Am Sonntag treten Promis und Normalos für Krebsbetroffene in die Pedale. OK-Chef Markus Aerni über berührende und betrübliche Momente.
Am 12. September fndet das Race for Life zum zehnten Mal statt. Was ist der Gedanke dahinter?
Es geht vor allem um Solidarität und Sichtbarkeit. Über 40 000 Menschen erkranken in der Schweiz jedes Jahr an Krebs, und es ist immer noch ein Tabuthema.
Wie meinen Sie das?
Als wir vor einigen Jahren erstmals Botschafterinnen und Botschafter für das Race for Life suchten, kassierten wir sehr viele Absagen und hörten immer wieder diesen einen Satz: «Ich möchte nicht mit meinem Schicksal hausieren.» Aus irgendeinem Grund ist Kranksein in unserer Gesellschaft schambehaftet. Mit einem Anlass wie dem unseren wollen wir zum einen zeigen, dass Krebs – leider – zum Alltag gehört und man sich nicht dafür schämen muss. Zum anderen möchten wir allen die Gelegenheit geben, sich solidarisch mit Betroffenen und ihren Angehörigen zu zeigen. Denn es gibt wohl kaum jemanden, der oder die noch nie mit dieser Krankheit konfrontiert wurde.
Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen diesbezüglich?
Nun, ich habe schon aus berufichen Gründen mehr oder weniger täglich damit zu tun. Dabei gibt es auch schöne Geschichten. Zum Beispiel die unseres Botschafters Thomas Leuenberger alias Comedian Baldrian. Er verlor trotz Leukämie nie den Humor, es war und ist sehr beeindruckend, wie er mit seinem Schicksal umging. Inzwischen gilt er als geheilt – und er sorgt am 12. September am Nachmittag auf dem Bundesplatz Das Race for Life fndet schon zum zehnten Mal statt. Foto: Chrissie Stegt für Unterhaltung. Und dann gibt es die sehr, sehr traurigen Geschichten.
Zum Beispiel?
Das letzte Race for Life im Jahr 2019 wurde unter anderem von der ehemaligen Tele-Bärn-Moderatorin Anne-Cécile Vogt präsentiert. Wenig später starb sie mit gerade mal 39 Jahren an Krebs. Das hat mich enorm betroffen gemacht, zumal sie niemandem im Team etwas davon gesagt hatte.
Beeindruckend ist auch die Geschichte von Lerna Scherer, welche erneut das «Gesicht» des Race for Life ist.
Lerna ist eine unglaublich starke junge Frau. Vereinfacht gesagt hat sie einen Gendefekt, der immer wieder Krebs in ihrem Körper auslöst. Sie hatte schon Tumore im Schädel, im Magen, im Darm … und sie weiss nie, wann und wo der Krebs als Nächstes zuschlägt. Ihr Alltag ist geprägt von Schmerzen und Spitalbesuchen. Trotzdem hat sie eine unglaubliche Lebensfreude. Wenn sie könnte, würde sie sehr gern selbst aufs Velo steigen und Geld sammeln. Aber dafür ist ihr angeschlagener Körper viel zu schwach.
In ihrem Namen tut dies ein Prominenten-Team.
Genau. Dieses Jahr sind dies «Schweiz aktuell»-Moderatorin Katharina Locher, Eiskunstlauf-Weltmeisterin Denise Biellmann, Schlagersängerin Monique, Musiker Jan Oliver und die A-Capella-Truppe Bliss. Selbstverständlich fahren alle ohne Gage.
Gilt dies auch für die Stars, die am Abend auf der Bühne auf dem Bundesplatz auftreten?
Natürlich. Dadurch, dass jede und jeder von ihnen ihre Hits mit der Band Take This zum Besten gibt, müssen sie keine Musikerinnen und Musiker entlohnen, so sind auch für Stars wie Francine Jordi, Steff la Cheffe und Michael von der Heide solche Charity-Auftritte möglich, ohne dass sie finanziell draufegen.
Zahlt das Publikum trotzdem Eintritt?
Jein. Wer das Konzert besucht – es gilt die 3G-Regel mit Zertifkat – hat die Wahl zwischen einem 15-Franken-Spendenbändel und einem für 50 Franken. Wer letzteren wählt, nimmt damit an einem Wettbewerb teil, bei dem es tolle Preise zu gewinnen gibt, zum Beispiel Velos oder Uhren. Das Geld ist aber insofern kein Eintritt, sondern eine Spende, welche vollumfänglich verschiedenen Krebsorganisationen zugutekommt. So wie jeder Franken, den die Velofahrerinnen und Velofahrer am Race for Life sammeln, auch.
Wie ft muss man sein, um mitfahren zu können?
Gar nicht. Die kleinste Runde führt rund um den Bundesplatz, das dürfte für die meisten machbar sein. Aber es gibt auch herausfordernde Strecken, die längste ist die 108 Kilometer lange nach Interlaken, welche dieses Jahr erstmals im Angebot ist. Diese gibts im Zusammenhang mit L’Etape Switzerland. Mit dem Strassenrennen bildet das Race for Life zum ersten Mal die Cycling Days Bern.
Beim Start auf dem Bundesplatz werden immer auch sehr kurlige Menschen und Gefährte entdeckt.
Stimmt. Wir hatten vor zwei Jahren ein Hochrad aus dem Jahr 1900 am Start, dessen Fahrer zeitgemäss im Stil der «Belle Epoque» gekleidet unterwegs war – ein echter Hingucker. Weiter hatten wir ein sehr cooles Zehner-Tandem auf der Strecke, eben ein «Ten-Dem», welches zu Taxifahrten für alle auf und um den Bundesplatz einlud. Dies soll auch zeigen, dass an diesem Tag trotz des ernsten Hintergrunds die Freude im Vordergrund stehen soll.
Zu guter Letzt: Was waren Ihre persönlichen Highlights in zehn Jahren Race for Life?
Da gibt es so einige! Ein heftiger Föhnsturm und Schneefall auf der Tremola beim Gotthard, wo das Race for Life damals noch durchgeführt wurde, führte um ein Haar zum Abbruch der Austragung 2011. Überhaupt forderte uns das Wetter immer mal wieder mit Kapriolen heraus. Oder die Teenager, die am damaligen Veranstaltungsort Root in der Nacht den Sponsoren-Zeppelin beim Startgelände abschnitten und am höchsten Punkt der Flutlichtanlage des Fussballplatzes wieder befestigten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Damals fand ich beides nicht sonderlich amüsant, nachträglich aber muss ich schmunzeln. Die wahren Highlights aber sind jedes Jahr die Begegnungen mit den vielen wunderbaren Personen, die am Race teilnehmen. Menschen, die für die Gesundheit eines Firmenteams oder in Erinnerung an ein Familienmitglied, welches sie verloren haben, in die Pedale treten und Geld sammeln, um anderen zu helfen. Das Race for Life hat sich zu einer eigentlichen grossen Familie entwickelt.
Sandra Casalini