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«Ich bin eben ein Emotionsbömbeli»

Jaël ist wieder da! Ihr neues Album «Sinfonia» hat die Berner Sängerin zusammen mit einem Orchester aufgenommen. Dass die Platte auch nach James Bond klingt, hat viel mit ihrem Sohn Eliah zu tun.

Welcher ist Ihr Lieblings-JamesBond-Darsteller?
Das dürfte Sean Connery sein.

Obwohl er einer ganz anderen Generation entstammt?
Seine sonore Originalstimme und der schottische Akzent gefielen mir sehr gut. Ausserdem war er je älter, desto attraktiver. Er hat eine besondere Wärme ausgestrahlt.

Werden Sie sich «No Time To Die» ansehen, wenn der Film am 31. März endlich ins Kino kommt?
Ich war nie jemand, der für den neuen Bond Schlange stand, aber ich werde ihn nicht verpassen. Ich gehe sehr gern ins Kino und vermisse es momentan extrem, in die ganz andere Welt der Filme einzutauchen. Ich bin oft dorthin geflohen, weil unser Sohn immer nach Mama geschrien hat, wenn ich zuhause war. Nur so konnten wir ihn daran gewöhnen, auch mal mit mein Mann Roger allein einzuschlafen. Und mir hat es gutgetan, zwischendurch einmal mit allen Sinnen abgelenkt zu sein – wie durch ein gutes Konzert.

Wissen Sie, weshalb ich Sie mit Bond-Fragen löchere?
Wahrscheinlich wegen «Reminded For Life». Da fanden auch schon andere Leute: «Das wär doch en hölle Bond-Song!» Als ich das Lied, das ich zur Gitarre geschrieben habe, mit meinem Keyboarder Cédric Monnier umzusetzen begann, merkten wir schnell, dass es nach einem grossen Orchester verlangt. Wir entschieden uns, das Bondeske, das der Song schon in seiner DNA hatte, auf die Spitze zu treiben. Wir studierten, wie Adeles «Skyfall» gemacht war, und pickten heraus, was wir cool finden.

Was hat Sie zum Text inspiriert?
Das «Orkestra»-Album, das ich mit dem litauischen Kammerorchester Klaipéda live aufgenommen hatte, trug mir eine Einladung ans Montreux Jazz Festival 2018 ein. Die Musiker freuten sich riesig, dass ich sie einfliegen lassen konnte, und meinten, wir sollten nicht nur dort gemeinsam auftreten, sondern auch bei «ihren» Festivals in Vilnius und Klaipéda. Ich konnte und wollte dieses Angebot nicht ausschlagen, musste jedoch meine Familie mitnehmen, da ich noch am Stillen war. Als es Eliah nach unserer Ankunft schlecht ging, riefen wir einen Arzt, der meinte, es gäbe Anzeichen von Dehydrierung, was bei einem Baby lebensgefährlich sein kann. Darauf erlebte ich im dortigen Spital, wo kaum jemand Englisch sprach, eine für mich «Sinfonia» ist Jaëls fünftes Studioalbum und enthält überwiegend Neuaufnahmen schöner Balladen. Auf dem neuesten Werk der Bernerin finden sich 13 Tracks mit sinfonisch orchestrierten Perlen, die in den letzten zwanzig Jahren ihres Bühnendaseins entstanden sind – mit dabei drei bislang unveröffentlichte Kompositionen. Der Bärnerbär verschenkt drei der begehrten CDs ab Mittwoch auf seinen Social-Media-Kanälen. «SINFONIA» – 3 CDs ZU GEWINNEN! «Sinfonia» ist das zweite Album, das Jaël zusammen mit einem Orchester aufgenommen hat. Foto: Jan Bösch furchtbare Nacht des Hoffens und Bangens und war am Morgen unendlich erleichtert.

Nach welcher Diagnose?
Eliah hatte nichts Gravierendes, sondern nur einen Magen, der verrückt spielte, weil er beim Zahnen einen «Käfer» aufgelesen hatte. So konnte ich ihn gleich wieder mitnehmen. Als ich aus dem Spital heraustrat, verspürte ich eine enorme Dankbarkeit und Liebe. Alles ist in diesem Moment abgefallen, auch, dass ich mich nach der Geburt überfordert gefühlt hatte, weil Eliah am Anfang ein «Schreibaby» war, ich kaum zum Schlafen kam und ich mich fragte, ob es richtig war, Mutter zu werden. All das habe ich in «Reminded For Life» zu verarbeiten und ein Stück weit auch zu verankern versucht.

«Sinfonia» ist schon Ihr zweites Album mit Orchester innert vier Jahren. Was fasziniert Sie daran?
Meine Musik entfernt sich immer mehr vom normalen Pop. Momentan schöpfe ich mein Potenzial am besten aus, wenn ich mit einem Akustik-Trio vor einem Geniesserpublikum singe oder ein Orchester im Rücken habe, das einen organischen, warmen Zaubermantel um mich und meine Stimme legt. Das entspricht mir mehr als der Auftritt vor 50000 hüpfenden Fans bei einem Open Air. Es war spannend, diese Erfahrung mit Lunik gemacht zu haben, aber heute fühle ich mich erfolgreicher, weil ich mich bei der Ausübung meines Berufs gesund fühle, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Und es berührt mich, wenn sich Menschen von diesem Feineren, Intimeren und Tiefgründigeren angesprochen fühlen. Ich bin eben ein «Emotionsbömbeli».

Das Album-Cover zeigt diesmal kein Foto von Ihnen, sondern ein abstraktes Bild, das Ihre Mutter, Vera Krebs, gemalt hat. Wie kam es dazu?
Ich fand, dass ein Porträtfoto von mir nicht wiedergeben würde, dass ich das Album zusammen mit meinen Musikern und einem Orchester gemacht habe. Schnell kamen wir darauf, dass etwas Abstraktes ideal wäre. Schon als das Wort fiel, wusste ich, dass ich meine Mutter um ein Bild bitten werde. Sie kann abstrakt (lacht)!

Was haben Sie von Ihrer Mutter über das Leben als Künstlerin gelernt?
Solange ich denken kann, hat sie nie viel Aufhebens darum gemacht. Sie hat Ausstellungen gemacht und Malkurse gegeben. Für mich war es normal: Meine Mutter malt und mein Vater tanzt. Er hat als Forschungspsychologe unser Familiengeld verdient und sie war Hausfrau und manchmal stellvertretende Lehrerin. Wir Kinder kamen dabei immer an erster Stelle. Sie hat nie gesagt, sie hätte jetzt keine Zeit, sie würde malen. Sie hat erst gemalt, wenn wir schliefen, und war damit offenbar sehr glücklich, denn sie ermutigte mich, wegen meiner Karriere nicht aufs Kinderbekommen zu verzichten.

Gefallen Elia Ihre Songs?
Ja, er will sie immer hören. Und jetzt hat er entdeckt, dass ich auf den Globi-Kassetten singe. «Mama, das bist du!» Zu «Orkestra» hat er wohl eine ganz spezielle Beziehung, weil ich mit ihm schwanger war, als das Album entstand. Das ist sicher ein Grund, weshalb es ihn beruhigt und ihm beim Einschlafen hilft.

Wie weit ist die Versöhnung mit Gitarrist Luk Zimmermann nach der Lunik-Trennung vor sieben Jahren bisher gediehen?
Der professionelle Kontakt hat immer funktioniert, aber zwischenmenschlich brauchten wir damals zuerst einmal Ruhe voneinander. Irgendwann konnten wir dann klärende Gespräche führen, haben nun beide eine Familie, fühlen uns angekommen und glücklich. Vorher hatte uns die private Trennung, die schon lange zurück lag, immer noch belastet, da Musik etwas Emotionales ist, gerade, wenn die Hälfte der Songs von eben dieser Trennung handelt…

Ich habe gehört, am Zermatt Unplugged 2010 wäre Lionel Richie völlig auf Sie abgefahren. Stimmt das?
(Lacht) Ja, nach unserem Konzert hat man mir gesagt, ich müsste unbedingt an das Künstler-Apéro kommen. Lionel Richie wolle mich kennenlernen. Tatsächlich hat er dort nach mir gesucht. Das Konzert wäre super gewesen und ich hätte eine tolle Stimme. Dann lud er uns zu seinem Konzert am nächsten Tag ein. Wir waren dort und haben ihm unser damaliges Album «Small Lights In the Dark» überbringen lassen, aber nie wieder etwas von ihm gehört. Es war trotzdem eine schöne Begegnung, von der ich meinem Vater auch ein Föteli schickte, weil ich als Teenager von ihm meine allererste CD – eine von Lionel Richie – bekommen hatte.

Sie haben «Sinfonia» am 1.1.21 herausgebracht und machen die Plattentaufe am 11.11.21 – haben Sie ein Faible für Schnapszahlen?
Nein, das ist purer Zufall. Eigentlich wollten wir die Plattentaufe im Kultur Casino Bern ja an Silvester machen und mit dem Album in ein hoffentlich besseres 2021 starten. Wir mussten das Konzert jedoch wegen der Corona-Massnahmen verschieben und fanden diesen freien Termin im November. Weil ich die Produktion teilweise durch den Vorverkauf des Albums im Sommer finanziert hatte, wollte ich die Fans nicht noch länger auf die Veröffentlichung warten lassen.

Eine Spitzenposition in der Hitparade dürfte Ihnen damit sicher sein!
Leider nicht, denn die rund 500 Tonträger, die das KMÜli Jaël, das aus Cédric und mir besteht, über meine Homepage direkt verkauft hat, werden nicht gewertet. Hätte ich sie über einen Vertrieb verschicken lassen, wären uns pro Album 16 Franken entgangen. Zu hohe Kosten, selbst, wenn eine Nummer eins resultieren würde. Ich habe die CDs lieber selbst verpackt. So konnte ich sie auch gerade noch signieren und manchmal eine handgeschriebene Karte dazulegen.

Reinhold Hönle

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