Das Massnahmenpaket für Medien spaltet die Gemüter. Auch die beiden Nationalräte Matthias Aebischer (SP) und Christian Wasserfallen (FDP) liefern sich ein hitziges Duell.
Matthias Aebischer, in der Region Bern existieren zig Printprodukte wie die «Bantiger Post», die «Gantrisch Zeitung» oder die «Könizer Zeitung». Bei einem Ja am 13. Februar gehen diese Titel leer aus, weil es sich um nicht-abonnierte Produkte handelt.
Matthias Aebischer: Nun, die Postzustellung wird seit rund 170 Jahren finanziert, und die war seit jeher für die abonnierten Zeitungen vorgesehen. Wir haben in der Kommission über diesen Punkt diskutiert und überlegt, ob Gratiszeitungen wie der Bärnerbär oder Onlineportale wie nau.ch ebenfalls finanziell unterstützt werden müssten. Man kam zum Schluss, beim Status quo zu bleiben. Die Abstimmungsvorlage ist ein gutschweizerischer Kompromiss.
Wer bis jetzt kein Geld erhalten hat, sitzt auch in Zukunft auf dem Trockenen. Dafür wird ganz vielen anderen geholfen. Klingt nach einer fairen Lösung. Christian Wasserfallen: Im Gegenteil: Es ist eine totale Fehlkonstruktion! In eine abnehmende Anzahl gedruckter Zeitungen soll massiv mehr Geld reingepumpt werden. Online geschieht ein gefährlicher Paradigmenwechsel: Bei der Postzustellung handelt es sich um eine indirekte Förderung, im Bereich digital um eine Direktsubventionierung von Medien. Das ist brandgefährlich. Ein Onlinemedium kann künftig bis zu 60 Rappen pro erzielten Franken Umsatz an Steuergeldern einstreichen. Das Parlament will also nicht-überlebensfähige Onlinemedien heranzüchten. Da stehen mir die Haare zu Berge! Aebischer: In anderen Ländern bestimmen «unabhängige» Gremien, welche Presseerzeugnisse in den Genuss von staatlichen Zuschüssen kommen. Das lehnen wir definitiv ab. Deshalb die Abo-Klausel: Die Leute sollen entscheiden, wofür sie zu bezahlen bereit sind und wofür nicht. Es handelt sich übrigens auch hier um eine indirekte Förderung: Niemand schreibt diesen Produkten vor, was sie schreiben müssen, selbst die «Weltwoche» oder ein «Nebelspalter» könnten profitieren. Wasserfallen: Die 60 Rappen pro Franken Umsatz, die ich vorhin erwähnt habe, bedeuten, dass ich als Medium Auflagen erfüllen muss. Diese sind sogar im Gesetz festgehalten: redaktionelle Sorgfalt,… Aebischer (unterbricht): Die wichtigste Auflage ist die regionale Berichterstattung! Wasserfallen: Richtig. Die Unterstützung hängt aber von der Sprachregion ab, das macht überhaupt keinen Sinn: Es spielt doch keine Rolle, in welchem Gebiet man publiziert. Aebischer: Nochmals: Das Medienpaket wurde geschnürt, damit die Kleinen prozentual mehr erhalten als die Grossen. Wenn jemand für die drei italienischsprachigen Täler in Graubünden eine Zeitung herausbringen will, ist das wirtschaftliche Potenzial ungleich geringer als in der Stadt Zürich. Wasserfallen: Es existieren auch im Berner Oberland abgelegene Täler mit wenig Zielpublikum. Und diese Firma kriegt weniger, nur weil sie auf Deutsch berichtet statt auf Italienisch. Das ist der Punkt: Es gibt nichts Unfaireres als die Verteilung von Subventionen.
Die Kosten von kleineren Verlagen entstehen bei der lokalen Berichterstattung. Konkret: Der Bericht über einen Bundesrats-Beschluss ist massiv günstiger als der Artikel über die Neueröffnung eines Restaurants am Wohlensee, weil diese von den grossen Agenturen fast nie abgedeckt wird.
Aebischer: Sie vermischen zwei Dinge: Der Bärnerbär profitiert deshalb nicht vom Massnahmenpaket, weil er eine Gratiszeitung ist. Kleinere, abonnierte Titel hingegen werden hingegen überdurchschnittlich viel profitieren, gerade bei der Postzustellung. Wasserfallen: Das Problem ist: Die vier grossen Medienkonzerne erhalten den Löwenanteil dieser Gelder, allein durch die quantitative Menge, die sie produzieren.
70 Prozent der Subventionen fliessen laut dem Gegnerkomitee an die TX Group, Ringier und Co.
Aebischer: Diese Zahl ist schlicht falsch!
Wie viel ist es dann?
Aebischer: Es wird, so schätze ich, genau das Gegenteil der Fall sein: 70 Prozent der Subventionen fliessen an die kleinen Verlage. Vielleicht ist das Verhältnis am Schluss dann 65 zu 35. Auf den Franken genau kann man das zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Sie verbreiten falsche Zahlen, Herr Wasserfallen!
Wasserfallen: 70 Prozent für die Kleinen? Unter Einbezug der Onlineförderung und der Gelder für Radio und TV ist das schlicht unmöglich. Die TX Group, Ringier, die NZZ und CH Media sind hochprofitable Konzerne. Sie haben in den letzten Jahren jeweils Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe geschrieben. Die TX Group will sich trotz Pandemie Dividenden ausschütten lassen und jetzt kommt Matthias Aebischer und möchte diesen Mediengruppen sogar noch mehr Geld geben.
Themawechsel: Ist es nicht diskriminierend, ausgerechnet jene Gratismedien zu übergehen, auf die viele Menschen mit wenig Budget angewiesen sind, weil sie sich kein Abonnement für mehrere hundert Franken pro Jahr leisten können?
Aebischer: Jeder Verlag kann sich überlegen, ob er voll auf Werbung setzen oder es sein lassen will. Manche Titel existieren ausschliesslich deswegen. In urbanen Gebieten eine Gratiszeitung auf die Beine zu stellen, ist kein Ding der Unmöglichkeit, denn dort existiert eine potente Wirtschaft. Und der Bärnerbär hat sich nun mal entschieden, von Werbung zu leben. Wasserfallen: Entscheidend ist, dass im Bereich online eine Umsatzbeteiligung von Abonnentinnen und Abonnenten bedingt wird, ein Gratismedium hingegen schaut in die Röhre. Bloss können im Lokaljournalismus bezahlte Titel oft gar nicht funktionieren, weil schlicht zu wenig Einwohner da sind, die ein solches System finanzieren würden. Also setzt man statt auf Abos auf Werbung, Publireportagen und Gegengeschäfte. Das Onlinemodell ist daher doppelt falsch: Weil es auf Direktsubventionen setzt und dann gleich noch das Geschäftsmodell vorgibt. Deswegen sage ich Nein – lieber kein Medienpaket als so eines. Aebischer: Das Paket ist darum so wichtig, weil seit dem Jahr 2000 in der Schweiz 70 Titel verschwunden sind. Diese Liste ist übrigens auf der Website des Bakom einsehbar. Wasserfallen: Ich staune etwas über diese eingeschränkte Sichtweise. Ich habe mir diese Liste ebenfalls angeschaut: Dort ist jeder noch so kleine verschwundene Anzeiger aufgeführt. Rund 25 Titel existieren heute allerdings in einer anderen Form weiter: integriert, online et cetera. Die Liste der Neugründungen hingegen fehlt, dabei wurden in dieser Zeitspanne zwischen 50 und 100 neue Medien ins Leben gerufen. Von weniger Vielfalt kann keine Rede sein!
Yves Schott