Die Parzellen sind abgesteckt, der Rasen ist gemäht, das Waschhaus geputzt. Beat Müller, Leiter des Campings Eichholz, steht mit seinem Team in den Startlöchern. Seine Vorfreude auf den 6. Juni ist riesig.
Heute ist es sonnig, alles blüht, aber der Campingplatz ist geschlossen und leer: Blutet Ihnen da das Herz?
Ja, tatsächlich. T-Shirt-Wetter und keiner ist da. Das habe ich in 31 Jahren als Leiter noch nie erlebt. Eigentlich hätten wir 2020 so früh wie noch nie eröffnet, am 8. April. Wir hatten sehr viele Reservationen. Bis jetzt wäre es sicher eine Rekordsaison gewesen.
Wie haben Sie die Schliessung Mitte März erlebt?
Als eine turbulente Zeit. Es waren noch viele Wintercamper bei uns. Wir mussten sie bitten, innerhalb von 24 Stunden abzureisen. Alle waren aber verständnisvoll. Dann gab es die Idee, aus dem Campingplatz einen Quarantäneplatz oder einen für Angehörige von Hospitalisierten zu machen. Diese Pläne wurden aber schnell verworfen. Schliesslich erfuhren wir, dass ein Saisonstart im April unmöglich sein würde.
Folglich standen Sie und Ihre 13 Mitarbeitenden ohne Arbeit da?
Glücklicherweise gehört der Platz der Stadt Bern und wir sind somit Angestellte. Manche Mitarbeitende wie zum Beispiel eine Rezeptionistin erhielten pandemiefrei und weiterhin Lohn. Darüber bin ich froh. Die anderen haben renoviert, alles frisch gestrichen und den Garten in Schuss gebracht. (deutet auf die Wiese und lacht) Sieht jetzt aus wie ein englischer Park. Und eine neue Website mit Blog haben wir jetzt. Voll up to date.
Herr und Frau Schweizer planen 2020 vermehrt Ferien in der Heimat. Laufen bei Ihnen die Telefone heiss?
Ja, es ist unglaublich. Ununterbrochen klingelt es und kommen Mails. Meine Frau Barbara ist schon seit 7 Uhr dran. Innerhalb von weniger als 24 Stunden hatten wir 125 Anfragen.
Rechnen Sie in den nächsten Tagen also mit Dichtestress auf dem Platz?
Nein, im Juni sind noch keine Ferien.
Wie viele Personen dürfen nach der Wiedereröffnung auf dem Camping übernachten?
Zeltplätze und 50 Stellplätze. Letztere sind nun auf 45 reduziert. Auf der Zeltwiese hingegen sind die Abstandsregeln kein Problem. Ich hoffe auf weitere Lockerungen am 24. Juni.
Gibt es ein Schutzkonzept?
Kein übergreifendes für Campingplätze. Jeder Platz ist anders. Wir selbst haben alle Auflagen studiert und setzen sie um. Eine Herausforderung, besonders in den Waschräumen. Automatische Desinfektionsspender montieren wir heute noch. Einige Becken, Pissoirs und Duschen sind abgesperrt. Wo der Abstand nicht eingehalten werden kann, müssen wir die Gäste bitten, Masken zu tragen. Nur beim Rasieren und Zähneputzen geht das eben schlecht. (lacht)
Welches ist Ihre grösste Herausforderung?
Mit Absagen und Anfragen gerecht umzugehen. In den Ferien werden wir nicht genug Platz für alle haben und Leute leider wieder wegschicken müssen. Beides muss stimmen: die Wirtschaftlichkeit und die Fairness für die Gäste.
Apropos Wirtschaftlichkeit: Was hat die Coronakrise Sie gekostet?
Etwa 100 000 Franken pro Monat. Trotz vieler Buchungen werden wir im Juli und August weniger einnehmen, da fast alle Gruppen abgesagt haben. Die letzten Jahre konnten wir hingegen Gewinn erwirtschaften. Mit über 30 000 Übernachtungen pro Jahr sind wir die grösste Herberge der Stadt. Die Gästezahlen sind stetig gestiegen.
Warum? Ist Camping in?
Ja, absolut.
Wie hat sich das Publikum in Ihren 31 Jahren im Eichholz verändert?
Früher kamen viele mit kleinem Budget. Heute ist deutlich mehr Geld da, die Zelte und Wohnwagen sind teurer.
Werden Sie nun die Preise erhöhen?
Nein, vorerst ist das nicht geplant, aber eine moderate Erhöhung in den nächsten Jahren ist möglich.
Haben Sie in den letzten Wochen aufmunternde Mails Ihrer Stammgäste erhalten?
Ja, sehr herzige. Sie sorgten sich um Barbara und mich, wünschten uns Mut und Gesundheit. Aber erstaunter war ich, wie viele Leute ahnungslos buchen wollten: «Wie, wir dachten Corona sei durch? Warum haben Sie nicht offen?» Schauen die keine Nachrichten?
Restaurants und andere Läden durften tatsächlich schon viel früher öffnen. Viele Campingbetreiber klagen, der Bundesrat habe sie vergessen.
Da stimme ich nicht zu. Es war die Strategie, dass die Menschen zu Auffahrt und Pfingsten eben nicht quer durchs Land reisen und die Viren verbreiten. Ich finde das verantwortungsvoll, kann aber auch den Frust der privaten Betreiber verstehen.
Was ist bis zur Wiedereröffnung sonst noch zu tun?
Wir sind parat, alles ist geputzt und läuft. Wir könnten morgen öffnen!
Michèle Graf