In diesem Haus riecht es überall nach Musik

Mit 70 gibt er wieder Vollgas. Bis Ende Januar tourt Peter Reber mit seiner Tochter durch die Schweiz. Ein Besuch beim bekannten Berner Liedermacher.

Ein Bild eines Aborigine-Künstlers, ein Schiffs-Chronograf und ein Cheminée. Sie haben sich Ihr Büro sehr gemütlich eingerichtet.
Für mich ist es völlig normal, dass ein Ort, an dem man mehrere Stunden pro Tag verbringt, eine persönliche Note aufweist. Insbesondere, wenn nur ich selbst den Raum benutze. Alle Gegenstände, auch das Gemälde des rostigen Kahns oder das Bärenmotiv, sind Fenster in meine Welt und in mein Leben. Ein Ausblick in die Vergangenheit sozusagen.

Sie wohnen mitten in Bern. Hatten Sie nie die Absicht, sich an einem anderen Ort niederzulassen, wie es gewisse Künstler tun?
Als wir 1995 nach 14 Jahren im Ausland beschlossen hatten, wieder in die Schweiz zurückzukehren, geschah das vor allem aus zwei Gründen: Wir wollten erstens wieder Jahreszeiten erleben. Wenn der Samichlous an Weihnachten mit den Wasserskis anrauscht, guckt man manchmal schon etwas komisch. Zusätzlich wussten wir, dass, wenn die Kinder weiterführende Schulen besuchen sollen, nun der Zeitpunkt gekommen wäre. Mir war einfach wichtig, die Familie um mich zu haben, es musste nicht zwingend die Schweiz sein.

Die Stadt Bern hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Was stört und was freut Sie?
In einem etwas fortgeschritteneren Alter ist es schon schön, zentral zu leben. Wer weiss, wie lange man noch gut unterwegs ist? Die Renovation des Casinos hat mich übrigens beeindruckt: eine architektonische Meisterleistung. Die weniger schönen Dinge versuche ich zu umgehen. (lacht)

Wie haben Sie selbst sich in all den Jahren verändert?
Mal sicher rein äusserlich, klar. (schmunzelt und überlegt) Was sich sicher nicht verändert hat: Ich bin unglaublich neugierig, ein richtiger News-Junkie und schaue jeden Morgen bei CNN rein. Wenn ich einmal nicht mehr neugierig sein sollte, dann bin ich wohl alt. Und mich interessiert natürlich, wie es meiner Familie geht: Ich habe eine wunderbare Tochter und Schwiegertochter, einen Sohn, eine süsse kleine Enkelin und eine Frau, die mich seit 40 Jahren durchs Leben begleitet. Mich zu beklagen, dass es mir nicht gut geht, wäre undankbar.

Sie erwähnen Ihr Alter immer mal wieder nebenbei. Beschäftigt es Sie?
Ich merke, wie Leute in meinem Umfeld sterben oder dement werden. Das bedrückt sicherlich ein wenig. Auf der anderen Seite blicke ich zufrieden zurück und stelle fest, dass meine Musik Menschen in wichtigen Situationen begleitet hat: an einer Hochzeit oder an einer Taufe zum Beispiel. Das gibt meinem Leben einen Sinn. Ich glaube nicht, dass es per se einen Sinn hat, wir müssen ihm einen geben. Und dass meine Songs auch den Meitschi gefallen haben, war bis mindestens 25 ebenfalls ein Grund, Lieder zu schreiben. (lacht)

Sind es solche Gedanken und Erinnerungen, die Sie nun angetrieben haben, zusammen mit Ihrer Tochter Nina wieder auf Tour zu gehen?
Ich habe festgestellt, dass es ohne Musik nicht geht. Wobei ich so oder so Musik machen würde, mit oder ohne Tournee. Selbst wenn am Schluss nur noch drei Personen im Publikum sitzen. Dann kann ich sie aber fragen, was sie von diesem oder jenem Titel halten. Nina hatte ausserdem gerade ihren Master an der Uni beendet. Da wir auf der Bühne so gut harmonieren, fragte ich sie, ob sie, bevor sie dann voll ins Berufsleben einsteigt, mitmachen möchte. Sie sagte sofort Ja.

Ihr neues Album heisst «Ha mys Härz uf der Büni gla».
Wenn man so wie ich 2500 Mal auf der Bühne gestanden ist, lässt man bei jedem Auftritt ein kleines Stück von sich dort zurück. Zudem möchte ich damit ausdrücken, wie dankbar ich dem Publikum bin, dass es mich schon so lange begleitet: Da kommen Grosseltern mit ihren Kindern und Enkelkindern.

Ist es diesmal die letzte Tour?
Ich habe ja vor zehn Jahren mal gesagt, dass es wahrscheinlich die letzte sei.

Eben!
Das war schon mal falsch. «Sag niemals nie», wie bei James Bond, ist wohl ein kluger Spruch. Ich kann es mir zwar derzeit kaum vorstellen, aber wer weiss, wenn es mir Freude bereitet … Jeder Lebensabschnitt bietet Stoff für neue Lieder. Deswegen sage ich jetzt nichts mehr dazu. Ich bin vorsichtig geworden. (lacht) Hazy Osterwald hat übrigens gleich mehrere Abschiedstourneen unternommen.

Viele Ihrer Konzerte sind ausverkauft. Macht es Sie stolz, dass immer noch so viele Menschen Ihre Lieder hören möchten?
Themen, die uns als Menschen bewegen, sind in den letzten fünfzig Jahren eigentlich dieselben geblieben: Es geht um Liebe, Beziehungen, Wortspiele … möglicherweise hat sich bloss die Verpackung etwas verändert. Ich habe das festgestellt, als «Io senza te» in Zürich als Musical aufgeführt wurde. Vierzig Jahre nach der ersten Veröffentlichung. Die Melodien kamen anders verpackt daher, es waren allerdings immer noch die gleichen Lieder. Einen guten Song kann man fast nicht kaputt machen. Übrigens, «Io senza te» kommt nächstes Jahr auf die Bühne der Thunerseespiele, wo es hoffentlich dann auch viele Bernerinnen und Berner sehen können.

Was haben Sie mit 70 für Pläne? Reizt Sie ein Land, eine bestimmte Reise, eine bestimmte Beiz … ?
Etwa in dieser Reihenfolge. (lacht) Was ich mittlerweile anders angehe: Früher sah ich bei meinen Konzerten nur den Saal. Heute nehme ich mir mehr Zeit, fahre früher hin. Es gibt in der Schweiz unzählige herzige Ortschaften. Ich kenne unser Land, trotz so vieler Auftritte, viel zu wenig. Und ich würde gerne weitere fremde Kulturen kennenlernen – es gehört indes zum Privileg des Älterwerdens, längst nicht alles genau verplant zu haben.

Ihr Kalender ist momentan wahrscheinlich randvoll.
Ja, nach der Tour aber blank. Ganz bewusst. Dann sehen wir weiter. Ich möchte mit meiner Frau Livia gerne wieder mal auf den Märit einkaufen gehen und mit meinem Enkelkind im Garten spielen.

Sind Sie jemand, der bereut?
Sicherlich hätte man mit gewissen Dingen anders umgehen können. Da ich allerdings über meine eigene Zeit verfügen kann und eine schöne familiäre Beziehung führe, habe ich in meinem Leben wohl mehr als die Hälfte richtig gemacht. Nein, ich bereue gar nichts.

Yves Schott

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