Christian Vifian mag den Wandel und die Zukunft: Aus dem KV Bern formte er zusammen mit seiner Crew das Bildungsunternehmen WKS KV Bildung, das in der digitalen Bildung schweizweit zu den Vorreitern zählt.
Im Gespräch mit dem Bärnerbär erklärt der frischgekürte Oberzibelegring auch, weshalb ihn die einstige Berner Weltklasseläuferin Anita Weyermann mitprägte.
Hand aufs Herz: Waren Sie ein fleissiger Schüler?
Ich war kein Streber, wusste aber schon sehr früh, was ich wollte: Lehrer werden.
Wie fleissig müssen wir Bernerinnen und Berner bleiben, um die Zukunft zu meistern? Immerhin zählen wir gemäss dem renommierten Global Innovation Index mit unseren Miteidgenossen seit Jahren zu den innovativsten Ländern.
Ich bin zuversichtlich, dass wir auch künftig fleissig sind und zudem das Richtige tun werden. Nicht zuletzt auch wegen dem dualen Bildungssystem der Schweiz. Weil die Lernenden in den Berufsschulen wie auch in den Betrieben tätig sind, wissen die Betriebe, welche Lernstoffe aktuell sind. Zugleich wissen die Schulen, wo in der Praxis die Post abgeht. Das ist eine Win-win-Situation. Kritischer bin ich, wenn ich die digitale Transformation betrachte. Da haben wir auch in der Schweiz noch einige Hausaufgaben zu lösen. So müssen wir beispielsweise frühzeitig schauen, dass wir für all jene Menschen, deren Jobs neu durch Computer oder Roboter gemacht werden, neue Arbeitsfelder bieten. Sonst haben wir früher oder später ein soziales Problem mit zu vielen Arbeitslosen. So ist es beispielsweise längst kein Geheimnis mehr, dass Trams und Busse in spätestens zwanzig Jahren automatisiert fahren werden.
Auch im Bereich Bildung ist die digitale Transformation die Herausforderung schlechthin. Wie geht diese vonstatten? Die WKS KV Bildung zählt schweizweit innerhalb der Branche ja zu den Vorreitern.
Lernstoff mit digitalen Hilfsmitteln vermitteln ist nur ein kleiner Bestandteil der Bildung 4.0. Diese führt sehr viel weiter. Im Zentrum stehen fachunabhängige Kompetenzen wie Kommunikation, Kritikfähigkeit, Kreativität und Kollaborationsfähigkeit. Basiskompetenzen wie Mathematik und Sprachen dürfen wir aber nicht vernachlässigen. Wer nicht sprechen, schreiben und mit Zahlen umgehen kann, wird auch künftig nicht bestehen.
Bewältigen die Teenager diese enorme Herausforderung?
Ohne Hilfe nicht. Hierfür haben wir zeitgemässe Lehrerinnen und Lehrer. Diese sind nicht mehr blosse Stoffvermittler, sondern bestens geschulte Coaches, die den Schülerinnen und Schülern helfen, sich selber zu befähigen. Wir sprechen vom begleiteten selbstbefähigten Lernen. Am Ende des Prozesses stehen im Idealfall junge Erwachsene, die für den täglichen Wandel gerüstet sind. Denn die Welt wird sich künftig noch schneller drehen.
Weil – überspitzt formuliert – das Wissen von heute schon morgen überholt sein wird?
Genau! In dieser beschleunigten Welt wird nur mitschwimmen können, wer mit Veränderungen umgehen kann. Auch hier spielt die Selbstbefähigung eine entscheidende Rolle. Deshalb ist es schade, wenn viele Eltern ihre Kinder heutzutage zu stark einschränken und ihnen zu wenig Vertrauen schenken. Meine Mutter fragte mich immer nur, an welches Käferfest ich gehe. Sie sagte mir nie, wann ich wieder zu Hause sein musste. Diese Kompetenz überliess sie mir, das tat mir gut und förderte mich.
Frei bestimmten Sie auch Ihre Karriere, oder?
Unbedingt! Nach dem Psychologie-, Philosophie- und Pädagogikstudium sowie meiner Zeit als Psychologielehrer folgte das Grossprojekt «Einführung der Informatik in der Volksschule des Kantons Bern». Später durfte ich für IBM Schweiz Schulen beraten. Wegweisend war Jahre danach ein Gespräch mit dem damaligen Stadtpräsidenten Klaus Baumgartner. Er war zugleich Präsident des Kaufmännischen Verbands Bern und überzeugte mich, dass ich mich für den Posten des Direktors des KV Bern bewerben sollte.
Der Rest ist Geschichte: Als Direktor haben Sie das KV Bern zum Bildungsunternehmen WKS KV Bildung geformt. Welche persönlichen Leitlinien halfen Ihnen auch während dieser Zeit?
Die Philosophie des Judosports und eine Weisheit der ehemaligen Berner Weltklasseläuferin Anita Weyermann waren mir wichtige Stützen.
Das tönt nach «Gring ache u seckle» …
Ja, auch. Wer nicht beissen kann und beim geringsten Widerstand aufgibt, wird nie etwas erreichen. Ich lernte dies als Seminarist, als ich während einer Stafette vom Henkerbrünnli hinauf ins Bierhübeli rannte. Nach der Hälfte sah ich bereits Sterne. Aber ich biss durch, auch für das Team. Als Anita Weyermann 1997 an der Leichtathletik-WM im 1500 Meter-Rennen die Bronzemedaille gewann, hätte sie ihren Willen zum Durchalten nicht treffender formulieren können. Ich fühlte mich in meinem Verhalten von Anita bestätigt.
Wechseln wir von der Rennbahn in den Judokeller …
«Ju-do» bedeutet auf Japanisch «der sanfte Weg». Ich lernte früh, Geduld zu haben und die vorhandenen Energien von anderen Protagonisten zu nutzen. Gewisse Entscheide müssen reifen. Erzwungene Vorhaben bringen nichts.
Geben Sie uns ein Beispiel, wie Sie dies als Direktor der WKS KV Bildung anwenden konnten.
Als ich vor 15 Jahren beim KV Bern anfing, merkte ich, dass sich viele hochqualifizierte Leute nicht trauten, neue und überraschende Dinge zu tun. Ich spürte, dass ich eine neue, offene Kultur nicht einfach so dirigieren konnte. Wir schufen zuerst ein Klima des Vertrauens, gleiche Rahmenbedingungen für alle und gingen mit eigenem Vorbild voran. Heute zählen wir gemäss dem Swiss Arbeitgeber Award bei den mittelgrossen Unternehmen zu den drei besten Arbeitgebern des Landes.
Haben Sie damit geliebäugelt, einmal als Oberzibelegring gekürt zu werden?
Nein, überhaupt nicht. Damit hätte ich nie gerechnet! Ich fühle mich umso geehrter und bin froh, dass mit dem Oberzibelegring auch die Berufsbildungsbranche eine Anerkennung erhält. Das ist gut so. Unser Gespräch hat gezeigt, wie wichtig diese für Bern und die Schweiz bleibt.
Dominik Rothenbühler