Meilensteine hat er in der VeloSzene schon viele gesetzt. Nun kommt mit dem Swiss Bike Park ein weiterer hinzu. Ein Gespräch mit Thömu Binggeli, dem Velo-Pionier aus Köniz.
Wie häufig klopfen Sie sich eigentlich auf die Schulter, wenn Sie sehen, was Sie mit dem neuen Bike Park erreicht haben?
Das tue ich grundsätzlich gar nicht. Ich habe Freude daran, Dinge zu bauen und zu entwickeln. Dabei ergeben sich so viele Herausforderungen, dass zum Schulterklopfen gar keine Zeit bleibt.
Viele hielten die Umsetzung des Swiss Bike Parks für unrealistisch, ja: undenkbar. Wie schätzten Sie damals die Lage ein?
Ich glaubte an den Swiss Bike Park, wie ich damals an den Stromer geglaubt hatte. Ohne die Idee, mit einem Team Visionen umsetzen zu können, muss man erst gar nicht anfangen.
Aber dann darf man auf das Erreichte doch stolz sein.
Absolut. Das bin ich aber zusammen mit meiner Crew, die hilft, diese Ideen mitzutragen und zu realisieren.
Sie werden von vielen Menschen aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport unterstützt – nicht nur finanziell. Wie haben Sie das geschafft?
Das Projekt rund um den Swiss Bike Park hat nicht zuletzt deshalb soviel Unterstützung, weil es ein Gesellschaftsprojekt und einzigartig für die Schweiz ist. Bewegungsförderung trifft auf Prävention, Ausbildung, Erlebnis und Technologie – ein attraktiver Bewegungsort für die gesamte Bevölkerung. Dankbar sind wir nicht nur für die grossen, bekannten Namen. Es gibt auch die vielen wertvollen Helfer im Hintergrund, die «Chrampfer», die häufig die viel mühsamere Arbeit erledigen als das, was sich vordergründig beobachten lässt.
2014 sagte die Könizer Bevölkerung Ja zum Swiss Bike Park. Trotzdem hatten Sie auch mit Widerstand zu kämpfen.
Ich habe gelernt, Durchhaltewillen zu zeigen. Der ist nötig, gerade bei solchen Projekten.
Wie verkraften Sie Rückschläge?
Damit habe ich früh gelernt umzugehen. Es sind die Niederlagen, die einen stärken, nicht die Erfolge, wenn sowieso alles rund läuft.
Seien wir ehrlich: Jeder mag Komplimente.
Klar, Feste soll man geniessen, und ich bin ein sehr geselliger Mensch. Bloss: Wenn gefeiert wird, ist die Arbeit ja bereits erledigt. Bevor dann schon wieder der nächste Schritt folgt.
Was bietet der Swiss Bike Park denn genau?
Er vereint vier Elemente: Erleben, Erlernen, Sicherheit, Gesundheit. Wir wollen Jugendliche wieder aufs Velo bringen. Es ist beängstigend, wie wenige von ihnen sich im Alltag noch mit dem Velo bewegen – hier sehe ich ein gesellschaftliches Problem. Zudem sollen alle Parkbesucher, auch solche mit einer körperlichen Beeinträchtigung, einen besseren Umgang mit dem Velo erlernen können, beispielsweise, um sich im Strassenverkehr sicherer zu fühlen. Nicht zuletzt wollen wir Leistungssportler auf einem hohen Level ausbilden, um vielleicht neue Weltmeister und Olympiasieger zu schaffen.
Was also erwartet mich, wenn ich mit dem Velo nach Oberried komme?
Eine riesige Velowelt! Es existieren insgesamt 15 verschiedene Stationen. Der Velodrome steht als Aufwärme- und Trainingsgelände zur Verfügung. Beim Pumptrack kann man lernen, im Flow zu fahren. Im Flowtrail lassen sich Sprünge trainieren. Hinzu kommen die Mountainbike-Lernpfade sowie der Fun-Bereich.
Klingt teilweise ein wenig gefährlich.
Der Bike Park ist sehr sicher konstruiert. Dazu ist er ja da: damit sich gewisse Sachen besser üben lassen als draussen in der Natur oder auf der Strasse.
Für welche Velos ist der Park denn überhaupt gebaut?
Gewisse Abschnitte kann man mit jedem Velo fahren. Manche Strecken sind speziell für Mountainbikes oder Rennvelos gebaut.
Im kommenden Jahr folgt eine weitere Bauetappe. Also ist der Swiss Bike Park in dem Sinne noch gar nicht fertig?
Er ist baulich in drei Etappen unterteilt. Die Rohform wird am 21. Oktober eröffnet, in der zweiten Etappe kommen die Gebäude mit der dazugehörigen Infrastruktur hinzu. Der Swiss Bike Park soll sich auch an Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung richten und barrierefrei ausgestaltet sein. Im dritten Teil erfolgt die Digitalisierung inklusive Lerneffekte. Alles gemeinsam zu realisieren, wäre finanziell und vom Zeitrahmen her kaum möglich gewesen.
Was kostet das Ganze?
Getragen wird der Swiss Bike Park von einer Stiftung, die rund 15 Millionen Franken investiert.
Ein hoher Betrag?
Angesichts des Volumens und der Wirkung ist diese Summe sehr effizient eingesetzt. Für die Velowelt als solche hingegen ist es ein hoher Betrag.
Die grüne Welle kommt Ihnen dabei sicher entgegen.
Dass das Velo einen gigantischen Trend erlebt, ist für mich das Logischste der Welt. Primär deshalb, weil es das effizienteste Fortbewegungsmittel darstellt, um von Tür zu Tür zu gelangen. Hinzu kommt der Aspekt, dass durch die Elektrifizierung des Velos Jung und Alt wieder gemeinsam unterwegs sein können.
Wie ökologisch ist der Swiss Bike Park?
Die baulichen Massnahmen erfolgen nach modernsten Standards und mit erneuerbaren Energien, unterstützt durch ein Mobilitätskonzept, das auf den öffentlichen Verkehr baut. Vor allem aber muss es das Ziel sein, die Menschen aufs Velo zu bringen, damit sie nicht zuletzt Ferien in der Schweiz verbringen und nicht ins Ausland fahren. Das ist der nachhaltige ökologische Effekt.
Und sonst? Assemblieren Sie alles vor Ort?
Die Schweiz ist ja eine Art Dorf. Ich bin extrem glücklich, dass wir Produkte hier entwickeln und herstellen dürfen – ohne Zwischenhandel. Dadurch sind wir schneller, aktueller und haben ein gutes Schweizer Preis-Leistungs-Verhältnis.
Welche neuen Projekte schwirren bereits in Ihrem Kopf herum?
Ich habe den schönsten Beruf der Welt: Wir dürfen Neues entwickeln, produzieren und dann auf den Markt bringen. Das gefällt mir an meinem Job und an meinem Leben generell so sehr. Visionen sind gut, aber viel wichtiger ist deren Umsetzung. Ich zitiere gerne folgenden Satz: «Machen ist wie Wollen, nur viel krasser.»
Sind Sie nie müde?
Doch, meistens am Freitagabend, wenn die Woche vorbei ist. (lacht) Und dann ist die Vorfreude gross auf den Samstag, wo ich mich in unserem Shop über den direkten Kontakt mit den Kunden freue.
Wie viel schlafen Sie?
Genug. Schlafen und die Möglichkeit, Sport zu treiben, ist eine grosse Lebensqualität. Diesen Ausgleich versuche ich möglichst beizubehalten.
Kommen Sie bei all Ihren Tätigkeiten überhaupt noch zum Velofahren?
Unbedingt. Es stellt einen Teil meines Alltags dar: Egal, ob ich zu einem Fussballspiel fahre oder an eine Sitzung, ich bin fast immer mit dem Velo unterwegs. Denn die guten Ideen kommen meistens an der frischen Luft und nicht im Büro.
Stromer oder «normales Bike» – womit sind Sie häufiger unterwegs?
Im Alltag und um von A nach B zu kommen, bin ich meistens mit dem E-Bike unterwegs, im Bereich Mountainbike zwischendurch ebenfalls. Für eine Tour über den Gurnigel oder um den Murtensee nutze ich aber das Rennvelo ohne elektrische Unterstützung.
Ist ein E-Bike eigentlich etwas für faule Radfahrer?
Das E-Bike kann effizient und komfortabel sein. Nach unserer Erfahrung gibt es drei unterschiedliche Zielgruppen für E-Bikes. Die Best Ager können mit einem E-Bike ihre natürliche Alterung kompensieren und weiterhin die gewohnten Touren fahren. Neueinsteiger, denen Velofahren bis dato zu anstrengend war, können jetzt ebenfalls schöne Ausfahrten unternehmen und Mountainbiker geniessen dank der elektrischen Unterstützung bereits das Bergauffahren. Auch die Reichweite bei der Abendtour kann deutlich erweitert werden: War es bisher die klassische Ulmizer-Gurten-Tour, liegt nun auch der Gurnigel drin. Für mich das Schönste ist aber der Gemeinschaftsaspekt: Durch die elektrische Unterstützung können Ausfahrten gemeinsam unternommen werden; Alter und Leistungsniveau sind nicht mehr ausschlaggebend.
Zählen Sie die Kilometer eigentlich, die Sie pro Jahr zurücklegen?
Es kommen etwa 6000 Kilometer pro Jahr zusammen. Ich rechne sie meist grosszügig hoch. (lacht)
Yves Schott