Er ist Solothurner – und doch ein richtiger Vollblutberner. Rapper Manillio über Melancholie, Naivität und wieso er sich so stark zur Hauptstadt hingezogen fühlt.
Du bist Solothurner, hast einen engen Bezug zu Bern und gleichzeitig Wurzeln im Thurgau. Erklär das doch mal ein wenig genauer.
Ich bin in Frauenfeld geboren, meine Eltern zogen dann mit mir weiter nach Winterthur, von da ging es via Niederbipp weiter nach Solothurn. Da war ich 10 oder 11. In Solothurn wuchs ich auf. Ich hatte allerdings stets einen starken Bezug zur Berner Musikszene, weil in diesem Bereich – das darf man sicher so sagen – in Bern ein bisschen mehr läuft. Deshalb werde ich wohl häufig als Berner wahrgenommen.
Was verbindet dich mit der Stadt?
Ich habe bereits vor zehn Jahren hier gearbeitet, nachdem ich meine Lehre beendet hatte. Ich war als Polygraf beim Stadttheater tätig, wobei ich stets in Solothurn wohnte. Später lebte ich zwei Jahre in Zürich und kam schliesslich nach Bern. Das tönt jetzt vielleicht lustig, aber für mich war es eine Art nach Hause kommen. Ich fühle mich hier zugehörig, habe in Bern viele Freunde.
Aber dein soziales Umfeld lebt hauptsächlich in Solothurn?
Ich habe Familie und Freunde in Solothurn und ich habe Familie und Freunde in Bern (lacht).
Also war das Gurtenfestival eine Art Heimspiel für dich?
Auf jeden Fall; emotional sowieso. Es ist ein bisschen «unser» Festival, man ist als Band sehr gerne da, diese wunderschöne Stimmung … hier zu spielen, das musste ich mir nicht zweimal überlegen.
«Mir ist bewusst, dass ich mit 50 nicht mehr auf Konzertbühnen rumturnen werde.»
Auf dem Güsche hast du vor allem schnellere Songs gespielt. Dabei mutet deine neue Platte «Plus Minus» eher ruhig und nachdenklich an.
Ich persönlich halte dieses Album eigentlich für mein glücklichstes (lacht). Mir wurde immer gesagt, ich würde sehr melancholische Lieder schreiben. Wobei: Das bin wahrscheinlich ich. Ich schreibe Songs über Dinge, die mich bewegen. Melancholie liegt mir.
Konkret?
Wenn ich mit meinen Jungs im Studio bin und jemand Moll-Klänge anspielt, springe ich sofort drauf an. Das passiert ganz natürlich.
Was beschäftigt dich denn derzeit am meisten?
Ich bin immer noch damit beschäftigt, meinen Platz in der Welt zu finden. Ich bin seit sechs Jahren selbstständig, es ist ein ständiges Auf und Ab. Immer wieder werde ich gefragt, wann ich denn einem «richtigen» Beruf nachgehen werde. Und mir ist ja schon bewusst, dass ich mit 50 nicht mehr auf Konzertbühnen rumturnen werde.
Und sonst?
Der Klimawandel zum Beispiel. Zurzeit liefert einem die Welt mehr als genug Themen, über die man nachdenken kann.
Du wirst mit 50 also nicht mehr auftreten. Was dann?
(Überlegt) Ich sage dem gesunde Naivität. Ich glaube grundsätzlich daran, dass alles irgendwie gut kommt. So etwas wie Karma. Ich habe gute Leute um mich herum und bin gut zu meinen Mitmenschen. Deshalb glaube ich, nicht wirklich in Schwierigkeiten zu geraten. Wenn ich mal einen Job brauche, werde ich einen finden. Ein konkreter persönlicher Schlachtplan existiert in dem Sinne aber nicht.
Ein grosses Privileg ist zudem, in Zeiten von Spotify und Co. überhaupt von der Musik leben zu können.
Dessen versuche ich mir wirklich bewusst zu sein. Ich habe stets sehr viel Liebe und Energie in meine Musik investiert, um dann mit 25 voll auf diese Karte zu setzen.
Eine persönliche Altersguillotine hast du dir nicht gesetzt?
Nein. Ich möchte so lange weitermachen, wie es funktioniert. Bis jetzt hat immer das Eine das Andere ergeben.
Jeder Künstler kennt doch diese Urangst vor dem eigenen Scheitern.
Durchaus. Vielleicht nicht vordergründig, doch man weiss nie, was als Nächstes passiert. Ob ein Track ein Hit wird, lässt sich meiner Meinung nach sowieso kaum beeinflussen. Deshalb ist Musikmachen vor allem dazu da, Gefühle zu transportieren, Spass zu haben.
Hättest du Mühe damit, wieder einen «normalen» Job auszuüben?
Egal, wie es weitergeht: Ich werde sowieso etwas tun, das mir Freude bereitet, etwas Erfahrung habe ich nun dank unseres Secondhand-Ladens.
Wie zufrieden bist du denn mit dir momentan generell?
Es ist Sommer, ich bin ziemlich happy. Wir spielen Festivals. Ich bin stolz auf die Show, die wir erarbeitet haben. Es fägt, mit den Jungs auf der Bühne zu stehen. Ich produziere mit einem Bein schon wieder neue Songs, da dürfte ich ruhig noch mehr Zeit investieren. Doch ich will ja den Sommer geniessen. Sobald die Festivals durch sind verbringe ich dann automatisch wieder mehr Zeit im Studio.
Was bedeutet für dich: den Sommer geniessen?
Unterwegs zu sein. Viele Konzerte zu spielen. Sonst treffe ich sehr gerne Freunde und versuche, draussen Znacht zu essen.
Du isst Fleisch?
Ja, aber immer weniger.
Was dürfen wir von dir in naher Zukunft erwarten?
Ich kann leider nur eine Standardantwort liefern: Ich probiere, immer ein bisschen an der Musik dran zu bleiben. Aber es ist aber kein geheimer Release geplant. Wenn ich etwas Stimmiges habe, kommt es dann raus.
Yves Schott