Wo sonst eines der grössten Freibäder Europas zum Bädele und Sünnele einlädt, brummen jetzt die Baumaschinen: In Berns Westen geht die Sanierung des Weyerli zügig voran. Ein Rundgang mit Stadtbaumeister Thomas Pfluger.
Kinder mit Sonnenhut und Schwimmreifen planschen glückselig im Nichtschwimmerbereich, Teens raufen sich auf der Badeinsel oder zeigen am Sprungbrett, wie man sich mit einem Bauchklatscher so richtig blamieren kann. Mütter verteilen Apfelschnitze unterm Sonnenschirm, Poser tragen am Beckenrand ihre Muskeln zur Schau, Sportler ziehen diszipliniert ihre Bahnen und Stammgäste mit Hautton Mokkabohne breiten schon am Morgen ihr Tücheli aus. Das Weyerli – ein Mikrokosmos. Doch in Berns Westen müssen sich diesen Sommer alle Wasserratten einen anderen Badeplatz suchen. Denn das legendäre Freibad wird saniert. Das riesige Areal gehört in den nächsten Monaten einzig Männern in Orange und Weiss: den Bauarbeitern. Von der Terrasse des Gebäudekomplexes im Weyermannshaus nimmt heute Stadtbaumeister Thomas Pfluger die Grossbaustelle in Augenschein. Die Hitze steht in der Luft, doch unter seinem Bauhelm scheint er keinen heissen Kopf zu bekommen. «Die Arbeiten laufen sehr gut, wir sind im Zeitplan», sagt er zufrieden. Er deutet Richtung Becken: «Derzeit wird der Rand mit einer speziellen Abdichtung versehen.»
Mehr als nur ein Freibad
Obwohl Pfluger aus dem Kanton Solothurn stammt, hat er die Bedeutung des Berner Kultbades mitbekommen. «Es besteht eine grosse emotionale Verbindung der Bevölkerung mit dieser coolen Badi. Ich habe sie erst als Erwachsener kennenlernen dürfen. Die riesige Fläche ist natürlich toll.» Manch eine hat hier Schwimmen gelernt, ein anderer den Sommer zwischen Sprungturm und Liegewiese verbracht. Das Weyermannshaus wurde 1958 gebaut und 1971 zur heutigen Anlage erweitert. Rund 25000 Kubikmeter Wasser oder umgerechnet zwölf normale 50-Meter-Becken passen in das seeartige Freibad, das in Europa einzigartig ist. Trotz guter Pflege ist es in die Jahre gekommen. Das heutige Bassin wurde mit Grundwasser versorgt, ist aber undicht. Etwa 300 Kubikmeter Badewasser versickerten täglich, weitere 300 Kubikmeter verdunsteten oder wurden durch die Badegäste ausgetragen. Um die Wasserqualität zu gewährleisten, müssen viel Frischwasser und Chlor eingesetzt werden. «Der heutige Zustand entspricht damit nicht den gültigen Gewässerschutz vorschriften. Wir wussten also schon länger, dass wir sanieren müssen», so der Stadtbaumeister. Die Stadt prüfte verschiedene Ideen: Von einer Wasseraufbereitung durch eingesetzte Schilfgebiete bis hin zum natürlichen Weiher. «Doch keine Lösung konnte uns garantieren, dass das Wasser bei grosser Hitze nicht kippen würde», erklärt Pfluger. Die schiere Grösse machte alternative Lösungen sehr kostenintensiv, so dass man zur konventionellen Verfahren zurückkam. Pfluger zeigt drei über 17 Meter lange Löcher im Erdreich rund um das Bassin. «Wir bauen quasi drei unterirdische Hallenbäder», sagt er zum Herzstück der neuen Wasseraufbereitungsanlage. Diese Ausgleichsbecken werden künftig das überlaufende Wasser aus der Badi sammeln. Zu dem Wasser werden dann täglich rund 2250 Kubikmeter Grundwasser beigemischt, das bedarfsabhängig mit Desinfektionsmittel auf Chlorbasis sowie mit Neutralisationsmittel versetzt wurde. Anschliessend kommt es durch 72 Düsen wieder ins Schwimmbecken. «So werden wir viel weniger Grundwasser brauchen», sagt Pfluger. Das gefilterte und neutralisierte Abwasser fliesst zuletzt in den Wohlensee. Und das Beckenwasser kann noch mehr: Im Winter wird es neu für die Kühlung der Eismaschinen der Kunsteisbahn nebenan sorgen.
Die Schwimmbad-Ikone kehrt mit Updates zurück
Die Anschlüsse dafür sind ebenso fertiggestellt wie die Fundamente eines neuen Highlights. Pfluger deutet in den nordöstlichen Bereich: «Dort wird es eine Breitwellenrutsche aus Edelstahl geben, 15 Meter lang, wasserüberströmt.» Ausserdem darf man sich auf einen neuen Kinderbereich und sanierte Garderoben freuen. Der Charakter und die Form des Bades werden aber erhalten bleiben. Und das ist den Stimmbürgerinnen und -bürgern einiges wert: Sie gaben per Abstimmung im September 2020 grünes Licht für einen Baukredit über 48 Millionen Franken. Pfluger rechnet mit zirka 44 Millionen Franken Gesamtkosten. Die Baustelle ist ihm ein wenig ans Herz gewachsen. Selten habe man in der Stadt so viel Freiraum und Platz für Material. Zwischen Bauzäunen und Schutt hindurch sucht er sich den Weg zu seinem Lieblingsplatz in der Mitte. «Es ist sehr beeindruckend, durch das leere Becken zu laufen», sagt er und überblickt die Fläche mit den unzähligen weissen Plättli. Etwas verloren ragt die künstliche Badeinsel derzeit empor. Doch so wüstenweiss bleibt die Badi nicht: Eine moderne Schwimmbadfolie wird das Becken abdichten. «Und die sorgt für eine schöne Wasserfarbe.»
Oase mit Public Viewing gleich nebenan
Wer die lärmenden Bagger und Lastwagen im Weyermannshaus links liegen lässt und am Haupteingang über die Treppe abbiegt, gelangt diesen Sommer ganz unverhofft in eine andere Welt. Ein Teil des Eisfelds bietet neu nämlich einen Sandstrand mit Bar, Public Viewing, Workshops, Kletterwand, Trampolin und Wasserspielen. Oase Weyerli nennt sich dieses Alternativprogramm. Wer dennoch schwimmen will, geniesst im Hallenbad des Weyermannshaus in den Schulferien freien Eintritt. Und wann geht es im Freien wieder los? Pfluger lächelt: «Stand heute gehen wir davon aus, dass wir es bis zur nächsten Saison schaffen.» 2022 wird es also ins Weyerli zurückkehren: das erfrischende Nass.
Michèle Graf