Sie wollen gehört werden: Mit frechen Aktionen, Fakten zur Benachteiligung von Müttern und jeder Menge Veränderungswillen kämpft die EKdM, die Eidgenössische Kommission dini Mueter, für mehr Gleichstellung.
Dini Mueter isch hässig! Und zwar nicht, weil du mal wieder dein Zimmer nicht aufgeräumt oder den Müll nicht rausgebracht hast. Nein, sie ist mit der vielzitierten Gesamtsituation unzufrieden. Frauen verdienen auch immer noch deutlich weniger als Männer, leisten als Mütter im Schnitt 23 Stunden mehr Care-Arbeit in der Familie als der Partner, stehen bei AHV, privater Vorsorge und Krankenkassenprämien schlechter da. In der Familienfreundlichkeit belegt die Schweiz in einer Unicef-Studie von 31 Ländern den letzten Platz.
Sara Rossi ist bis heute entsetzt über diese Zahlen. In ihren Augen gibt es so einiges, was sich zugunsten der Entlastung von Müttern ändern müsste: bezahlbare und subventionierte Kinderbetreuung, in der die Mitarbeitenden auch genug Zeit haben; Altersvorsorge auch mit niedrigen Arbeitspensen, mehr Anerkennung und Geld für Kindererziehung und Hausarbeit, eine Senkung der Wochenarbeitszeit.
Kinderwagendemo mit 5000 Frauen
Die junge Mutter weiss, wovon sie spricht. 16 Jahre arbeitete sie als Pädagogin in einer Tagesschule. Seit rund zwei Jahren engagiert sie sich in der Eidgenössischen Kommission dini Mueter EKdM. Die Interessengruppe mit dem frechen Namen und mutigen Zielen entstand 2019 im Zuge des nationalen Frauenstreiks. «Zu einer Kinderwagen-Demo kamen damals völlig unerwartet fast 5000 Frauen», erinnert sich Rossi, die froh ist, dass die Gruppe Fachwissen aufbereitet und Problemfelder beackert – mit gewaltlosem und kreativem Widerstand. «Mütter werden in der Gleichstellungspolitik oft übersehen.»
Mit Kampagnen, provokanten Aktionen und offenen Briefen zieht die Gruppe, die sich aus rund 120 Aktiven zusammensetzt, Aufmerksamkeit auf sich. So auch mit den neuen T-Shirts mit der Aufschrift «Dini Mueter isch hässig». Hinter dieser Kooperation mit dem Label Hässig steckt auch Rossi. «Gründer Nassim Khlaifi war eines meiner ersten Tagi-Kinder. Irgendwann fiel mir auf: Hässig und EKdM, das passt super zusammen. Er war von der Idee sofort begeistert und wir konnten Hella Studios für das Design gewinnen.» Die Erstauflage war innert zwei Stunden online ausverkauft. «Da haben wir wohl einen Nerv getroffen.» Mit den plakativen Shirts werden die Mitglieder der EKdM auch am 14. Juni beim Frauenstreik durch die Berner Gassen ziehen.
Und sich vielleicht zwischendurch einen Kaffee gönnen. Denn mit der Berner Rösterei Adrianos hat die Kommission eine Kaffeesorte kreiert: Pro verkauftem Sack «Dini Mueter bruucht es Kafi» gehen fünf Franken zugunsten der Arbeit für Mütterrechte.
Mit der Aktion will die Gruppe auf die hohe Belastung von Müttern zwischen Familienarbeit, Selfcare und Erwerbstätigkeit aufmerksam machen. «Du bist doch selbst schuld, dass du erschöpft bist. Du mutest dir zu viel zu, nun wo du kleine Kinder hast. Warum noch eine Weiterbildung, sei doch jetzt erstmal zufrieden.» Solche Kommentare hat sich Rossi, die sich selbst als Macherin bezeichnet, nicht nur einmal anhören müssen. Die gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass Mütter zurückstecken sollen, sei immer noch tief in der Schweiz verwurzelt. Nach der Geburt ihres ersten Sohns kam sie mit anderen Müttern auf Berns Spielplätzen ins Gespräch. Allen ging es ähnlich. Rossi las Bücher wie «Schluss mit gratis!» oder «Müde Mütter, fitte Väter» und merkte, dass nicht nur sie sich erschöpft fühlte. «Mütter sollen erwerbstätig bleiben, Karriere machen, sich selbstverwirklichen. Das ist ohne Unterstützung nicht zu schaffen. Ein permanenter Stress.»
Das Problem werde nur verlagert. Damit die eine arbeiten gehen kann, müssen andere Frauen in schlecht bezahlten Betreuungsjobs am Limit arbeiten. Für Rossi ein Fehler im System, das nicht auf Gemeinschaft, sondern Individualismus setzt. «Kinderbetreuung ist Privatsache, da soll jede Familie auf sich alleine schauen. Die Angst, umzudenken und Finanzmittel anders zu verteilen, ist gross.» Alleinerziehende, Migrantinnen und weniger Privilegierte haben oft das Nachsehen. Deshalb spricht Rossi die Idee einer aufteilbaren Elternzeit an, die viel Druck aus der Kleinkindphase rausnehmen würde.
«Es bewegt sich was»
Ob diese Ziele zu erreichen sind? Rossi ist optimistisch: «Es kommen immer mehr Frauen in Schlüsselpositionen, andere Familienmodelle werden gelebt. Es bewegt sich was, aber mega langsam.»
Auch innerhalb der EKdM spürt sie, dass die Frauen durch neue Impulse und Expertise in ihrem Selbstbewusstsein wachsen. Sie wünscht sich, dass das ewige Streben nach mehr Geld und Prestige einem solidarischeren Denken weichen, in dem Care-Arbeit wertgeschätzt wird. Bis dahin geht der Kampf weiter: «In der Schweiz gibt es noch viel zu tun!»
Michèle Graf