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«Grosse Konzerte und Kongresse gingen bisher an uns vorbei»

Die über 70-jährige Festhalle auf dem Berner Ausstellungs-gelände hat ausgedient. Jürg Stöckli, Verwaltungs-ratspräsident der Messepark Bern AG, schildert im Interview, warum die Stadt Bern ein multifunktionales Zentrum dringend benötigt.

Welchen Bezug haben Sie persönlich zur Festhalle?
Heute habe ich berufeshalber einen stärkeren Bezug zur Festhalle als früher. Kommt dazu, dass ich nicht in der Stadt Bern aufgewachsen bin. Ich bin aber ein regelmässiger BEA- Besucher und da ist die Festhalle natürlich immer ein fester Bestandteil der Messe. In jungen Jahren war ich jeweils am Barstreet Festival Bern in der Festhalle anzutreffen. Aber die alte Halle gefiel mir als Veranstal-tungsort nie besonders, sie hat kein Ambiente.

Die heutige Festhalle wurde 1948 als Provisorium erstellt und wurde mit 73 Jahren zum «Providurium». Welche Lebensdauer geben Sie der neuen Festhalle?
Die Halle ist völlig überaltert. Der Grosse Rat von Bern musste während seiner Sitzungen letztes Jahr mit Wolldecken über den Knien tagen! Sie genügt weder energietechnisch noch von der Infrastruktur her den heutigen Anforderungen. Es wird deshalb auch immer schwieriger, die Halle für Anlässe zu vermieten. Wer-fen wir einen Blick zurück: 1948 fand das Eidgenössische Sängerfest in Bern statt und dafür benötigte man kurzfristig entsprechenden Raum. Im gleichen Jahr feierte die Eidgenossenschaft das 100-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung. Es gab schon damals im Vorfeld hitzige Diskussionen zur Finanzierung. Dann taten sich vier Zimmermeister spontan zusammen und bauten die Halle aus Holz und als Provisorium. Aber in unserem Land besteht ein solches Provisorium nicht bloss aus einer Baracke, sondern hat eine gewisse langlebige Wertigkeit! Und so besteht die Halle halt heute noch. Die Neue Festhalle muss mindestens wieder 70 Jahre ihren Dienst erfüllen.

Worauf basierte die Bedarfsanalyse für die Neue Festhalle?
Zusammen mit nationalen und internationalen Experten sowie Bern Welcome hat Bernexpo eine sorgfältige Bedarfsanalyse erstellt. Die Analyse zeigte auf, dass die neue Halle möglichst vielseitig genutzt werden können soll. Die Synthese daraus diente als Basis für einen Projektwettbewerb. Als Sieger gin-gen die beiden Berner Architektur-büros Matti Ragaz Hitz und IAAG Architekten AG hervor. Sie stellten ein Projekt vor, das diesen Bedürfnissen entsprochen hat. Wir werden übrigens schon heute mit Buchungs-anfragen konfrontiert!

Welche konkreten Anlässe können Sie sich in der Neuen Festhalle vorstellen, welche bisher in Bern nicht möglich waren?
Viele Leute verbinden Bernexpo mit Messen. Das greift aber zu kurz. Ge-wiss, in der Neuen Festhalle werden auch Messen stattfinden, aber sie wird nicht primär eine Messehalle sein. Die Stadt Bern soll noch stärker zur Kongressstadt werden. Kongresse ab 1200 Teilnehmenden sollen künftig nun möglich werden, auch in Zusammenarbeit mit dem Kursaal Bern. Die grossen Kongresse gingen bisher an uns vorbei. Auch Konzerte mit bis zu 9000 stehenden Besuchenden sollen möglich sein, das gabs in der Stadt Bern bisher nicht. Der Subventionsvertrag verpflichtet Bernexpo, nach Inbetriebnahme der Halle während 20 Jahren jährlich mindestens fünf lokale respektive regionale, drei nationale sowie eine internatio-nale Kulturveranstaltung durchzuführen. Für Bernexpo eröffnet sich eine grosse Chance, durch die neue, multifunktionale Festhalle Marktanteile zu gewinnen. Der Standort Bern ist gut positioniert zwischen Romandie und Deutschschweiz.

Die Abstimmung vom 7. März 2021 fällt mitten in die Coronakrise, eigentlich denkbar ungünstig für ein solches Projekt!
Nein, ich bin überzeugt, dass wir dieses Projekt im richtigen Moment realisieren. Jetzt können wir planen und bauen und ich bin zuversichtlich, dass wir bei der Eröffnung 2024 auch die Pandemie hinter uns haben. Die Menschen sehnen sich nach persönlichen, sozialen Kontakten und Begegnungen. Für uns ist dieses Projekt auch ein Zeichen des Aufbruchs, des Optimismus. Es gibt während und nach dem Bau Wertschöpfung. Durch die Krise ist das Gewerbe derart gebeutelt, dass wir im richtigen Zeitpunkt einen grossen Wertschöpfungsimpuls geben.

95 Millionen Franken kostet die Neue Festhalle insgesamt. Weshalb benö-tigt das Bauprojekt je 15 Millionen von Stadt und Kanton?
Die privaten Investoren finanzieren das Projekt mit 65 Millionen Fran-ken. Daran ist auch Bernexpo als Mieterin beteiligt. Es ist nicht nur ein privates Projekt, sondern ein Infrastrukturprojekt, wodurch der Zukunftsstandort Bern als Event- und Messeplatz gesichert wird. Die Neue Festhalle wird 18000 neue Hotelübernachtungen bringen. Diese Menschen kaufen ein, essen in den Restaurants, besuchen Museen. Für den Subventionsbeitrag von 15 Millionen Franken erhält die Stadt Bern einen enormen Attraktivitätsge-winn. Nicht zu vergessen, dass Stadt und Kanton dadurch zu zusätzlichen Steuereinnahmen kommen. Andere Grossstädte in der Schweiz leisten massiv höhere Beiträge. Solche Pro-jekte können unmöglich nur privat finanziert werden.

Falls die Stimmberechtigten der Stadt Bern die Vorlage ablehnen, wird auch der Grosse Rat die Subvention nicht sprechen. Wie ginge es weiter?
Es gibt keinen Plan B. Wir haben un-sere ganze Energie auf dieses nun vorliegende Projekt gesetzt. Wir sind aufgrund der Bedarfsanalyse überzeugt, dass es genau diese multifunk-tionale Halle braucht. Wenn die Vorlage abgelehnt würde, müssten wir die heutige Festhalle irgendwann schliessen und wären nicht mehr zukunftsfähig. Wir befänden uns wieder auf Feld eins.

Gegner des Projekts sprechen von einer überdimensionierten Eventhalle und gleichzeitig spare die Stadt bei der Kultur. Ein Widerspruch?
Beim Subventionsbeitrag von 15 Millionen Franken der Stadt handelt es sich um eine Investition, welche im Zeitraum von 20 bis 25 Jahren abgeschrieben wird. Es ist also kein Betrag, der im Kulturbudget fehlen wird. Auch in der Neuen Festhalle werden Kulturschaffende eine Möglichkeit haben, sich zu präsentieren und neue Gefässe zu bespielen.

Peter Widmer

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