Am Freitag wird Ted Scapa 89. Kurz vor seinem Geburtstag verrät der legendäre Berner Künstler, was ihm Freude macht und was ihm Sorgen bereitet.
Wie geht es Ihnen?
Ich bin happy, dass ich jünger und nicht älter werde. Das würde auch keinen Sinn machen. (lacht) Ich leugne also einfach meinen Jahrgang.
Welchen Geburtstag feiern Sie demnach am 17. Januar?
Den 100. Ich blicke ein wenig voraus. Ich hoffe bloss, Sie sind dann noch dabei. (lacht)
Bedeutet Ihnen die Zahl 89 etwas?
Das Alter bedeutet mir schon einiges. Viele Freunde sind schon seit längerem weg, weil sie beispielsweise in Holland leben oder auf Reisen gegangen sind. Diese Tatsache stimmt mich doch etwas traurig. Denn Freunde verdienen stets unseren Respekt, man sollte ihnen zu essen und zu trinken geben.
Stehen Sie mit alten Freundinnen und Freunden noch in Kontakt?
Mit einigen, doch. Manche leben in Frankreich, andere sind deutlich jünger als ich, da kann ich dann jeweils kaum mithalten, was die Sache kaum einfacher macht.
Ist das Alter für Sie ein Vor- oder ein Nachteil?
Beides. Man verliert Freunde, ohne dass man davon weiss; erst letzte Woche ist einer meiner Freunde, der in Zürich gelebt hat, gestorben. Nicht zuletzt deswegen halte ich mich öfters hier im Restaurant Treff auf –hier treffe ich Leute, das bereitet mir Freude.
Letztes Jahr konnten Sie Ihren Geburtstag nicht wirklich feiern, da Sie an einem Niereninfekt litten.
Ja, ich musste sämtliche Feierlichkeiten absagen. Mein langjähriger Arzt kennt mich in- und auswendig und meinte: «Ted, du musst ins Spital! » Zunächst war ich in Aarberg, daraufhin im Salem und in den Hirslanden-Kliniken. Über meine Spital-Aufenthalte könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Wobei ich es immer schön finde, wie jeder anfangs mit grosser Mühe reinkommt und als «normaler» Mensch wieder raus darf.
Wie steht es um Ihre derzeitige Befindlichkeit?
Es geht. Ich bin einfach da und zeichne, jeden Tag. Ich stehe täglich um 5 Uhr morgens auf, schliesslich kommt die Spitex ja schon früh vorbei. (lacht) Es ist generell nicht ganz einfach, Zeit zu finden, um in Ruhe zu arbeiten. Trotz zahlreicher Verabredungen, etwa mit dem Bärnerbär, versuche ich, mich kreativ zu betätigen. Zeichnen ist gleichzeitig auch eine Therapie, besser als Pillen jedenfalls.
An Ihrem Geburtstag laden Sie traditionell zum Fondue-Essen. Findet es diesmal statt?
Ja, wir feiern in der Wäbere.
Haben Sie einen Geburtstagswunsch?
Dass meine Freunde noch lange mit mir Zeit verbringen können. Ich meine: Manche kommen extra aus Holland hierher, um Güetzi und andere Esswaren mitzubringen. Und natürlich träume ich von meiner geplanten Ausstellung im Schloss Vallamand am Murtensee, wo ich dieses Jahr einige bislang unveröffentlichte Werke zeigen möchte.
Erinnern Sie sich an einen besonders schönen Geburtstag?
Ich habe in Holland fünf Jahre Krieg miterlebt. An meinem zehnten Geburtstag flog ich dann mit der damaligen Swissair von Amsterdam nach Dübendorf. In Zürich habe ich im Grünen Heinrich am Bellevue, so hiess damals ein Tea-Room, zum ersten Mal in meinem Leben Früchte und Patisserie-Waren gesehen. Ich dachte, ich sei im Paradies gelandet. Diesen Eindruck habe ich übrigens heute noch. Und mit dem Paradies sollten wir sehr vorsichtig umgehen.
Sind wir in der Schweiz auf einem guten Weg, dieses Paradies zu erhalten?
Wir machen vieles, aber sicher nicht alles richtig, wobei eine negative Entscheidung nie mit böser Absicht geschieht.
Also sind Sie mit Bern im Reinen?
Aber ja. Vor allem der Zibelemärit gefällt mir. Wir haben nächtelang gefeiert und getanzt. Das ist leider kaum mehr möglich, da ich derzeit nur mit Mühe laufen kann. Wichtig ist, dass man die guten Erinnerungen behält und pflegt.
Haben Sie andererseits mal einen eher traurigen Geburtstag verbracht?
Ich habe in Amsterdam miterlebt, wie Menschen von der Gestapo erschossen wurden. Das sind fürchterliche Erinnerungen. Zum Glück habe ich mich später in Bern verliebt und hier geheiratet.
Nerven Sie die ständigen Fragen über Ihr Alter?
Ich frage an dieser Stelle immer zurück: «Was denken Sie denn, wie alt ich bin?» Wenn die Menschen antworten: «Vielleicht 60 oder 70», dann sage ich: «Ganz genau so ist es!»
Sie haben in einem Interview einmal gesagt, Sie hätten keine Zeit für den Tod. Trotzdem kann man ihn ja nicht einfach ausblenden.
Sehen Sie, ich erhalte immer wieder Todesanzeigen von Menschen, die mir nahegestanden sind. Ich selbst werde nur zu meiner eigenen Beerdigung gehen. Die Neugier hält mich wach. Und eben meine Freunde, die ich treffe.
Sie verschwenden selten Gedanken an den Tod?
Mich beschäftigt, was ich noch tun möchte und nicht, was vielleicht irgendwann sein könnte. Ich bin und bleibe neugierig.
Sie wollten 2019 Ihre Biografie schreiben.
Ich bin nicht dazu gekommen, leider. Ich kenne viele furchtbare Geschichten aus meiner Heimat, die ich selbst miterlebt habe und die ich gerne niederschreiben möchte. Menschen, die aus Geldund Rachsucht umgebracht wurden. So wie beispielsweise Anne Frank, deren Familie ich gut kannte. Ich möchte mit meiner Tochter Tessa gerne an dieser Biografie arbeiten.
Was haben Sie, abgesehen von der Ausstellung, sonst noch für Pläne?
Ich besitze ein Atelier in der Bretagne. Ein fantastischer Ort an einer traumhaften Lage, wo ich diverse Leute kenne. Es wäre schön, im Frühling oder im Herbst mit dem Auto dahinzufahren. Ich würde mich über Austern und viel Fisch freuen.
Ted Scapa, besten Dank. Ich hoffe, wir unterhalten uns im nächsten Jahr an gleicher Stelle über Ihren runden 90. Geburtstag.
Sie sind herzlich dazu eingeladen.
Yves Schott