Am Wochenende lädt der bekannte Berner Hypnosetherapie-Experte Gabriel Palacios zum Angstfrei Kongress im Kursaal Bern. Mit dabei sind internationale Koryphäen wie der «Höhle der Löwen»-Investor Jochen Schweizer. Wie offen ist die Gesellschaft für solche Themen?
Gabriel Palacios, 2019 waren Sie Gastgeber des ersten Angstfrei Kongresses. Angst wurde im darauffolgenden Jahr in Anbetracht der Covid-19-Pandemie ein hochsensibles Thema. Es scheint fast, als hätten sie den Nerv der Zeit getroffen. Hatten Sie eine Vorahnung?
Nein, auch ich habe 2019 nicht damit gerechnet, dass die Welt in den darauffolgenden Jahren kopfstehen würde. Der Angstfrei Kongress ist aus einem ganz anderen Bedürfnis entstanden: Ich wollte Therapeutinnen und Therapeuten vorerst einen Fachkongress bieten. Dann jedoch wollte auch das Publikum am Kongress teilnehmen, weshalb wir den einstig geplanten Fachkongress zum Publikumskongress erkoren haben.
Am Kongress halten mitunter international bekannte Persönlichkeiten einen Vortrag ab. Wie kommt man an solche Namen heran?
Ganz einfach: Indem wir sie anfragen. Die Referentinnen und Referenten schauen sich unsere Rückblick-Videos und das Feedback der Teilnehmenden an und entscheiden danach. Man muss aber auch hervorheben, dass wir die Referentinnen und Referenten jeweils transparent nach deren Honorar fragen und uns danach richten.
In den letzten Jahren war auch die psychiatrische Privatklinik Wyss Sponsor des Kongresses. Muss man also davon ausgehen, dass vorwiegend Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Störungsbildern am Kongress teilnehmen?
Am Kongress nehmen wirklich unterschiedliche Menschen teil. So auch Menschen aus allen erdenklichen Gesellschaftsschichten, Altersstufen sowie auch alle Geschlechter. Natürlich kann der Kongress Leuten mit psychischen Problemen nützlich sein. Vor Ort ist deshalb auch jeweils Sanitätspersonal, für den Fall, dass jemand medizinische Betreuung bräuchte.
Wie sieht denn die oder der Durchschnittsbesucher:in aus?
Beispielsweise könnte eine Besucherin diejenige sein, welche beruflich das Gefühl hat, nie richtig durchgestartet zu sein, vielleicht auch, weil sie eine private Angst blockiert. Oder der Durchschnittsbesucher könnte derjenige sein, der in privaten Beziehungen immer wieder unter der Angst leidet, nicht zu genügen oder verlassen zu werden.
Kann man erwarten, dass man nach diesen zwei Tagen komplett angstfrei sein wird?
Nein, komplett angstfrei zu werden, ist nicht möglich und wohl auch nicht gesund. Die Angst kann nämlich auch ein nützlicher Schutzmechanismus sein. Jedoch kann es doch allen guttun, die Angst in bestimmten Situationen zu bewältigen. Und dazu sollen die Vorträge der Referentinnen und Referenten unterstützend sein. Manchmal tut es einfach auch schon nur gut zu hören, dass es anderen Menschen, so mitunter auch prominenten Referentinnen und Referenten, ähnlich erging.
Das günstigste Ticket liegt preislich bei 169 Franken für einen Tag. Ist dieser Kongress also nur etwas für Gutbetuchte?
Das Ticket kostet jetzt, wenige Tage vor dem Kongress, 169 Franken, wenn man ihn nur einen Tag besucht. Jedoch haben wir allen Teilnehmenden des letzten Kongresses die Möglichkeit gegeben, den Zweitagespass für 169 Franken zu buchen. Das wären knapp 14 Franken pro Vortrag. Und sehr lange konnte man sich dann den Zweitagespass für 199 Franken sichern. Dies wären immer noch nur knapp 16 Franken pro Vortrag. Wir belohnen also die Besucher, die uns in einer so frühen Phase unterstützen. Damit gehen wir auch etwas das Risiko ein, dass wir die hohen Kosten des Kongresses nicht wieder einspielen können. Teilweise sind die Zugtickets nach Bern und zurück teurer als das Kongressticket.
Eine indiskrete Frage: Welcher Referent war bisher am teuersten?
Darüber können wir keine Auskunft geben. Doch ich kann sagen, dass uns der bisher teuerste Referent rund 15 000 Franken kostete. Der Vortrag war aber auch echt genial! Alleine um dieses Honorar wieder einzuspielen, mussten aber demnach wieder 50 bis 70 Tickets gekauft werden.
Was ist aus Ihrer Beurteilung am Kongress so besonders?
Ich weiss, es tönt speziell, wenn ich das sage, aber es ist die Energie vor Ort. Die Leute sind alle von den Vorträgen so tief berührt. Teilweise konnte ich mich kaum fünf Meter weit durch das Foyer bewegen, ohne dass jemand zu mir kam und mir tiefe Dankbarkeit dafür ausgedrückt hat, dass wir diesen Kongress organisieren. Am meisten haben mich die Standing Ovations berührt, und dass über 81 Prozent aller Besucherinnen und Besucher gleich wieder für das darauffolgende Jahr gebucht haben – ohne zu wissen, wer da auftreten würde.
Sind zwei Tage am Stück nicht etwas zu viel?
Kongress heisst ja wortwörtlich «gemeinsam fortschreiten». Und zwei Tage scheinen mir dafür ideal zu sein. Nach diesen beiden Tagen hat man genügend Inputs, die man dann sogleich versuchen kann umzusetzen. Ausserdem bietet der Kursaal im Foyer Essensstände mit sehr fairen und leckeren Angeboten an, für die Stärkung zwischendurch. Letztendlich kostet es auch etwas Energie, die Kraft der Angst hier und da in die Kraft des Mutes umzulenken.
zvg/ys