Die Corona-Krise macht vielen Menschen Sorgen. Mental-Coach Gabriel Palacios erklärt, wie wir der eigenen Verunsicherung begegnen und was er von Wein als Beruhigungsmittel hält.
Wie reagieren Sie persönlich auf die derzeitigen Umstände?
Diese Krise führt uns vor Augen, wie reich wir im Inneren wirklich sind. Sie stellt uns allen die Frage: «Wie reich bist du, wenn alle Geschäfte und Freizeitaktionen der Welt wegfallen würde?» Diese Frage sollten wir alle rasch beantworten können, mit Antworten wie: «Mein wahrer Reichtum ist meine gesunde Familie.» Jetzt wird deutlich, dass wir uns Gesundheit und wahren inneren, familiären Reichtum mit keinem Geld der Welt kaufen können. Die Yacht in Nizza, der Luxusschlitten in der Garage und die Villa am See werden plötzlich wertlos, wenn niemand da ist, der uns Liebe schenkt.
Worte wie «Pandemie» und «Notstand» klingen sehr bedrohlich und machen Angst.
Sogenannte «Trigger-Worte» sind Worte, die negativ konnotiert sind. Diese Worte lösen in uns negative Erinnerungen aus. Wir sollten uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass diese Worte keine schlechte Absichten haben. So beispielsweise das Wort «Pandemie». Es kommt aus dem griechischen «pandemios» und steht für «das ganze Volk umfassend». Die Gesellschaft prägte das Wort eigentlich zu Unrecht negativ. Ebenso verhielt es sich beispielsweise mit dem Wort «Manipulation». Dieses Wort kommt ursprünglich aus den Heilberufen und steht für «mit den Händen füllen». Chiropraktiker und Chirurgen manipulieren zu heilsamen Zwecken.
Wie viel Platz dürfen Ängste und Sorgen im Alltag haben, wann ist es genug?
Unser Körper teilt uns mit, wenn wir Angst haben. Immer dann spüren wir sie nämlich im Körper. Meist im Hals-, Brust- oder Bauch-Bereich. Dieses Gefühl will uns sagen: «Tu etwas!» Doch alsbald wir nur noch von der Angst gesteuert werden, und diese nicht mehr vernunftnah überprüfen können, herrscht ein Übermass vor. Man könnte auch von Panik reden. Panik ist nie ein guter Weggefährte.
Wie sollen Menschen mit der eigenen Verunsicherung umgehen? Gibt es ein Patentrezept dagegen?
Ablenkung: klar. Aber wie? Immer dann, wenn wir Angst verspüren, befindet sich die Energie in unserem Gehirn nicht in den vernünftigen Hirngebieten, sondern in jenen, welche von der Emotion gelenkt werden: das limbische System. Die Amygdala. Wir können uns immer dann aus der Angst rausnehmen, indem wir die Energie im Gehirn wieder zurück in die Vernunft verschieben, so dass wir wieder nüchterner denken mögen. Dies tun wir am besten, indem wir unsere Augen schliessen und uns einfach bloss auf unseren Atem konzentrieren und wir derweilen versuchen an nichts anderes zu denken, als an unseren Atem. Ein- und ausatmen. Dadurch nimmt man sich aus der Angst heraus.
Was tun, wenn einem sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fällt und man den Eindruck hat: Ich halte das nicht mehr aus?
Wichtig ist, dass man sich vor Augen führt, dass man immer noch der Freiheit mächtig ist. Wir können immer noch tun, was wir wollen – bloss eingeschränkt. Wir können kochen, putzen, endlich all die lästigen Pendenzen abarbeiten, ohne derweilen etwas zu verpassen, kreative Ideen ausarbeiten. Die Liste an Möglichkeiten bleibt unendlich lange.
Darf man sich eine Flasche Wein oder eine Schlaftablette gönnen, wenn man nicht einschlafen kann?
Diese Krise lehrt uns nun eben, uns mit uns selbst zu befassen. Sie konfrontiert uns ungebremst mit den eigenen Ängsten und Sorgen. Diese Probleme nun in Drogen zu ertränken, wäre so, wie wenn man bei der Tankanzeige im Wagen einfach die Glühbirne rausschraubt. Wir sollten eben jetzt genau diese Situation nutzen, um wieder mal den wichtigen Mechanismus der Selbstregulation zu erlernen. Wie kann ich mich wieder glücklich machen, wenn ich mich mal nicht glücklich fühle – fernab von Alkohol oder anderen Drogen.
Würde es helfen, den Medienkonsum einzuschränken, um Distanz zum Thema zu bekommen?
Es gibt tatsächlich einige Medien, die massive Falschmeldungen verbreiten. So hat das Bundesamt für Gesundheit BAG beispielsweise sehr klar kommuniziert, dass es keine Auswertung oder Statistik über die Anzahl Genesenen gibt. Und dennoch liest man in diversen Medien, wie viele infiziert, tot und inzwischen wieder genesen seien.
Was macht Ihnen in solchen Situationen Mut?
Jede Krise stärkt den Zusammenhalt. Allein die Tatsache mitzuerleben, wie der Staat seine tatkräftige Unterstützung ausspricht, ist eine mutmachende, positive Prägung. Dieser nationale Zusammenhalt wird in unserem Unterbewusstsein haften bleiben.
Yves Schott