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«Ich möchte mir als Musiker mehr Anerkennung verdienen»

Der Berner Popstar Luca Hänni (25) über sein erstes deutschsprachiges Album «110 Karat», die Liebe zu Tanzpartnerin Christina Luft, Bescheidenheit und die Begegnung mit Hollywoodstar Selena Gomez.

Sie haben Ihr neues Album «110 Karat» getauft. Weil Sie vom Duo Amigos inspiriert sind, das vor zwei Jahren mit einem Album gleichen Titels Platz eins erreicht hat?
Das könnte man meinen (lacht). Ich habe diesen Zufall erst bemerkt, als ich bei der Vorstellung des Albums in Deutschland auf Amazon nichtsahnend «110 Karat» suchte. Und, «Jesses Gott», da erschien zuoberst das gleichnamige Album dieser Koryphäen des volkstümlichen Schlagers! Natürlich mit den Amigos vorne drauf. Aber Chapeau, die beiden älteren Herren in ihren knallroten Hemden verkaufen in ihrem Musikstil immer noch bombastisch viele Platten.

Hätten Sie den Titel am liebsten geändert?
Klar hätte ich ihn mir nochmals durch den Kopf gehen lassen, wenn ich das vorher gewusst hätte. Aber ich finde es auch nicht tragisch, da ich gute Gründe für meine Wahl hatte. «110 Karat» kam schon in der Single «Diamant» vor und ich war auf der Suche nach etwas Prägnantem mit einer Zahl, das wertvoll klingt. Vorher geisterte «Zwischentöne» herum und das fand ich irgendwie zu «gschpürig»

Das Video zu «Diamant» wirkt ziemlich kitschig, fast schlagermässig. Haben Sie sich da von Ihren Gefühlen mitreissen lassen oder war es ein geschickter PR-Schachzug, darin mit Ihrer neuen Liebe Christina Luft zu turteln?
Nein. Natürlich ist in den Medien viel über unsere Beziehung spekuliert worden, aber ganz unabhängig davon war für mich klar, dass ich in diesem Video tanzen will. Da Christina in «Let’s Dance» meine Partnerin war, kam für mich gar niemand anders in Frage.

Sind einige der Songtexte schon von ihr inspiriert?
Nein, es hat zwischen uns erst gefunkt, nachdem das Album schon fertig war. Aber es wird sicher noch solche Lieder geben.

Können Sie ein paar der 110 Karat nennen, die Sie an Christina besonders lieben?
Sie ist einfach eine super Frau! Ich liebe ihre positive Art, auf sie ist immer Verlass und ich kann bei ihr so sein, wie ich bin.

Auf Ihrem fünften Album sind erstmals fast alle Songs so eingängig, dass man sie als Singles veröffentlichen könnte. Wie haben Sie das geschafft?
Seit 2015 ist viel passiert. Ich habe viel Erfahrung gesammelt und bin nun viel mehr in die Produktion integriert. Ich habe darauf geachtet, dass die Refrains im Ohr hängen bleiben, denn das finde ich sehr cool.

Weshalb ist seit «When We Wake Up» mehr Zeit verstrichen als zwischen den ersten vier Alben zusammen?
Es war wirklich seltsam. Wir hatten schon vor zweieinhalb Jahren mit dem Songschreiben begonnen, sind aber trotzdem fast nicht fertig geworden. Ich habe mich bis zum Schluss gefragt, ob das funktioniert, wenn die Lieder über einen so langen Zeitraum hinweg entstanden sind, oder ob sie aus einem Guss sein müssten. Da wir jedoch immer das gleiche zwei- bis dreiköpfige Team waren und es interessant ist, was für eine Geschichte die Songs erzählen, habe ich keine Zweifel mehr.

«Ich bin selbstkritisch. Für mich stimmt es, wenn noch Luft nach oben ist.»

Welches war der erste Song und welches der letzte?
Am Anfang entstanden «Dieser Moment» und «Zurück zu mir», bei dem ich schlecht drauf war, weil meine erste Beziehung, die acht Jahre gedauert hatte, zu Ende gegangen war. Mit dem Liebeslied «Diamant» am Ende hat sich der Kreis geschlossen.

Letztes Mal sagten Sie, dass die Wandlung vom Sänger, der die Erwartungen seiner «Deutschland sucht den Superstar»-Fans erfüllen wollte, zu dem Popstar, den Sie sein möchten, nicht von heute auf morgen geht. Wie nahe sind Sie an Ihrem Ziel, wenn der Weg 100 Kilometer lang wäre?
Uh! Durch den 4. Platz mit «She Got Me» beim Eurovision Song Contest und «Let’s Dance» konnte ich zuletzt sicher neue Fans gewinnen und einige Leute umstimmen, die eine andere Meinung von mir hatten. Ich würde sagen, ich bin nun bei Kilometer 60 oder 70, eher 60.

Sie sind sehr bescheiden.
Ich bin selbstkritisch. Für mich stimmt es, wenn noch Luft nach oben ist. Ich bin ja noch jung und total happy. Ich kann mega viel und cooles Zeug machen. Das ist ein Privileg. Ich möchte mir jedoch als Musiker mehr Anerkennung verdienen und mich im Live-Sektor noch weiterentwickeln. Ich will eine Show kreieren, mit der ich Headliner eines grossen Festivals werden könnte. Das braucht wohl noch ein, zwei Jährchen, aber das ist völlig okay so.

«110 Karat» enthält zwölf Lieder mit deutschen und vier mit englischen Texten. Weshalb singen Sie nur noch so wenige Songs auf Englisch?
Eigentlich ist das ganze Album auf Deutsch, denn die englischen Songs sind alles bereits als Singles veröffentlichte Bonustracks. Deutsch ist die Sprache, die ich jeden Tag spreche, weil ich viel in Deutschland arbeite und nun auch eine deutsche Partnerin habe. Ich kann mich so leichter ausdrücken und persönlichere Lieder schreiben.

Befürchten Sie nicht, dass der ESC-Effekt im fremdsprachigen Ausland dadurch verpufft?
Darüber mache ich mir keine Sorgen. Als ich kürzlich in einem Fitnesscenter in Köln trainierte, kam plötzlich ein Spanier auf mich zu und sprach mich auf Englisch an. Er zeigte mir die Playlist auf seinem Handy. «She Got Me» stand zuoberst! Das sind nette Begegnungen, wie ich sie mit den Fans immer wieder erlebe.

Wann haben Sie mal einen Star angesprochen, den Sie bewundern?
Als ich 2014 den «Kids Choice Award» des TV-Senders Nickelodeon für deutschsprachige Künstler gewann, war ich bei der Verleihung in Los Angeles. Backstage sass ich gerade neben Schauspieler Adam Sandler, als plötzlich Selena Gomez reinkam, in die ich als Teenager verknallt war. Da musste ich ein paar Mal leer schlucken! Gerade als ich all meinen Mut zusammennehmen und sie ansprechen wollte, kam die Produktionsleiterin auf mich zu und hat mich etwa fünf Minuten lang für meinen Auftritt gebrieft. Und weg war Selena! (lacht)

Sie begeistern Ihre Fans nicht nur als Sänger, sondern auch als Tänzer. Wann wurde diese Leidenschaft entfacht? 

Ich bin erst 2017 auf den Geschmack gekommen, als RTL mich für die Show «Dance Dance Dance» anfragte. Vorher konnte ich mich auf der Bühne überhaupt noch nicht richtig bewegen. Dann habe ich jedoch ein paar Monate trainiert und das gut abspeichern können. Seither «fägt» es mega, wenn ich Musik und Entertainment verbinden kann. Mein grosses Vorbild in Sachen Show ist immer noch Justin Timberlake.

War es schwierig, während des Lockdowns in Form zu bleiben?
Im Gegenteil, da fiel es mir am leichtesten! Da habe ich wegen «Let’s Dance» durchgetanzt. Wir waren frisch fröhlich jede Woche live auf Sendung, obwohl das oft auf der Kippe stand. Danach bin ich in ein Loch gefallen, weil ich so kaputt war. Ich habe abgenommen, weil ich viele Muskeln verloren habe. Ich sollte wieder mehr für meinen Body machen. Ich bin jetzt 26. Noch kann ich so viel essen wie ich möchte, aber leider wird das irgendwann aufhören (lacht).

Sie sind der erfolgreichste Künstler der jungen Garde in der Berner Musikszene. Wer von den Arrivierten hat Sie inspiriert?
Bei uns ist viel Patent Ochsner gelaufen – und natürlich Gölä. Da habe ich auch mitgesungen.

Später haben Sie aber nie Mundartpop gemacht, oder?
Ich habe es mal probiert, damit ich es probiert hatte, aber es hat nicht zu mir gepasst. Hochdeutsch klinge ich geschmeidiger.

Noch eine Sport-Frage: Sind Sie YB oder Thun-Fan?
Beim Thema Fussball können Sie mich echt «ghüdere». Deshalb sage ich SCB. Da war ich schon ein paar Mal an einem Match. Beim Eishockey ist mehr los.

Reinhold Hönle

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