Christian Reichenbach ist Präsident der Berner Sektion von Coiffure Suisse. Im Interview spricht er über Preisdruck, fehlendes Personal und Billig-Barber-Shops.
Wie steht es um die Situation der Coiffeurbetriebe in der Stadt Bern?
Alles in allem geht es der Coiffeurbranche in Bern gut. Einige Verbandsmitglieder sagen, es seien noch Nachwirkungen von Corona zu spüren. Andere meinen, es sei bereits wieder wie vor der Pandemie. Problematisch war die Situation während Corona vor allem, weil sich die Leute nicht mehr Haare färben konnten. Farbarbeiten sind ein grosser Umsatzfaktor. Besonders die jungen Leute haben gelitten. Für die war es eine harte Zeit. Was Männer betrifft, ist die Situation ungefähr gleich wie vorher. Übrigens mussten in den vergangenen zwei Jahren gar nicht so viele Salons schliessen. Wir als Verband konnten vielen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das war sehr wertvoll für die Mitglieder.
Welche Rolle spielen die sogenannten «Billig-Coiffeure» oder «Billig-Barber-Shops» für Männer? Dort gibts ja Haarschnitte für teilweise unter 20 Franken …
Es gibt gewisse Personengruppen, die vornehmlich zu dieser Art von Coiffeur gehen. Vor allem liegt das daran, dass die Preise für die jungen Leute sehr attraktiv sind. Doch diese «Billig-Coiffeure» oder «Billig-Barber-Shops» können bei weitem nicht die Leistungen erbringen, die ein «normaler» Coiffeur hat. Sicher, den einen Haarschnitt mit der Maschine, den dort alle bekommen, beherrschen sie gut. Doch andere Sachen – wie beispielsweise den aktuellen Dauerwelle-Trend – beherrschen sie nicht. Dann kommen die Leute wieder zu etablierten Coiffeuren.
Wie steht Ihr Verband zu den Billig-Salons?
Sehr entspannt, wirklich. Auf den Gesamtmarkt gesehen ist das kein Problem. Am Ende fehlt diesen Salons einfach die Ausbildung.
Stimmt es, dass diese Coiffeure das Image der etablierten Salons schädigen?
Für unseren Verband und unsere Mitglieder spielen diese Salons keine Rolle. Wir beachten sie gar nicht. Die Kontrolle ist auch nicht Sache unseres Verbandes. Für uns von Vorteil ist allerdings, dass sie, wie erwähnt, nicht alle Dienstleistungen eines richtigen Coiffeurs erbringen können – und das bringt die Kundinnen und Kunden am Ende wieder zu uns.
Wie kann man die Kunden wieder dazu bringen, zu den «normalen» Coiffeuren zu gehen und sich von den Billig-Salons fernzuhalten?
Viele Kundinnen und Kunden erkennen rasch, dass das Leistungsspektrum der Billig-Coiffeure begrenzt ist. Sonderwünsche können meist nicht erfüllt werden. Auch das ganze Drumherum fehlt bei den Billig-Coiffeuren. Mir scheint, bei den Barber-Shops, die ja fast ausschliesslich Männer bedienen, war es eine Zeit lang Mode, dorthin zu gehen. Mittlerweile hat sich dieser Trend aber wohl gelegt.
Ginge es Ihrer Branche besser, wenn kein GAV oder ein Mindestlohn bestünde?
Der GAV hat den entscheidenden Vorteil, dass alles gesetzlich geregelt ist. Die Verhandlungen mit den beteiligen Gewerkschaften sind zwar oft hart, da immer neue Forderungen kommen, aber am Ende stehen die Mitarbeitenden gut da. Das ist für alle Beteiligten besser.
Was sind eigentlich Ihre Preisempfehlungen für Haarschnitte?
Für Herren mit dem vollen Programm wie Waschen, Schneiden, Föhnen empfehlen wir zwischen 50 und 65 Franken. Natürlich gibt es auch Ausreisser nach ob und, entsprechend unserem Thema hier, auch jene nach unten. Aber mit Preisen in der Mitte kann man alle Leistungen und Kosten problemlos abdecken. Ausserdem geben wir an, dass ein Männer-Haarschnitt um die 30 Minuten dauern sollte. Bei Damen schlagen wir eine Preisspanne von 80 bis 120 Franken vor. Das ist auch vom Aufwand abhängig, was gemacht und wieviel Material – Farbe etc. – aufgewandt werden muss. Zum Beispiel Ombré und Strähnen.
Warum lassen sich manche Coiffeur-Betriebe dazu hinreissen, gerade in Ihrer Branche Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht einzuhalten?
Die Wahrscheinlichkeit, dass man kontrolliert wird, ist, gemessen an der Zahl an Coiffeuren in der Stadt, eher gering. Ausserdem wissen die Kontrolleure, bei wem es sich lohnt, mal anzuklopfen: Das sind dann meist diese Billig-Barbiere. Dort ist man sich keiner Schuld bewusst und gibt Unwissenheit an. Meist machen die Läden dann rasch wieder zu.
Wie viele Coiffeur-Salons gibt es in der Stadt Bern?
In Bern haben wir rund 250 Coiffeur-Salons. Da sind alle mitgerechnet. Herren- und Damen-Coiffeure, reine Damen- und Herren-Coiffeure
und eben Barber-Shops. Nicht alle davon sind Mitglied in unserem Verband.
Woran liegt es, dass derzeit so viele Coiffeur-Salons eröffnen? Die meisten davon noch Billig-Salons?
Das ist ganz einfach: Unsere Erfahrung zeigt, dass rund ein Drittel der Auszubildenden nach ihrem Abschluss von den Ausbildungsbetrieben übernommen wird, ein Drittel sucht sich eine neue Stelle und ein Drittel versucht es mit der Selbstständigkeit, sprich der Eröffnung eines eigenen Salons. Dieses letzte Drittel arbeitet dann in kleinen Geschäftsräumen, die wenig Miete kosten, meist allein, um Personal zu sparen. Quasi ein Ein-Frau- oder Ein-Mann-Betrieb. Sie versuchen es einfach. Wenn es klappt, ist gut, wenn nicht, dann auch. Daher diese hohe Fluktuation an Salon-Eröffnungen und Schliessungen. Ähnliches gilt übrigens auch für die Barber-Shops. Jeder kann im Kanton Bern einen Coiffeur-Laden eröffnen. Dafür braucht es keine Berechtigung im Sinne einer abgeschlossenen Ausbildung. Entsprechend eröffnet jemand, der kein ausgebildeter Coiffeur ist, aber mit einer Haarschneide-Maschine umgehen kann, rasch einen Laden und schaut, obs klappt. Wenn es nicht klappt, macht er ihn halt wieder zu.
Erleben Sie einen Umbruch in der Coiffeur-Branche?
Nein, das kann ich nicht bestätigen. Einzig, dass es weniger Lernende gibt. Die Zahl an jungen Leuten, die sich für das Coiffeur-Handwerk interessieren, ist nicht mehr so hoch wie vorher.
Lohnt sich denn eine Lehre in der Branche eigentlich noch?
Wenn man Freude an der speziellen Arbeit hat, kommunikativ ist und gerne mit Menschen arbeitet, ist Coiffeuse oder Coiffeur sicher ein Beruf, den man wählen kann. Er erfordert allerdings Leidenschaft. Der finanzielle Aspekt spielt eine grosse Rolle
für die Attraktivität des Berufs. Zudem hat sich die Arbeitsstation in der Branche innerhalb der vergangenen Jahre stark verändert. Man arbeitet nicht mehr die ganze Zeit, sondern hat auch an Wochenenden frei und so weiter. Unschlagbares Pro-Argument: Coiffeusen und Coiffeure braucht es immer.
Gerade reine Herren-Coiffeure beschweren sich, dass es keine Ausbildung zum Herren-Coiffeur mehr gibt und sie so kein Personal finden.
Es stimmt, die reinen Herren-Coiffeure oder Barber-Shops – die richtigen – haben in den vergangenen Jahren stark gelitten. Hier fehlt es tatsächlich an Nachwuchs, denn der Beruf ist sehr spezialisiert und die benötigten Techniken werden oft nur vernachlässigt gelernt oder gar nicht. Das ist einfach zu wenig. Hier müsste die Ausbildung intensiver gemacht werden. Dennoch liegt es dabei gerade an den Herren-Coiffeuren, diese vehement zu vertreten. Es gibt im Verband die Möglichkeit, auf die Ausbildungspläne einzuwirken. Hier müssen sich alle zusammen dafür einsetzen, dass man mehr «Herren-Themen» in die Ausbildung aufnimmt.
Dennis Rhiel