Mit seinem Newsletter macht Tom Berger viele in seiner Partei richtig hässig. Der Berner FDP-Co-Fraktionschef wirbt dort zwar für die eigenen Leute – aber noch viel mehr für die Konkurrenz.
Es ist nicht so, dass die FDP derzeit gerade politische Höhenflüge erlebt. In den nationalen Umfragen liegt sie nur noch hauchdünn vor der Mitte (die Fusion aus CVP und BDP). Vom erklärten Ziel, die SP bei den Wahlen am 22. Oktober als zweitstärkste Kraft abzulösen, ist sie mittlerweile so weit entfernt wie der FC Basel vom Schweizermeister-Titel.
In der Stadt Bern sorgt nun eine E-Mail mit brisantem Inhalt für zusätzlichen Ärger. Der Absender: Tom Berger. Worum gehts? Der städtische FDP-Co-Fraktionschef betreibt einen Newsletter. «Tom navigiert dich durch die Politik», heisst er und versorgt dessen Abonnenten mit News zum aktuellen Geschehen in Bern.
Wasserfallen fehlt auf der Liste
In der letzten Newsletter-Ausgabe schreibt Berger unter dem Betreff «Eidg. Wahlen»: «Wenig überraschend empfehle ich dir, die Liste 24 FDP. Die Liberalen Kanton Bern zu wählen.» So weit, so logisch. Berger zählt daraufhin sechs Parteimitglieder auf. Was auffällt: Das prominenteste Gesicht der Berner Freisinnigen, Nationalrat Christian Wasserfallen, fehlt! Auch die städtische Vizepräsidentin und Fraktionskollegin Simone Richner wird nicht erwähnt, genauso wie Parteileitungskollege Raphaël Karlen. Als würde die «Nichtnomination» dieser drei Personen nicht schon genug Zündstoff-Potenzial bergen, folgt etwas weiter unten im Newsletter gleich der nächste Paukenschlag: Berger, designierter neuer Leiter des Berner Polit-Forums, listet total zwölf Politikerinnen und Politiker auf, die er «vorbehaltlos» zur Wahl empfehlen könne. Darunter zwei Grüne, einen SP-Mann, sieben (!) GLP-Kandidierende und zwei Personen, die für Die Mitte antreten.
Mit anderen Worten: Berger «vergisst» mindestens drei seiner eigenen Stadtberner FDP-Leute, gleichzeitig listet er doppelt so viele Politiker auf, die in direkter Konkurrenz (Mitte und GLP) zu seiner eigenen Partei stehen.
Die Mail jedenfalls sorgte in der städtischen FDP für mächtig Zunder. Öffentlich will sich zwar niemand zu der Sache äussern, hinter vorgehaltener Hand lassen aber gleich mehrere Exponenten mächtig Dampf ab. So sagt etwa ein langjähriges Parteimitglied dem BärnerBär: «Diese Wahlempfehlungen sind eines Co-Fraktionschefs nicht würdig. Rolle und Funktion von Tom Berger in der Stadtberner FDP sind zu hinterfragen.» Und weiter: «Die Wahlempfehlungen entfachen die Flügelkämpfe innerhalb des Berner Freisinns erneut. Das ist ein grosser Rückschritt, nachdem sich die Partei in den letzten Jahren zusammengerauft hatte.»
«Man spürt Bergers Frustration»
Was die Person, deren Name der Redaktion bekannt ist, damit meint: Nach dem Wahldebakel 2020, als die FDP zwei Stadtratssitze verlor und Spitzenkandidat Bernhard Eicher den Einzug in die Stadtregierung deutlich verpasste, gab sich die Partei ein komplett neues Gesicht und schlug fortan einen linksliberalen Kurs ein. Der damalige Fraktionschef Eicher, ein rechter Wirtschaftsfreisinniger, trat ab – Berger und Vivianne Esseiva, beide eindeutig dem linken FDP-Flügel zuzuordnen, übernahmen gemeinsam die Fraktion. Ob die Neuausrichtung Früchte trägt, zeigt sich in rund einem Jahr bei den Gemeindewahlen im November 2024.
Beim BärnerBär hat sich in Zusammenhang mit Bergers Newsletter noch ein weiteres Parteimitglied gemeldet. Es lässt sich wie folgt zitieren: Die zwölf Namen der Konkurrenz und die Nichtberücksichtigung von Christian Wasserfallen und Simone Richner seien «ein Schlag ins Gesicht aller Freisinniger, die sich mit Herzblut für die Wahlen einsetzen. Man spürt bei Berger die Frustration, weil er nicht für die Wahlen aufgestellt wurde.»
Berger soll also heimtückisch und aus reiner Frustration gehandelt haben? Das sind happige Vorwürfe. Doch was sagt der Protagonist selbst dazu? Er schweigt. Eine schriftliche Anfrage des BärnerBär zu diesem Vorfall liess Tom Berger unbeantwortet.
Das sagt die Parteileitung
Immerhin äussert sich Berns FDP-Co-Präsident René Lenzin, wenn auch nur kurz und knapp, dafür aber äusserst vielsagend. Er schreibt dieser Zeitung: «Wir haben den Newsletter von Tom Berger zur Kenntnis genommen. Allfällige Diskussionen dazu führen wir parteiintern.» Man muss nicht speziell gut zwischen den Zeilen lesen können, um zu verstehen: Die Parteileitung ist über das elektronische Rundschreiben alles andere als amused. Und man wird Tom Berger wohl raschestmöglich zur Rede stellen.
Dieser könnte nun proaktiv informieren und erklären: «Es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht.» Damit wäre der Ausrutscher, wenngleich ein einigermassen unglücklicher, bald aus der Welt geschafft. Die Gemüter würden sich beruhigen, die FDP hat dringendere Aufgaben zu lösen. Doch Berger scheint es vorzuziehen, stillschweigend Gras über die Sache wachsen zu lassen. Dabei weiss jeder Kommunikationsexperte, dass eine solche Taktik Lösungen bloss verzögert, Spekulationen anheizt und die Problematik damit tendenziell eher noch verschlimmert.
Vielleicht nimmt Tom Berger ja in seinem nächsten Newsletter Stellung zur Affäre. Sicher ist bloss: Linke Politikerinnen und Politiker zur Wahl empfehlen wird er dort wahrscheinlich nicht mehr.
Yves Schott/red