Slide Bb Cap Thomas Iten 12

Ist der BäreTower erst der Anfang, Herr Iten?

Ostermundigen muss und will sich verändern. Davon ist Gemeindepräsident Thomas Iten überzeugt. Kommt es im Osten Berns nun zu einem Hochhaus-Boom? Weitere Projekte stehen jedenfalls schon in der Pipeline – wenn auch in kleinerer Form.

Wie gefällt Ihnen der neue Bäre­Tower?
Grundsätzlich sehr gut. Bei der Betrachtung kommt es vor allem darauf an, wo man genau steht. Je nach Lichteinfall ändert sich die Farbe des Gebäudes – bei Sonnenuntergang zum Beispiel glänzt er in kitschigem Rot. Viele wissen gar nicht, dass der BäreTower ganz bewusst in diesem hellen, weisslichen Ton gehalten wurde.

Mit Verlaub: Die ganz grosse Begeisterung tönt irgendwie anders.
(Lacht) Dann haben Sie mich falsch verstanden. Ich versuche es nochmals: Was mich am BäreTower fasziniert, ist das Gesamtpaket. Die Höhe, die Erneuerung … schlicht: Was der Neubau alles mit sich bringt.

Nämlich?
Er ist ein Vorbote der Transformation, die bereits läuft. Die Botschaft lautet: In dieser Gemeinde tut sich etwas. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. Wir bauen unter anderem hohe Häuser, um Kulturland zu schützen.

Wie meinen Sie das?
Unser eigentliches Leuchtturmprojekt Ostermundigens heisst O’mundo – ­unsere Ortsplanungsrevision im gros­sen Stil. Dabei hat sich die Gemeinde unter anderem dazu verpflichtet, von einer Ausnahme abgesehen, nirgends mehr Kulturland zu überbauen. Damit wir dieses Kriterium erfüllen können, sind wir gezwungen, in die Höhe zu bauen.

Trotzdem gab es, wie bei einem solchen Projekt üblich, im Vorfeld durchaus kritische Stimmen zum BäreTower.
Natürlich. Ab und zu fielen sogar nicht druckreife Kraftausdrücke. Und doch scheint die Zeit der guten, alten Beizen vorbei zu sein. Man kann das Beweinen und der Meinung sein, diese Art von Restaurants unbedingt erhalten zu müssen. Aber einen Neubau des Landgasthofs Bären hätte niemand finanziert, das ist eine Tatsache. Also nahmen die Eigentümer den Mut zusammen und erstellten etwas komplett Neues.

Das höchste Wohnhaus der Schweiz.
Wir haben lange «getüftelt»: Von über 60 skizzierten Modellen wurde jenes ausgewählt, welches so wenig Schatten wirft wie nur möglich. Zudem ist der BäreTower im Vergleich zu anderen Türmen relativ schlank und umfasst flächenmässig gerade mal ein Fussballfeld. Kritik ist zu akzeptieren, selbstverständlich. Bloss: Wenn wir uns verändern wollen, braucht es manchmal einen Schritt nach vorne.

Das Resultat sind 250 neue Arbeitsplätze, 116 Hotelzimmer sowie 152 Wohnungen, von denen der allergrösste Teil bereits vermietet respektive verkauft ist.
Wir haben uns in der Planungsphase stets gefragt: Wie können wir Ostermundigen zum Positiven wandeln, was ist der Mehrwert für die Bevölkerung? Der alte Bären bot rund 20 Arbeitsplätze, direkt daneben, im alten Kino, existierte ein kleines Rotlichtmilieu. Nun profitieren die Anwohnerinnen und Anwohner unter anderem von einem Notfall-Walk-in mit medizinischem Zentrum.

Ostermundigen umwehte lange der Hauch der armen, unattraktiven Vorortsgemeinde. Das könnte sich dank des BäreTower jetzt ändern.
Der O’mundo-Slogan lautet: Mehr Dorf braucht mehr Stadt und mehr Stadt braucht mehr Dorf. Das ist unser Verständnis und deswegen möchten wir natürlich zum traditionellen Wohnungsbau Sorge tragen. Der BäreTower ist das erste deutliche Zeichen, das aus diesem Transformationsprozess entstanden ist. Klar kämpft Ostermundigen nach wie vor mit verschiedenen Herausforderungen, doch man blickt nun anders auf die Gemeinde. Aus dieser Perspektive ist der Tower ein ausgezeichnetes Projekt.

Manche Wohnungen verfügen über eine Duschkabine mit Glasfront und direkter Sicht auf die Alpen. Die Zeiten, als Hochhäuser eine platzsparende Unterkunftsmöglichkeit für Geringverdienende darstellten, sind also vorbei?
Man muss Ostermundigen als Ganzes betrachten, der BäreTower stellt darin ein Puzzleteil dar. Die Thematik der Gentrifizierung, die Sie ansprechen, nehmen wir bei O’mundo auf. Gleichzeitig erarbeiten wir derzeit eine Art Gesellschaftsleitbild. Wenn Omundo vorgibt, wie gebaut wird – was heisst das folglich für die Menschen, die hier leben? Wollen wir eine ausgewogene Gemeinde, benötigt es unterschiedliche Preiskategorien an Wohnraum? Die Bevölkerung kann am 20. August 2022 im Rahmen eines Bevölkerungsanlasses Stellung zu solchen Fragen beziehen.

Folgen nun weitere Hochhäuser?
Was die Höhe anbelangt, ist und bleibt der BäreTower die Chefin auf dem Platz. Es gibt allerdings tatsächlich Pläne, rund um den Bahnhof weitere solcher «Hochpunkte» zu setzen. Angedacht sind Gebäude in einem Bereich von 40 bis 60 Metern, eines davon komplett aus Holz. Wo wir noch sensibler werden möchten, ist, und da hilft uns die Erfahrung aus dem BäreTower, bei der Umgebungsplanung. Wie gestalten wir den Aussenraum, wie gehen die Menschen zu ihren Wohnungen oder Arbeitsplätzen hin, auf welchen Wegen verlassen sie diese wieder?

Mit wie vielen zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen Sie eigentlich dank des neuen Turms?
Wer eine zusätzliche Infrastruktur zur Verfügung stellt, erhält mehr Steuerertrag – das ist normal. Wir erhielten eine einmalige Mehrwertabgabe von 4,6 Millionen Franken, hinzu kommt eine Million an Anschlussgebühren, ebenfalls einmalig. Wiederkehrend dürfte rund ein halbes Steuerzehntel pro Jahr zusätzlich einfliessen.

Ostermundigen, die Boomtown.
(Schmunzelt) Bei diesem Begriff kriege ich häufig etwas rote Ohren. Es ist eher ein Aufbruch. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir uns verändern wollen und müssen. Und mit O’mundo haben wir einen konkreten Plan, wo die Reise hingehen soll.

Bei einer Fusion mit Bern wäre der BäreTower dann das höchste Gebäude Berns.
Moment: Das Münster ist etwa 50 Zentimeter höher!

Trotzdem: Der BäreTower auf Berner Stadtgrund – für Sie kein Problem?
Nein, nicht wirklich. Im Kontext mit der Fusion ist uns wichtiger, dass wir unsere zentralen Themen in die laufenden Verhandlungen einbringen können.

Haben Sie eigentlich schon selbst im neuen Hotel übernachtet?
Herrje, das werde ich oft gefragt. (lacht) Nein, daran habe ich irgendwie noch gar nicht gedacht.

Vielleicht beim nächsten Lockdown wieder.
Vielleicht, ja. (lacht) Die ersten beiden Hotelgäste waren übrigens zwei Südafrikaner auf Geschäftsreise.

Wir stellen fest: Sie können mit dem Resultat BäreTower doch ganz gut leben.
Wir haben gezeigt, dass die Region Bern durchaus in der Lage ist, Hochhäuser zu bauen. Dass wir den Mut haben, alte Gebäude durch neue zu ersetzen. Ökonomische, gesellschaftliche und ökologische Faktoren zwingen uns dazu, uns teilweise neu zu erfinden. Die einzige Konstante ist der Wandel. Indem wir einfach sagen, früher sei alles besser gewesen, kommen wir sicher nicht weiter.

Yves Schott

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge