Streaming-Konzerte wollte sie keine geben. Francine Jordi hat sich während des Lockdowns einfach mal Zeit für sich genommen. Krisenerprobt war die Berner Schlagersängerin ja zuvor schon.
Sie sind eine aufgestellte Person, im Fernsehen und auf Fotos lachen Sie meist. Ist Ihnen die Fröhlichkeit während des Lockdowns vergangen?
Auf eine gewisse Art schon, ja. Die Situation war manchmal wirklich beängstigend, niemand wusste, wo der Weg hinführt. Was mich beschäftigt hat, war, dass es viele Leute gab, die viel oder fast alles verloren: Aber auch Techniker oder Mitarbeitende von Eventfirmen zum Beispiel, enge Freunde von mir trifft es ebenfalls sehr hart. Mein Trost: Seit meiner Brustkrebserkrankung weiss ich, dass jede Krise auch ihr Gutes hat. Es braucht zum Teil nur etwas Zeit und Geduld, das zu sehen.
Sie nahmen die Pandemie deutlich lockerer, weil Sie nichts mehr so leicht erschüttern kann?
Wer, so wie ich, krisenerprobt ist, nimmt gewisse Dinge ganz anders wahr. Zum Glück erkrankte in meinem persönlichen Umfeld niemand am Coronavirus.
Was haben Sie sonst gemacht?
Es war auffällig still um Sie. Andere Künstler organisierten Online-Vorlesungen oder Streaming-Konzerte. Das war meine Weise, um zur Ruhe zu finden. Ich bin mittlerweile rund 22 Jahre im Geschäft – ohne Virus hätte ich mir nie eine derart lange Auszeit genommen. Ich konnte endlich mal richtig runterfahren, habe mich bewusst aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und verbrachte meine Freizeit in der Natur und häufig mit meinen Eltern. Ich machte mit ihnen quasi diese «Daheim bleiben»- Zeit durch.
Welche Schlüsse haben Sie aus dieser speziellen Zeit gezogen?
Ich hätte in den betroffenen Wochen über 40 Konzerte gespielt. Das war schon frustrierend, die alle abzusagen, andererseits habe ich die neue Situation schnell so angenommen, wie sie ist. Warum in eine Situation Energie verschwenden, die man eh nicht ändern kann. Ich habe mich sozusagen auf Erholung umfokussiert. Mittlerweile haben viele zum Glück schon fast ihr normales Leben zurück – davon bin ich allerdings noch weit entfernt.
Und trotzdem befinden Sie sich grundsätzlich in einer privilegierten Situation.
Natürlich und dafür bin ich dankbar! Aber trotzdem ist es ein Abenteuer, bei dem wir immer noch nicht wissen, wie es weitergeht. Privilegiert fühle ich mich vor allem aber deswegen, weil ich sehe, dass Künstler in Deutschland oder Österreich deutlich ärmer dran sind und weniger Unterstützung vom Staat erhielten.
Was bedeutet die neue Situation für Sie?
Man muss umdenken. Autokinokonzerte sind eine mögliche Option. Die sind zwar total anders als «normale» Shows, wenn solche Events hingegen von zahlreichen Menschen unterstützt werden, können auch das Catering oder Tontechniker etc. davon profitieren. Sie sind sehr wichtig für unsere Branche.
Macht es Ihnen Angst, nicht zu wissen, wann sie wieder vor richtig viel Publikum auftreten können?
Angst ist ein schlechter Ratgeber. Letzten Dezember wusste noch niemand, was da auf uns zukommt. Gleichzeitig hat kaum jemand ahnen können, wie schnell sich das Ganze beruhigt hat, im Moment ist es wieder heikler. Heute sind bereits wieder Anlässe mit bis zu 1000 Personen erlaubt. Aber wir alle wissen nicht, was morgen oder übermorgen ist. Die Natur hat uns wieder einmal eindrücklich bewiesen, wie machtvoll sie ist. Wir sind auf sie angewiesen, nicht umgekehrt.
Allzu viele Pläne zu schmieden bringt also kaum etwas, sagen Sie.
Mir ist es wichtig, dass ich von einem Tag zum anderen lebe. Natürlich plane ich gewisse Sachen im Voraus, zum Beispiel was die Altersvorsorge anbetrifft, von meinem Denken her konzentriere ich mich jedoch auf den jeweiligen Tag.
Zu dieser Einstellung haben Sie aber nicht erst seit der Corona-Pandemie gefunden?
Die häufig zitierte Entschleunigung hat mir gutgetan und zeigt mir, was im Leben wirklich wichtig ist. Nochmals: In meinem Umfeld und auch in meinem Fanclub hat das Schicksal teilweise hart zugeschlagen. Und das tut mir wahnsinnig leid. All diesen Menschen wünsche ich ganz viel Kraft.
Was ist denn im Leben wirklich wichtig?
Gesundheit, Familie, die Natur. Geld bis zu einem gewissen Grad sicherlich auch, irgendwie muss man ja über die Runden kommen. Doch der ganze Konsum wurde praktisch über Nacht unwichtig.
Mit Ausnahme des Toilettenpapiers, das plötzlich Hochkonjunktur hatte.
Ich verrate Ihnen etwas: Ich habe ebenfalls Toilettenpapier gekauft. Allerdings nur, weil ich es tatsächlich brauchte. Und ich habe wirklich lange mit mir gerungen, bis ich es im Laden dann aus dem Regal nahm. (lacht laut) Vorher habe ich mir noch eine Toilettenpapier-Spendenaktion für mich innerhalb meiner Familie überlegt. Man kam sich ja wirklich dumm vor. (lacht)
Sie wurden in Interviews das eine oder andere Mal gefragt, ob der Lockdown für Sie besonders hart gewesen sei, da Sie keinen Partner haben. Nerven solche Fragen langsam?
(überlegt) Sie sind eher amüsant. Neulich las ich in einer deutschen Zeitung, wie arm ich doch sei, da ich ja nur meinen Hund hätte. Eine spannende Überlegung, das SingleDasein quasi mit einer Krankheit gleichzusetzen. (schmunzelt) Am Ende des Tages muss es für jeden und jede persönlich stimmen. Alles im Leben hat seine Vor- und Nachteile. Und nein: Ich bin nicht einsam und fühle mich wohl.
Sie haben es erwähnt: Events in kleinerem Rahmen sind wieder zugelassen. Wie sieht für Sie ein perfektes After-Corona-Konzert aus?
Am meisten freue ich mich einfach auf meine Fans und die Bühne. Wenn du etwas, das du im Leben so gerne tust, so lange nicht mehr hast machen können, bist du irgendwie auf Entzug. Man wird demütig.
Yves Schott