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«Die Restaurants sind auf jeden Gast angewiesen»

leere tische gehen schnell ins geld

No-Shows werden in Berner Beizen zu einem ernsthaften Problem. Gastro-Präsident Beat F. Hostettler erklärt, wieso Phantomgäste den lokalen Betrieben gerade momentan stark zusetzen.

Beat F. Hostettler, hat Berns Gastronomie ein Problem mit No-Shows?
Mit Leuten, die nicht erscheinen, kämpft wohl fast jeder Gastronom. Manchmal handelt es sich schlicht um Missverständnisse. Weil sich der Gast im Datum irrt oder die Reservation schlicht vergisst.

Tatsache ist aber, dass die Zahl jener, die einen Tisch buchen und dann nicht auftauchen, in letzter Zeit deutlich zugenommen hat.
Absolut, und diese Zunahme ist auch spürbar.

Worauf führen Sie die Entwicklung zurück?
Man setzt die Prioritäten anders, die Gesellschaft ist schnelllebiger geworden. Nur sind die Restaurants gerade jetzt, nach der Corona-Krise, auf jeden einzelnen Gast angewiesen und können es sich kaum leisten,
Tische freizuhalten, die dann unbesetzt bleiben.

Fehlt es an Respekt, namentlich gegenüber dem Personal?
Der Punkt ist: Ein solches Verhalten ist unfair. Gegenüber dem Personal, natürlich, gegenüber dem Wirt. Und auch gegenüber anderen Gästen, die gerne im betreffenden Lokal essen möchten, jedoch abgewiesen werden müssen. Den meisten ist wohl nicht bewusst, welche Konsequenzen ihr Tun hat.

Die Möglichkeit, online anonym eine Reservierung zu tätigen, ohne selbst anrufen zu müssen, hat den Trend möglicherweise ebenfalls befeuert.
Grundsätzlich ist diese Option ja sehr praktisch: Man kann am Computer im Büro oder am Handy im Zug kurz mal eben einen Tisch reservieren. Bloss: Egal wie die Buchung vorgenommen wurde – ein Nichterscheinen ist so oder so unhöflich.

Macht Sie dieses Verhalten eher traurig oder hässig?
Beides. Passiert mir das, nehme ich es persönlich. Vor allem, wenn ich faule Ausreden zu hören kriege oder schlicht brandschwarz gelogen wird.

Nennen Sie uns ein Beispiel.
Manche sagen, sie hätten doch angerufen und storniert. Am anderen Ende der Leitung sei ein Mann gewesen. Dabei stand zu jenem Zeitpunkt eine Frau im Einsatz.

Ihr Amtskollege Philippe Roschy, Gastropräsident der Stadt Freiburg, sprach bei den «Freiburger Nachrichten» in Zusammenhang mit No-Shows von einer regelrechten Plage.
Plage ist ein wenig hart ausgedrückt. Aber es handelt sich definitiv um ein unangenehmes Phänomen.

Eines, das laut einer Studie des Buchungsportals Lunchgate in Städten häufiger auftritt als auf dem Land. Sind Städter unzuverlässiger, arroganter gar?
Die Stadt ist anonymer. Es geht wohl kaum jemand, der in der Stadt wohnt, kurz mal in Guggisberg Zmittag essen. Auf dem Land wiederum kennt man sich, es läuft familiärer, persönlicher ab. Ich möchte allerdings betonen, dass das Phänomen auch in weniger urbanen Zentren existiert.

Die Studie zeigt ausserdem, dass Personen mit ausländischen Telefonnummern öfter mit Abwesenheit glänzen als jene mit inländischer Vorwahl.
Das kann ich so nicht bestätigen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Touristen das Restaurant verwechselt oder schlicht nicht gefunden haben.

Wie viel Geld geht Berner Beizen durch Phantomgäste durch die Lappen? National ist von Millionenbeträgen die Rede.
Exakt beziffern kann ich den Betrag für Bern nicht. Doch ein Verlust ist logischerweise da. Der Umsatz des Tisches, der unbesetzt bleibt, fehlt in der Kasse.

Erwägen Sie nun Konsequenzen?
Die uns angeschlossenen Betriebe notieren unterdessen meist Name und Telefonnummern der jeweiligen Personen, wobei die Rufnummer ja auf dem Display ersichtlich ist und überprüft werden kann. Das passiert indes schon eine ganze Weile. Grössere Lokale fragen zudem nach den Kreditkartenangaben. Des Weiteren soll, wenn der Tisch nach einer Viertelstunde noch leer ist, sofort nachgefragt werden, um zu klären, was los ist. Das Personal reagiert also schneller.

Können sich Vorauszahlungen nicht sogar kontraproduktiv auswirken?
Vielleicht, ja. Wer hingegen definitiv weiss, dass er oder sie kommt, wird sich von einer solchen Regelung kaum vom Restaurantbesuch abhalten lassen.

Manche Lokale, zum Beispiel in Zürich, nehmen teilweise gar keine Reservationen mehr an.
Das ist eine mögliche Option. Am Ende des Tages muss jeder Gastronom, jede Gastronomin selbst wissen, welche Massnahmen er oder sie für angebracht hält.

Gastro Stadt Bern und Umgebung wird für seine Mitglieder allerdings keine Empfehlungen herausgeben oder ab einem bestimmten Datum konkrete Weisungen einführen, die für alle gelten?
Nein, das muss jedes Unternehmen selber entscheiden. Wir genauso wie der kantonale Verband stehen gerne in beratender Funktion zur Verfügung – damit hat es sich. Schlicht deshalb, da die einzelnen Betriebe unterschiedlich funktionieren: Ein No-Show hat für einen grossen Betrieb wahrscheinlich weniger gravierende finanzielle Konsequenzen als für ein kleineres Restaurant mit seiner überschaubaren Anzahl an Tischen.

Zusammenfassend gesagt: Ihr Appell richtet sich einerseits an die Restaurants, auf die No-Shows angemessen zu reagieren. Andererseits an die Gäste, den Beizen nicht einfach die kalte Schulter zu zeigen.
Absolut. Man kann immer miteinander reden, alle haben ein Telefon. Wenn Sie Gäste zu sich nach Hause einladen und diese erscheinen und melden sich nicht – daran hat niemand Freude, das ist ein Affront. Anstand gilt aber auch umgekehrt: Vielleicht benötigt ein Gastronom wegen einer grösseren Gruppe mal einen bestimmten Tisch, muss den Gast umplatzieren und fragt ihn zuvor, ob das in Ordnung ist. Alles läuft über Kommunikation und Wertschätzung.

Yves Schott

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