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Des einen Freud, des andern Leid

Kein Regen, seit Wochen. Berns Wälder leiden, viele Menschen ebenfalls. Doch es gibt auch Profiteure. Eine Übersicht über die Trockenheit und ihre Folgen.
Nach einer langen Kälteperiode zeigt sich der März von seiner schönsten Seite kaum Wolken am Himmel, frühlingshafte Temperaturen von rund 20 Grad, Büsche schlagen aus und die vollbesetzten Restaurantterrassen verbreiten eine mediterrane Atmosphäre. So weit, so Frühling. Andererseits ist der Pegel der Aare sehr tief, weit von seinem für diese Jahreszeit durchschnittlichen Wasserstand entfernt. Wird jetzt also das Wasser knapp und welche Folgen hat die jetzige Situation für uns?

Meteotest warnt vor Waldbränden
Meteotest in Bern erfasst Wetter und Umweltdaten und stellt diese in digitaler Form bereit. Wie interpretiert man dort die momentane Wetterlage? Marina Ganci, sie arbeitet in der Wetterprognose, hebt als Erstes die stetig ansteigende Waldbrandgefahr hervor: «Es hat in den vergangenen Wochen kaum nennenswerten Niederschlag gegeben, das Holz ist ausgetrocknet und leicht entzündbar. Auch die oberste Erdschicht ist zu trocken.» Tatsächlich zeigt die Regenstatistik für den März erst einen einzigen und alles andere als ausgeprägten Regenbalken. Wie dramatisch ist das für die Vegetation? Marina Ganci: «Der Einfluss hält sich in Grenzen, denn die tiefer liegenden Erdschichten sind noch genügend bis sehr feucht.» Das liege auch daran, dass die Vegetation dem Boden noch wenig Feuchtigkeit entziehe. Zudem fliesst in Schottergebieten Wasser aus Bächen und Flüssen in die umliegenden Böden, was an den sinkenden Pegelständen beobachtet werden kann. «Nachschub wird den Fliessgewässern erst wieder gebracht, wenn die Schneeschmelze in den Gipfelgebieten auf Hochtouren kommt.» Der Leiter der Seeregulierung bei der kantonalen Bau- und Verkehrsdirektion, Bernhard Werren, bestätigt obige Schilderungen: «Seit Wochen haben wir eine stabile Hochdruck-Wetterlage und keinen nennenswerten Niederschlag, zudem war es länger kalt. Das Resultat ist diese aussergewöhnlich trockene Situation.» Sind die Seen weit unter einem normalen Pegelstand und die Aare deshalb so mager? Werren: «Die Schneeschmelze hat eingesetzt, der Pegel des Brienzer- und Thunersees steigt. Wir stauen und bewegen uns auf einen normalen Pegelstand zu. Deswegen führt die Aare noch wenig Wasser, in Bern etwa 35 Kubikmeter pro Sekunde. Das wird sich in den kommenden Tagen auf etwa 50 Kubikmeter steigern.» Was aber nicht berauschend sei: «Die normale Wassermenge Ende März wäre bei 75 Kubikmetern pro Sekunde. Aber dazu bräuchte es nun Regen, der auch die Zuflüsse der Aare speist.» In den Sommermonaten führt die Aare übrigens etwa 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Der Grund sind die häufigen Sommergewitter.

Trinkwasserreserven sind (noch) gut
Das Trinkwasser wird nicht aus den Flüssen, sondern aus dem Grundwasser gewonnen. Welche Rolle spielt hier die Trockenheit? «In diesen Wochen keine problematische», entwarnt Bernhard Gyger, Chef des Wasserverbunds Region Bern. Und weiter: «Die Reservoire am Gurten, Könizberg und Mannenberg sind gut gefüllt und die Grundwasser auf einem normalen Niveau. Die Trockenheit würde sich, sofern sie sich länger fortsetzt, erst im Sommer auf die Grundwassermenge auswirken.» Der Wasserstand der Flüsse oder kurze Regenphasen oder Gewitter seien im Übrigen für den Grundwasserstand weniger relevant, für Einfluss benötigt es mehr als ein bis zwei Tage Regen. Lange läutet das Handy von Hans Jörg Rüegsegger, Präsident des bernischen Bauernverbandes, ins Leere. Wir erreichen den Riggisberger erst in seiner kurzen Mittagpause. Grund: Es wird auf Hochtouren gebauert. «Wir sind fürs Superwetter dankbar», sagt er, «diese Trockenheit setzt der Landwirtschaft nicht zu, die Böden sind feucht, die Niederschläge des Winters wirken nach.» Zudem lasse sich bei herrlichem Wetter besser arbeiten; bei Ackerkulturen wird angedüngt, in höheren Lagen oder Nordseiten Mist ausgefahren. Muss bewässert werden? «Beim Gemüseanbau wird im Februar und März gesetzt und bewässert, eine Wasserknappheit gibt es nicht.» Wenn er in der momentanen Situation das Wetter bestimmen könnte, wünschte er sich den Regen ab Mitte April. Und vor allem keine Minustemperaturen mehr – sie würden den Zuckerrüben, Kartoffeln und Obstbäumen zusetzen. Ganz andere Gefühle als der Bauernchef hat Thomas Walter, Förster der Region Bern-Worblental, sie umfasst elf Gemeinden rund um Bern. Durch die längere Trockenperiode seien die Wälder viel zu trocken. «Wir hatten in den vergangenen Jahren oft eine extreme Sommer-Trockenheit. Letztes Jahr war eine Ausnahme, sehr regenreich, und die Bäume konnten sich etwas erholen, sind aber immer noch geschwächt.» Vor allem Buche und Weisstanne leiden, die Fichten zusätzlich durch den Borkenkäfer, welcher trockene Perioden liebt und ausfliegt, hingegen sich bei grosser Feuchtigkeit weniger ausbreitet. So komme jetzt verhängnisvoll zweierlei zusammen: Durch Trockenheit geschwächte Bäume werden Opfer eines umso fitteren Borkenkäfers. «Ich wünsche mir sehnlichst Regen.» Auch privat? «Während der Woche», antwortet er mit einem Lachen, «am Wochenende haben auch Förster gerne Sonnenschein.»

Belastende Zeiten für Allergiker
«Die Birke blüht und produziert besonders viele Pollen», schreibt AHA, das Allergiezentrum Schweiz in Bern. Schwere Zeiten für an Heuschnupfen und Pollenallergie Leidende. Sonja Hartmann, Beraterin und Projektleiterin bei AHA, erklärt: «Es ist sehr warm, und ab 15 Grad fliegen die stark allergenen Birkenpollen los. Birkenpollen sind sehr klein und dringen deshalb tief in den Atemweg ein.» Und anders als im Regenjahr 2021 werden heuer besonders grosse Pollenmengen erwartet. Heuschnupfengeplagte sollten den Pollenkontakt möglichst geringhalten. Indem sie im Freien Sonnenbrille und Hygienemaske tragen, zuhause nur kurz stosslüften oder noch besser erst nach dem Regen, die Haare vor dem Schlafengehen waschen und Kleider nicht im Schlafzimmer ausziehen. Professor Arthur Helbling, Leiter der Poliklinik für Allergologie und klinische Immunologie, bestätigt die Gefahr, man verzeichne allerdings am Inselspital noch sehr wenige Anfragen. Ein Widerspruch? «Die Betroffenen haben in den Pandemiejahren die gegen Pollen positive Schutzwirkung der Masken für den Nasen- und Rachenraum erlebt, und wir vermuten, dass viele auch jetzt noch Masken tragen und dadurch Erkrankungen reduzieren.» Zudem führe der Leidensdruck die Betroffenen vorab in die Apotheken. Im Übrigen sei nicht jede Irritation auch eine Allergie. Eine Luftfeuchtigkeit unter 40 Prozent trockne die Schleimhäute aus und mache die Haut rauer. Also Luftbefeuchter anschaffen? «Eincremen», empfiehlt der Professor.

Gibt es nochmals Schnee?
Mit den seit zwei Wochen warmen Tagen kommt auch die Sehnsucht nach dem Sommer. Und wie immer ist nicht vorhersehbar, ob sich der Winter nochmals aufbäumt und mit Schnee, gar an Ostern, zurückmeldet. Das «wissen» nur die Wetterschmöcker, und die prophezeien einen wüsten Aprilbeginn, vielleicht gar mit Schnee, jedoch dann schöne Ostertage. Präziser sind die Wetterprognosen für die kommenden Tage. Ab Mittwoch wirds veränderlich, kühler – und nass. Endlich. Den Förster freuts. Die Allergiker sowieso. Und vielleicht auch ein wenig den Bauernpräsidenten.

Lahor Jakrlin

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