt Bern und, wie erwähnt, der Unterstützung weiterer Aktionärinnen und Aktionäre.
Reden wir über die Gegenwart: Wie geht es Ihren Betrieben heute, rund zwei Jahre nach dem ersten Lockdown?
In der Hotellerie waren gerade am vergangenen Osterwochenende die Besucherfrequenzen enorm hoch. Generell gilt: Wer in der Krise rasch umstellte, etwa auf eine digitale Plattform wie Online-Shop, und sich anpasste, konnte oft gut arbeiten. Bei den Frequenzen hingegen hinken wir allerdings nach wie vor alten Zeiten hinterher.
Wo konkret?
Wir können den Business- nicht mit dem Freizeitgast kompensieren, obwohl auch dank unserem Spezialangebot «Familienfrühling» diverse Familien in Bern übernachten. Trotzdem sind die Hotels unter der Woche im Businessbereich sehr gut gebucht, am Wochenende harzt es bei den privaten Buchungen eher.
Von wie vielen Buchungen gehen Sie dieses Jahr aus?
In Bezug auf die Logiernächte sind wir im ersten Quartal noch nicht auf dem Niveau von 2019. Wir rechnen weiterhin mit Mindereinnahmen, doch die Aussichten sind recht gut.
Gastronomiebetriebe, die wegen der Krise schliessen mussten wie viele sind das?
Für gewisse unter ihnen beginnt jetzt die heikle Phase, weil sie jetzt ihre Covid-Kredite zurückzahlen müssen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es dort noch zu einer Bereinigung kommt.
Wie bereiten Sie sich auf den nächsten Herbst vor, falls die Fallzahlen wieder ansteigen sollten?
Wir haben mit hybriden Events, zum Beispiel bei Bernexpo, im Kursaal oder im Wankdorf-Stadion, gute Erfahrungen gemacht. Diese Konzepte stehen. Zudem planen wir, wie bereits erwähnt, gerade die zweite Ausgabe des Kulturherbsts, bei dem wir auf den Freizeitgast abzielen. Ähnliches gilt für die Weihnachtsmärkte.
Frau Angst, welches Zeugnis würden Sie als Berns Tourismuschefin Ihrer Stadt nach zwei Jahren Pandemie ausstellen?
Ein sehr gutes. Sämtliche Akteurinnen und Akteure sind zusammengestanden, haben am gleichen Strick gezogen, es entwickelte sich ein gemeinsames Verständnis für die Sorgen und Nöte der jeweils anderen Branche. Die regionale Bedeutung hat deutlich zugenommen, etliche Menschen leisteten sich hier in der Region eine Übernachtung. Man realisierte plötzlich, in welch wunderbarer Destination wir leben: eine grüne Stadt mit tollem Kulturangebot.
Sie selbst sind ursprünglich Zürcherin, leben seit 32 Jahren hier. Plagt Sie nie Heimweh?
In Zürich habe ich meine Wurzeln, das verleugne ich nicht. Dort leben meine Familie und gute Freunde. Ich gehe gerne ab und an dahin, mit dem Zug ist es ja bloss eine knappe Stunde. Bern andererseits ist mein Lebensmittelpunkt, meine Heimat. Ich bin wahnsinnig stolz, für diese Stadt arbeiten zu dürfen. Das Einzige, das ich nach wie vor weniger gut beherrsche, ist der Dialekt. (lacht) Gleichzeitig finden meine Eltern, ich hätte zahlreiche berndeutsche Wörter übernommen.
Wo verbringen Sie dieses Jahr Ihre Ferien?
Geplant sind ein paar Tage im Piemont, zudem steht im Herbst ein Segeltörn auf Sizilien an. Sonst aber keine grösseren Reisen einfach die Schweiz erkunden.
Sie dürfen zum Schluss gerne ein wenig Werbung für regionalen Tourismus machen.
Schon nur wenn ich ins Emmental gehe, entdecke ich Ecken, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Kurzurlaub in der Schweiz ist unbedingt empfehlenswert.
Yves Schott