Man hört sie, bevor man sie sieht: die Schweizerische Rettungsflugwacht mit ihren Helikoptern. 14 Basen gibt es in der Schweiz, eine davon am Bern Airport. Was die Luftretter:innen dort machen, wenn sie keine Leben retten, zeigt ein Augenschein vor Ort.
Es ist kurz vor acht Uhr morgens. An einem Küchentisch sitzen drei Männer in roter Einsatzkleidung und unterhalten sich über ihr Abendessen: Soll es Spagetti mit Pesto geben oder lieber Raclette? Einer von ihnen hat noch Flammkuchen, der muss auch weg. Was nach einem gemütlichen Beisammensein von WG-Kollegen aussieht, ist in Wahrheit Teil des Morgenbriefings auf der Rega-Basis auf dem Bern Airport. Pilot Jonathan Fiol, Notarzt Alexander Fuchs und Rettungssanitäter Boris Diserens beginnen zusammen ihre neue 48- Stunden-Schicht. Die drei sind Teil des 17-köpfigen Teams, das auf der Rega-Basis Bern seinen Dienst verrichtet. Dort ist während 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche immer ein Dreier-Team stationiert – mal in einer 24-Stunden- oder Zwei-Tages-Schicht.
Beim Briefing sprechen sie nicht nur über das Essen, sondern über die aktuelle Wetterlage, Schneefallgrenzen, Bewölkung, den Zustand des Helikopters und tagesaktuelle Aufgaben auf der Basis. «Das ist wie eine Wohngemeinschaft auf Zeit», erklärt Simon Luginbühl, Pilot und Basisleiter. Er hat seine 48-Stunden-Schicht hinter sich, alle wichtigen Informationen aus seinem Dienst bereits an Fiol weitergegeben und freut sich auf den Feierabend. «Da wir hier auf der Basis einen 24-Stunden-Betrieb haben, leben und arbeiten die Crews zusammen.»
Es gibt einen Gemeinschaftsraum mit Ruhesessel und Küche, Büros, Badezimmer mit Dusche und natürlich Schlafräume. «Entsprechend fallen hier normale Haushaltsaufgaben an», sagt Luginbühl. Zu diesen gehören das Rausbringen des Mülls, Waschen, Kochen, den Kühlschrank putzen und so weiter. Alles wie in einer richtigen WG also? Nicht ganz, denn in welcher WG steht schon im Hangar nebenan ein grosser roter Rettungshelikopter? Eine Tür führt aus der Küche direkt in die Halle.
Regelmässige Materialkontrolle
Der H145 von Airbus ist das neuste Stück Technik in Sachen Rettungshelikopter und neben einer Crew aus Spezialisten das Herzstück der Basis. Auch an ihm gibt es täglich einige Aufgaben zu erledigen. So muss zum Beispiel die Einsatzfähigkeit der Winde gecheckt werden. Mit ihr sind unter anderem Rettungen in schwer zugänglichem Gelände möglich. Zudem wird das medizinische Material wie Medikamente kontrolliert und gegebenenfalls wieder nachgefüllt. Alles soll parat sein, falls der Alarm von der Rega-Einsatzzentrale kommt. Innerhalb von fünf Minuten ist der Helikopter dann in der Luft. «Meistens schon in drei», schmunzelt der Basisleiter. Heute gibt es eine kleine Besonderheit: der Helikopter wird gewaschen. Mit Lappen und Schlauch machen sich die drei Crewmitglieder daran, Russ und Staub der bei den vergangenen Einsätzen haften geblieben ist, vom Gefährt abzuwaschen. Ein bisschen eitel sind auch Rettungsflieger, wenn es um ihr Fluggerät geht.
«Wir versuchen die Routineaufgaben auf den Morgen zu legen», sagt der Basisleiter. «Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Einsatzhäufigkeit ab dem Mittag zunimmt.» Also volle Action ab 12 Uhr? «Nein. Es gibt Fernsehdokumentationen, in denen man nur Action sieht. Das ist aber nicht der Fall. Wir nutzen die restliche Zeit des Tages, um uns rettungstechnisch und medizinisch weiterzubilden. Langweilig wird es nie.» Vielmehr ginge es darum, dass sich die Crews ihre Arbeiten auf der Basis so einteilen, dass sie nicht zu müde werden und so bei jedem Einsatz die volle Leistung abrufen können. «Pausen und Momente zum Relaxen sind dabei wichtig», sagt Luginbühl.
Seit 47 Jahren in Bern
Die Rega ist eine private unabhängige Gönnerstiftung. Ihr Ziel ist es, rund um die Uhr schnelle und fachkundige medizinische Hilfe aus der Luft zu leisten. Insbesondere in schwerwiegenden Notsituationen. «Wir hatten im vergangenen Jahr das 70-jährige Jubiläum. Die Basis in Bern gibt es seit 47 Jahren», führt Luginbühl aus. «Unsere Leistungen haben wir während der vergangenen Jahrzehnte stetig ausgebaut und an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst.» So gehören zu den Aufgaben der Crews auf den 14 Rega-Basen, die über die ganze Schweiz verteilt sind, Primäreinsätze (Einsätze am Unfallort) sowie Sekundäreinsätze (Verlegungsflüge von Spital zu Spital). «Vergangenes Jahr sind wir auf der Rega-Basis Bern rund 1300 Einsätze geflogen, davon knapp 400 in der Nacht.» Das Einsatzgebiet erstreckt sich in der Regel im Zirkelschlag um Bern von Luzern nach Moutier und Delémont sowie Neuenburg und das Berner Oberland. «In 15 Flugminuten können wir diese Orte erreichen.» Die Gönner:innen sind für die Rega und ihre Mitarbeitenden sehr wichtig. «Ohne den Rückhalt in der Bevölkerung und die Unterstützung der Gönner:innen, könnten wir unseren Auftrag nicht ausführen», zeigt sich Luginbühl dankbar.
Der grösste Teil an Einsätzen sind Krankheiten. Darunter fallen zum Beispiel Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Auch Hirnblutungen und Aneurysmen kommen vor. Einen weiterer grosser Teil bilden laut Luginbühl die Unfälle – Arbeits-, Freizeit- oder Verkehrsunfall. «Im Vergleich zu einer Gebirgsbasis haben wir ganzjährig ein breites Spektrum an Einsätzen. Dort sind es im Sommer meist Wander- und Kletter-, im Winter Wintersportunfälle.» Während der Wintermonate wird die Rega aus Bern übrigens öfter ins Berner Oberland gerufen. Dort kommt es manchmal vor, dass die Helikopter der Basen in Wilderswil und Zweisimmen bereits im Einsatz sind. «Dann bietet uns die Rega-Einsatzzentrale auf und wir übernehmen den Einsatz.» Auffallend ist für den 48-Järhigen, dass die Einsätze von der Häufigkeit über das Jahr sehr gleichmässig verteilt sind: «Pro Monat sind es rund 100.» Bei der Verteilung über den Tag sieht es allerdings anders aus. «Es gibt Tage, da haben wir keinen Einsatz und dann wieder welche mit neun.» Bisher ist der Morgen ruhig. Der Basisleiter verabschiedet sich in seine freien Tage und die Crew steht weiter bereit, um im Ernstfall aus der Luft Leben zu retten.
Dennis Rhiel
Simon Luginbühl (48) arbeitet seit 2007 bei der Rega und ist seit 2017 Leiter der Rega-Basis Bern. Der Helikopterpilot lernte das Fliegen während seines Dienstes bei der Luftwaffe. Als Leiter der Rega-Basis kümmert sich darum, dass der 24/7-Betrieb der Basis funktioniert. Luginbühl ist verheiratet und
Vater zweier Kinder.