Seit kurzem leitet Peter Steck die Geschicke von KMU Stadt Bern. Das Gewerbe, sagt der Mitinhaber eines Carrosserie-Betriebs, habe es hierzulande schwer. Teilweise herrschten «absurde Gegebenheiten».
Peter Steck, Sie sind neuer Präsident von KMU Stadt Bern. Ihre ersten Eindrücke?
Ich habe mir gut überlegt, ob ich diese Herausforderung annehmen will. Ich bin der Kopf der Organisation, das ist mir bewusst, weiss aber auch ein tolles Team um mich. Die Zusammenarbeit im leitenden Ausschuss ist perfekt und dass Leonhard Sitter in der Geschäftsleitung weiter mitwirkt, war mir wichtig. Ja, ich bin bereit für diese Aufgabe.
Als Präsident eines bürgerlichen Vereins dürften Sie es in der links-grünen Stadt nicht einfach haben.
Das ist wohl richtig. Allerdings bin ich schon länger im leitenden Ausschuss von KMU Stadt Bern tätig, bin Vorstandsmitglied von KMU Bern-West und Berner KMU, dazu arbeite ich im Perimeter Weyermannshaus, ein Gebiet also, das umfassend transformiert werden soll. Ich glaube, ich kenne die Gräben, die sich auftun könnten.
Die da sind?
Ohne jemandem Fehler zuweisen zu wollen: Als Wirtschaftsvertreter werden wir praktisch nie als relevante Player wahrgenommen. Bei Arealentwicklungen beispielsweise geht es mehrheitlich nur um Siedlungspolitik. Wir werden zwar zu Begleitgruppen eingeladen, erhalten jedoch in etwa so viel Gehör wie der Berner Modell-Eisenbahn-Club. Als Mitinhaber eines Carrosserie-Betriebs komme ich mir oft als Störenfried vor. Als jemand, der die Entwicklung scheinbar behindert. Denn wer auch Autos repariert, hat nach Ansicht vieler in einer Stadt nichts zu suchen.
Wer genau übergeht Sie denn?
Zum einen sicher manche politischen Meinungsmacher. Andererseits ist die Ablehnung gegen das Gewerbe in Verwaltungen, bei den Behörden und teilweise leider auch in der Bevölkerung häufig tief verankert. Ich bin da selbstkritisch: Wir haben uns teilweise falsch positioniert und unglücklich kommuniziert. Einige vergessen hingegen, dass die Bevölkerung mit der Wertschöpfung, die sie generiert, ebenfalls Teil der Wirtschaft ist. Dann einfach zu sagen: Die böse Wirtschaft mit ihren Bonzenkarren, die die Mitarbeitenden ausbeutet – das ist ein sehr simples, einseitiges Weltbild. Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel.
Ja, bitte?
Wie erwähnt soll das Gebiet rund ums Weyermannshaus grossflächig umgestaltet werden. Heute ist es mehrheitlich eine Gewerbezone. Von der Umstrukturierung ist auch meine Firma betroffen. Der Stadtingenieur meinte, es werde dann schon für alle geschaut – doch eine gemischte Zone bedeutet in der Sprache der Stadt Bern hauptsächlich Wohnungsbau. Gewerbetreibende wie wir gehen schlicht vergessen. Mir wurde einmal gesagt: «Sie sind Unternehmer, Sie finden schon einen neuen Platz.» Die Stadtplanung wiederum denkt beim geplanten Parkplatzregime um das Weyerli nur an den Langsamverkehr – dass manche mit dem Auto zum Eishockey oder Schwimmen fahren, wird ignoriert.
Fakt ist, dass die links-grüne Stadtpolitik von der Bevölkerung zu einem überwiegenden Teil mitgetragen wird.
Natürlich. Es steht jedem frei, so abzustimmen, wie er oder sie möchte. Gleichzeitig sind zahlreiche bürgerliche Wählerinnen und Wähler aus der Stadt weggezogen. Eines meiner Ziele als Präsident von KMU Stadt Bern wird deshalb sein, ein Miteinander auf Augenhöhe zu schaffen. Derzeit wird leider oft gegeneinander gearbeitet: Velos gegen Autos, Autos gegen den öffentlichen Verkehr, Wohnen gegen Arbeiten …
Ihr Vorgänger Thomas Balmer legte den Fokus seiner Kritik stark auf die Verkehrspolitik. Sie also auch?
Sie ist eines von vielen Themen, neben der Raumplanung, der Bildungspolitik oder den Finanzen. Man muss nicht stets gleicher Meinung sein, ich wünsche mir allerdings ein gegenseitiges Verständnis. Wenn jemand, der sein Büro in der Innenstadt hat, mir sagt, es brauche kein Auto, um zur Arbeit zu kommen, mag das für jene Person stimmen – andere haben es hingegen weniger einfach. Darüber müssen wir reden.
Balmer sagt ebenfalls, dass mehrere Orte und Quartiere Berns abends ausgestorben sind. Stimmen Sie ihm zu?
Meine Haltung ist: Wir entwickeln uns hin zu einer mediterranen Stadt für eine wohlbehütete Freizeitgesellschaft. Man lebt in der Stadt – und will hier unter anderem seine Freizeit verbringen. Für mich gehören in einer lebendigen Stadt Gewerbe und Wohnen zusammen. Der neue Campus der BFH (Berner Fachhochschule) in Bern-West wird mehrere Wochen pro Jahr geschlossen sein. In dieser Zeit ist das Areal tot.
Bern, eine Stadt im Niedergang, wie «Der Bund» kürzlich das Interview mit Thomas Balmer betitelte.
So würde ich das nicht formulieren. Aber teilweise herrschen schon absurde Gegebenheiten: Fährt ein Handwerkerbetrieb mit dem Lieferwagen in die Altstadt, benötigt es mindestens drei Personen: Eine, die den Auftrag ausführt, eine zweite, die das Fahrzeug in einer Tiefgarage parkiert und eine dritte, die das Material bewacht, weil der Wagen nicht direkt neben dem Einsatzort stehenbleiben darf.
Sie hoffen also auf ein Nebeneinander statt Gegeneinander, auf mehr Transparenz statt Willkür.
Absolut. Schon häufiger wurden Versprechen nicht eingehalten oder wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich wünsche mir stattdessen einen Austausch auf Augenhöhe. Rahmenbedingungen und Standorte für das Gewerbe müssten in einer Stadt doch genauso wichtig sein wie Abfallcontainer und Spielplätze.
Yves Schott
Peter Steck, geboren am 26. September 1960, wuchs im Westen Berns auf. Er studierte in Hamburg Fahrzeugtechnik und arbeitete unter anderem für Renault in Paris. 1995 übernahm er den elterlichen Betrieb, die Carrosserie Steck AG beim Weyermannshaus. Steck ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.