11Ä ist keine normale Rapperin. Sie wohnt in einem Stöckli und arbeitet mit der Mistgabel. Die Bernerin über Klischees, Corona und coole Rhymes.
Wieso bist du beim Ghost Festival dabei?
Dieser Anlass ist wie ein kleines Geschenk. Mein Manager Baldy Minder hat sich bei mir gemeldet und ganz einfach gefragt: «Hilfst?» Ich habe das Konzept dann kurz überflogen und es hat sich gut angehört. Klar hilft man da mit. Als Künstlerin muss man ja nicht viel vorbereiten und es schmeichelt einem schon, wenn man für so etwas angefragt wird. Ich finde es einfach megaherzig und eine wunderbare Aktion.
Viele Künstlerinnen und Künstler leiden unter der Corona-Situation. Wie geht es dir damit?
Ich habe das grosse Glück, dass ich nicht von der Musik lebe und auch nicht leben muss. In der Schweiz ist es immer ein harter Kampf, wenn man mit der Musik allein seinen Lebensunterhalt verdient – besonders in der aktuellen Situation. Momentan fehlen mir die Auftritte und das ganze Drumherum. Besonders die Bandproben. Da kann es passieren, dass der Zusammenhalt etwas verloren geht und man sich aus den Augen verliert. Aber finanziell spielt die Krise für mich keine Rolle.
Bist du auch «voll krass» wie deine Rap-Kollegen?
Ich bin ein sehr sanfter Mensch, der aber zwischendurch gerne auf den Putz haut. Mit meiner Musik und meinen Texten kann ich Sachen sagen, die man im normalen Leben nicht über die Lippen bringt. Im Rap kann ich den Teil in mir rauslassen, der sonst eher verborgen bleibt. Das flasht dann schon.
Was an dir ist typisch Rap?
In meinen Songs lege ich viel Wert auf die Technik. Lyric und Rhymes sind sehr wichtig. Der Rhyme ist mir heilig. Ich möchte wirklich coole Verse aufs Papier bringen. Da geht mein Ehrgeiz sogar so weit, dass ich etablierte Rap-Berühmtheiten in der Szene zum Nachdenken bringen will. Die sollen sagen: «Wow, so einen Rhyme musst du erstmal schaffen.»
Inwiefern inspirieren dich deine zwei Kinder musikalisch?
Manchmal ist die Musik meine Pause vom Muttersein. Abends, wenn die beiden schon im Bett sind, setze ich mich an meine Songs. Sie inspirieren mich natürlich sehr. Musik ist für mich die Waage zwischen Liebe und Geborgenheit. Da ist es klar, dass die Menschen aus meinem Umfeld, die mir am nächsten stehen, am meisten inspirieren.
Deine beiden Kinder, so war zu lesen, dürfen «Wichser» sagen. Werden da nicht Grenzen überschritten?
Ich finde es falsch, Kindern generell zu verbieten, gewisse Worte zu sagen. Gerade Schimpfworte. Wichtig ist, ihnen beizubringen, wo sie solche Dinge ausdrücken dürfen und wo nicht. In Songs ist das erlaubt – sonst sind Fluchwörter natürlich auch bei uns tabu. Es hat sich nämlich gezeigt, dass diese Art von Worten dann im Alltag ihren Reiz verliert und für sie dann gar nicht mehr interessant ist.
Du bist Rapperin und wohnst in einem Stöckli. Wie passt denn das zusammen?
Vielleicht gar nicht und vielleicht sogar mega gut. Mein Leben hat sich einfach so in diese Richtung entwickelt. Meine Mutter hat immer Rösser auf dem Hof gehabt. Ich bin immer das Mädchen vom Bauernhof gewesen. Zeitweise habe ich zwar in der Stadt gewohnt, das Landleben aber immer vermisst. Ich finde, das widerspricht sich auch nicht. Ganz ehrlich: Ich bin ja keine Klischee-Rapperin. Ich bin vielmehr jemand ganz Normales, so wie ihr. Der einzige Unterschied ist, dass ich Musik mache. Aber ich fühle mich mit Mistgabel und Latzhose genauso wohl wie mit High Heels und Rock auf der Bühne. Ich bin einfach ich und das strahle ich auch aus.
Deine Songs machen einen positiven, lebensbejahenden Eindruck. Woher rührt das und färbt das auf dein Privatleben ab?
Ich bin älter geworden und habe mich in den vergangenen Jahren verändert. Mit 15 wollte ich noch ganz anders leben, aber lebensbejahende Songs und Texte haben mich schon immer berührt. Das ist halt mein Weg und wie ich Musik empfinde.
Wie nimmst du als Rapperin Frauenhass und Sexismus in der Szene wahr?
Genau über dieses Thema habe ich mir letztens noch Gedanken gemacht. Früher wollte ich immer die richtig coolen Rapper nachahmen, habe mir Baggypants und so weiter angezogen und dachte, ich könnte die Szene damit beeindrucken. Ich wollte so männlich und «bullig» aussehen wie möglich. Dass in den Augen der Rapper Frauen und Mädchen möglichst knapp bekleidet sein müssen, um sexy zu sein, habe ich gar nicht gecheckt. Aber gerade weil ich mich eher wie die Männer in der Szene gekleidet habe, bin ich nicht mit Sexismus konfrontiert und auch nicht als Sexobjekt gesehen worden. Aber um ehrlich zu sein, sehe ich den Kampf gegen Sexismus in der Rap-Szene nicht als meine Aufgabe an.
Hast du noch andere Hobbys ausser der Musik?
Es gibt drei grosse Punkte in meinem Leben. Da ist zum einen der Rosshof. Hier gibt es immer etwas zu tun und es ist immer etwas los. Dann sind da natürlich meine zwei Kinder und der Haushalt. Und als Drittes mache ich Musik. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für weitere Hobbys – das will ich auch gar nicht.
Wie geht es bei dir künstlerisch und privat 2021 weiter?
Ich habe ein paar Songs fertig und arbeite an einem Album, das schon recht weit gediehen ist. Allerdings weiss ich noch nicht, wann es rauskommt. Doch: Es kommt – und da freue ich mich drauf. Privat will ich mit meinem Partner weiter auf dem Ponyhof arbeiten. Zudem betreuen wir hier erwachsene Menschen mit Behinderungen. Da wollen wir weiter Vollgas geben und am Ende einfach so bleiben, wie wir sind.
Dennis Rhiel